Wir mögen schon oft gesagt haben: „Er erquicket meine Seele“; aber es war für uns vielleicht nur ein schönes Dichterwort. Es ist jedoch viel mehr. In diesen einfachen Worten ist auf das heilige Verfahren der Heilung hingewiesen, wie wir finden, wenn wir die geistige Auslegung erfassen, die Mary Baker Eddy auf Seite 578 im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ gibt. Hier lesen wir: „[Liebe] erquicket meine Seele [meinen geistigen Sinn].“ Wenn wir Liebe, Gesundheit, Freude oder Versorgung anscheinend verloren haben, wenden wir uns an die göttliche Liebe, daß sie uns den geistigen Sinn von dem, was zu mangeln scheint, wieder erstatte. Auf diese Art heilt die Christliche Wissenschaft. Dieses Heilen ist so zweckdienlich, so schön, so mächtig, daß nur die göttliche Liebe es mitteilen und uns zeigen konnte, daß die geistigen Eigenschaften, die der Mensch widerspiegelt, nie verlorengehen können.
Wenn das Licht der geistigen Wahrheit und Liebe durch das Verständnis der Christlichen Wissenschaft auf uns scheint, sehen wir vielleicht überrascht und betrübt, wie wenig kindliches, zuversichtliches Vertrauen, wie wenig Liebe zu unserem Vater wir empfunden haben, und wie viel Tadel, Argwohn, Neid und Überlegenheit wir unserem Nebenmenschen gegenüber gefühlt haben. Wenn dies der Fall ist, sehen wir, daß wir dem sowohl im Alten als auch im Neuen Testament dargelegten Grundgesetz der Liebe ungehorsam waren. Wir bedürfen also sehr der Liebe, die unsern geistigen Sinn wiederherstellt.
Ein Arzt hat gesagt: „Verdrießlichkeit verursacht mehr Krankheit als irgend sonst etwas. Leute ärgern sich über jemand, vielleicht in ihrer eigenen Familie, und sie halten daran manchmal Jahr für Jahr fest. Dann werden sie krank und wundern sich, was nicht in Ordnung ist.“ Es ist klar, daß nur die Liebe den tief eingewurzelten Groll beseitigen kann, den er „Verdrießlichkeit“ nannte.
Wie kann unsere Liebe zu jemand, wenn sie erloschen zu sein scheint, wiederhergestellt werden? Wir können Ungerechtigkeit oder den Haß, der unsern Unwillen verursachte, nicht lieben; aber wir können sehen, daß das Böse nie ein Teil des herrlichen, geistigen, zu Gottes Ebenbild erschaffenen Menschen war. Der von Gott erschaffene Mensch ist immerdar gefällig und liebenswürdig, von der Häßlichkeit des sterblichen Gemüts unberührt. Die Christliche Wissenschaft führt das empfängliche Denken zum Verständnis dieser geistigen Tatsache, und heilt unsern verletzten Stolz, allen Groll und Gram.
Die Liebe verdrängt den sterblichen, materiellen Sinn vom Menschen, der ihn als krank und traurig sieht, und stellt den geistigen Sinn wieder her, der wahrnimmt, daß er unversehrt und befriedigt ist. Dazu kann unser tiefstes Gebet im Verein mit einem Forschen in der Bibel und in unserem Lehrbuch nötig sein. Wir müssen vielleicht suchen, ringen und unzählige Male vergeben. Wir müssen die erkannten Wahrheiten fraglos im Leben anwenden. Jesus sagte: „Meine Lehre ist nicht mein, sondern des, der mich gesandt hat. So jemand will des Willen tun, der wird innewerden, ob diese Lehre von Gott sei, oder ob ich von mir selbst rede“ (Joh. 7, 16. 17). Mrs. Eddy schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 547): „Lieber Leser, du kannst dir die Wissenschaft des Heilens selbst beweisen und dich also vergewissern, ob die Verfasserin dir eine korrekte Auslegung der Heiligen Schrift gegeben hat.“
Eine Frau war fast drei Jahre krank gewesen und ihre Mittel, ihre Freude und ihr Mut schienen nahezu erschöpft, als sie das Lehrbuch Wissenschaft und Gesundheit erhielt und sich darein zu vertiefen begann. Von Anfang an spürte sie eine Besserung, was ihr bewies, daß sie den Weg gefunden hatte. Zuweilen erschien ihr die Wahrheit wie ein mächtiger Scheinwerfer, der sie erkennen ließ, wie weit sie von der göttlichen Liebe abgeirrt war; wie wenig sie ihrem Vater-Mutter, Gott, vertraut hatte, und wie sehr sie die Materie gefürchtet und sich auf sie verlassen hatte.
