Im Sinne des immergegenwärtigen, zeitlosen Seins kann man sagen, daß der Mensch eine Geschichte hat; denn dann hat sein Sein weder Vergangenheit noch Zukunft, weder Anfang noch Ende, sondern es entfaltet sich immerzu ohne einen Begriff von Alter oder Zeit. Mary Baker Eddy gebraucht das Wort Geschichte in diesem unbedingten Sinne, wenn sie in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 470, 471) schreibt: „Die Beziehungen von Gott und Mensch, von dem göttlichen Prinzip und der Idee, sind in der Wissenschaft unzerstörbar; und die Wissenschaft kennt weder Abfall von der Harmonie noch Rückkehr zur Harmonie, sondern sie vertritt die Ansicht, daß die göttliche Ordnung oder das geistige Gesetz, demzufolge Gott und alles, was Er schafft, vollkommen und ewig ist, in seiner ewigen Geschichte unverändert geblieben ist.“ In dieser unbedingten geistigen Harmonie hat Veränderung keine Geschichte, sondern das Leben und seine Idee ist vollkommen, und seine Idee entfaltet sich immerdar, ist immerdar vollständig, entwickelt sich aber trotzdem immerwährend aus ihrer unendlichen Quelle. Geistige Geschichte ist die Tatsache der sich entfaltenden gegenwärtigen Vollkommenheit.
Die materielle Geschichte — ein Bericht von Wachstum und Veränderung — oder die menschliche Geschichte — ein Bericht zusammenhängender oder unzusammenhängender materieller Ereignisse — gehört nicht zum Menschen, der das Ebenbild Gottes ist, sondern zu dem falschen Begriff vom Menschen, einem Sterblichen, der sogenannten Schöpfung des sterblichen Gemüts. Der von Gott erschaffene Mensch, die geistige Idee des göttlichen Prinzips, kennt keine Vergangenheit; denn er hat sein Sein im ewigen Bewußtsein des Gemüts, und da er keine Vergangenheit hat, hat er keine Geschichte im menschlichen Sinne des Wortes. Alles, was eine materielle Geschichte, einen Anfang oder eine Vergangenheit zu haben scheint, muß unwahr sein; denn es muß auch ein Ende haben. Alles Wahre ist vollkommen und ewig und besteht jetzt. Der Mensch weilt in der Ewigkeit, und Zeit ist kein Teil des ewigen Lebens. Die geistige Geschichte oder Entwicklung kennt keine Zeit. Hat nicht der Prediger Salomo diesen Gedanken ausgedrückt in den Worten (3, 15): „Was geschieht, das ist zuvor geschehen, und was geschehen wird, ist auch zuvor geschehen; und Gott sucht wieder auf, was vergangen ist“?
Nur der materielle Sinn läßt einen irrigerweise an die Wirklichkeit einer materiellen Geschichte glauben. Der materielle Sinn behauptet, daß das Weltall materiell sei, einen Anfang habe, sich langsam entwickle, sich beständig ändere und ein Ende nehme. Dieser falsche Begriff verursacht viel Furcht und Unsicherheit und hat Krankheit und Sünde zur Folge; denn ihm gemäß ist der Mensch vermeintlich der Geburt und dem Tod, der Vererbung und materieller Umgebung unterworfen und das Opfer materieller Zustände, über die er keine Herrschaft hat. Aber der Mensch ist nicht ein sterblicher Fleck in einem ungeheuren materiellen Weltall. Der Mensch ist die unendliche, zusammengesetzte Idee des göttlichen Gemüts, und man kann wahrheitsgetreu eher sagen, daß das Weltall im Bewußtsein des Menschen inbegriffen ist, und daß der Mensch durch den geistigen Sinn, der diese geistige Tatsache erkennt, Herrschaft hat. Der Psalmist sagte mit Bezug auf den Menschen (Ps. 8, 7): „Du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk; alles hast du unter seine Füße getan.“
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