In dem Verhältnis, wie sie ihr Denken berichtigte, wurde sie kräftiger und begann etwas Näharbeit zu tun. Zuerst konnte sie nur kurze Zeit sitzen; aber wenn sie auf dem Ruhebett lag, suchte sie sich zu vergegenwärtigen, was Erklärungen wie die folgenden bedeuten: „Gott ist unendlich; Gott ist die Liebe; Er ist jetzt hier. Gott ist meine Stärke; Gott ist mein Leben“ und andere Wahrheitserklärungen, die ihrem höher strebenden Denken dämmerten. Nach und nach fand sie, daß sie länger aufsitzen konnte, und ihre Ruhepausen wurden immer kürzer. Sie machte die Näharbeit fertig, die erste Arbeit, die sie in beinahe drei Jahren hatte tun können.
Schließlich konnte sie in ein Lesezimmer der Christlichen Wissenschaft gehen. Dort sah sie zum erstenmal ein Bild von Mrs. Eddy. Sie hatte ein Vorurteil gegen sie gehabt auf Grund dessen, was ein Professor auf der Hochschule gesagt hatte. Als sie aber das Bild betrachtete, dachte sie: „Das ist das liebevollste Antlitz, das ich je gesehen habe.“ Und dann war es ihr, als hörte sie, wie wenn jemand sie gesprochen hätte, die Worte: „Die göttliche Liebe ist es, die heilt.“ Sie hatte einen Schimmer der unpersönlichen Liebe erhascht, die heilt. Sie sah, daß Mrs. Eddy nicht dachte, sie selber heile, sondern daß sie klar Jesu Worte verstand: „Ein neu Gebot gebe ich euch, daß ihr euch untereinander liebet, wie ich euch geliebt habe“ (Johannes 13, 34). Etwas Göttliches hatte das Herz der schwachen Leidenden berührt. Als sie das Lesezimmer verließ und die Straße entlang ging, empfand sie eine Freiheit und eine Freude, wie sie sie nie zuvor gekannt hatte. Sie fuhr fort zu forschen, zu arbeiten, zu beten und zu beweisen. Als der materielle Sinn der Dinge dem geistigen wich, wurde sie vollständig geheilt. Sie wurde Mitglied einer Kirche Christi, Wissenschafter, und begann sich der Sache der Christlichen Wissenschaft zu widmen. Die Liebe stellte wieder her, was sie jahrelang verloren zu haben schien.
In dem Buch „Twelve Years with Mary Baker Eddy“ (Zwölf Jahre bei Mary Baker Eddy) von Irving C. Tomlinson ist berichtet, wie im Jahr 1897 eine Frau mit ihren zwei Kindern nach Pleasant View ging, um Mrs. Eddy zu sehen. Sie sagt: „Ich wünsche, ich könnte der Welt eine Vorstellung davon geben, was ich sah, als Mrs. Eddy die Kinder anblickte. Es war eine Offenbarung für mich. ... Es läßt sich schwer in Worte kleiden, was ich sah. Diese Liebe war überall, wie das Licht; aber es war keine bloße menschliche, sondern göttliche Liebe. ... Ich sah zum erstenmal, daß alles außer dieser unendlichen Liebe unbedingt unwirklich ist. Sie war nicht nur wie das Licht überall gegenwärtig, sondern es war eine intelligente Gegenwart, die zu mir sprach.“ Sie heilte ihr Kind von einer häßlichen Beule am Kopf.
Mrs. Eddy schreibt in „Miscellaneous Writings“ (S. 138): „Vergeßt nicht, daß die erste und letzte Lehre der Christlichen Wissenschaft Liebe ist, vollkommene Liebe und Liebe, die vollkommen wird durch das Kreuz.“
Wir haben unserer Führerin, die uns die anwendbare Bedeutung der ganzen Bibel wiedergegeben hat, viel zu verdanken. Bei unserem Forschen scheinen wir zwar den in der Bibel aufgestellten Maßstab bei weitem nicht zu erreichen; aber wir sind dankbar, daß ihre Schriften unsern Weg erleuchten und uns die göttliche Liebe verstehen lassen, die die Seele erquickt. Durch ihre Offenbarung der Wissenschaft des Seins hat sie uns das göttliche Heilen als einen wesentlichen Teil der Christusbotschaft wiedergegeben.
