Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

„Rühre mich nicht an !“

[Aufsatz ursprünglich in deutscher Sprache]

Aus der August 1951-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Als Maria Magdalena am Auferstehungsmorgen zum Grabe eilte, um ihren Herrn und Meister zu suchen, da fand sie ihn nicht und ihr Herz war traurig. „Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo hast du ihn hin gelegt“, sagte sie schmerzbewegt zu Jesus, der unerwartet bei ihr stand und den sie für den Gärtner hielt.

Wir alle wissen, was Jesus darauf erwiderte. „Maria“, sagte er. Nun erkannte sie ihn und rief aus: „Rabbuni (das heißt: Meister)!“

Welches Glück sie bewegt haben muß, als der Auferstandene plötzlich vor ihr stand, frei und unberührt von Tod und Grab! Wir können uns vorstellen, wie lebendig sich ihre Liebe und Hingebung geäußert haben mag. Erbarmungsvoll sagte er jedoch zu ihr: „Rühre mich nicht an! denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater. Gehe aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“

Scheint Jesu Antwort „Rühre mich nicht an“, nicht fast unverständlich angesichts der Liebe und Treue, die Maria Magdalena als erste in dieser Stunde bewies? War ihre Freude und Ergriffenheit bei einem solch unerwarteten Ereignis nicht selbstverständlich? Jesu Worte waren keine Zurechtweisung der wertvollen Eigenschaften, die Maria Magdalena zum Ausdruck brachte, sondern sollten wahrscheinlich darauf hinweisen, daß er sein Verständnis von Gott und sein vollständiges Einssein mit Ihm, seine Untrennbarkeit von Ihm, noch nicht vollkommen und endgültig bewiesen hatte.

In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ schreibt Mary Baker Eddy (S. 46): „Dem unveränderten körperlichen Zustand Jesu nach dem, was Tod zu sein schien, folgte seine Erhöhung über alle materiellen Zustände; und diese Erhöhung erklärte seine Himmelfahrt und zeigte unverkennbar einen Zustand der Prüfung und des Fortschritts jenseits des Grabes an.“ Jesus erkannte auch die Gefahr der Verherrlichung der menschlichen Persönlichkeit, wodurch man das Prinzip in gewissem Maße aus den Augen verliert.

Wie leicht doch unser Denken unklar wird, wenn wir versuchen, das wahre Sein vom Prinzip zu trennen! Aber in solchen Augenblicken warnt auch uns die Wahrheit. Auf Seite 117 in ihrem Werk „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“ schreibt Mary Baker Eddy unter der Überschrift „Persönliche Ansteckung“: „‚Was seid ihr hinausgegangen zu sehen?‘ Eine Person oder ein Prinzip? Das entscheidet, ob das Nachfolgen recht oder verkehrt ist. Durch einen persönlichen Beweggrund, den man dem Sinn gewährt, bleibt man ‚ein Rohr, das der Wind hin und her bewegt‘; hilft man dagegen einem Führer nach Gottes Anweisung, und gibt diesem Führer Zeit und Ruhe, den unendlichen Aufstieg ― das Erfassen der göttlichen Ordnung und des Bewußtseins in der Wissenschaft ― zu verfolgen, so zerstört dies unsern eigenen Traum des persönlichen Sinnes, heilt Krankheit und macht einen zu einem Christlichen Wissenschafter.“ Enthalten diese Worte nicht für uns dieselbe Lehre wie das, was Jesus zu Maria Magdalena sagte?

Jeder Begriff, der aus dem persönlichen Sinn hervorgeht, raubt uns den wahren Sinn des Lebens. Wenn wir Liebe mißdeuten und sie menschlich beschränken, erleben wir Enttäuschung und Kummer. Erst wenn wir die reine Neigung der allumfassenden Liebe ausdrücken lernen, und sich uns ein höherer Sinn des Lebens und Wirkens entfaltet, bleiben wir vor Enttäuschung bewahrt. Jesus wies Maria Magdalena auf ein solches Leben und Wirken hin, als er zu ihr sagte: „Gehe hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“ Wahre Liebe ist für alle tätig. Jeder kann das unpersönliche Wirken des Prinzips, des allumfassenden Guten, erkennen und erleben. Als Jesus uns verließ, erhob er sich über das menschliche Erkennen seiner Jünger; aber die Wirksamkeit des Christus, der Wahrheit, die er offenbarte, bleibt bei uns für alle Zeiten. Jesus ermutigte seine Jünger in seinem im 14. Kapitel des Evangeliums des Johannes berichteten Gespräch mit ihnen mit den Worten: „Wer meine Gebote hat und hält sie, der ist es, der mich liebt. Wer mich aber liebt, der wird von meinem Vater geliebt werden, und ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.“

Jeder von uns hat seinen eigenen Beweis zu erbringen. Wir müssen unsere wahre geistige Kindschaft in jeder Lage erkennen und beweisen. Wir müssen unser Einssein mit Gott, dem ewig wirkenden Guten, in unserem täglichen Leben ausdrücken, damit die Welt die Wahrheit unserer Worte bestätigt sehen kann.

Das bloße Sehnen nach Geistigkeit genügt nicht; es bedarf unseres ernsten Ringens, um Fortschritt zu machen und für unsere geliebte Sache besser zu arbeiten. Geistigkeit wird nie ohne Kampf erreicht. Wir können nicht oft genug beanspruchen und erklären, daß wir als Gottes Kinder geistig frei sind. Wir müssen uns befreien vom materiellen Sinn, der uns immer zu beeinflussen und uns in unserem Vorwärtsdringen zu Gott zu hemmen sucht.

„Rühre mich nicht an! denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater“, kann uns eine ernste Mahnung sein in dem Sinne, daß keine materiellen oder beschränkenden Gedanken auf unserem Begriff vom Menschen ruhen oder ihn berühren sollten. Sich um Geburtstage kümmern und dem Verstreichen der Jahre Wichtigkeit beimessen sind zum Beispiel lauter Diebe, die unsern geistigen Fortschritt und unser Verständnis der Unsterblichkeit hindern. Um Geistigkeit zu beweisen, ist folgerichtiges Überlegen, ein folgerichtiges Denken und Leben erforderlich. Wir sollten uns lieber fragen: Was habe ich schon erkannt von meinem wahren und einzigen Sein und von meiner Beziehung zu Gott? Verstehe ich meine und meiner Mitmenschen unantastbare Einheit mit meinem Schöpfer genügend, um sie unter allen Umständen zu beweisen?

Wenn unsere Aufrichtigkeit und Selbsterkenntnis uns ein größeres Verständnis Gottes erschließt, können wir materielle Fragen beiseite legen und den vollkommenen Begriff vom Menschen beständiger hochhalten. Jesu Worte im 15. Kapitel des Evangeliums des Johannes: „Niemand hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben läßt für seine Freunde“, bedeuten gewiß nicht nur, daß wir in Zeiten großer Gefahr für unsere Freunde menschlich Opfer bringen sollen, sondern sie zeigen die heiligere Aufgabe, daß wir aus Liebe zu Gott unsere frühere Lebensweise ändern, und diese Liebe in völliger Hingabe für das Wohl der Menschen ausdrücken. Dann werden wir falsche Neigungen und ungeistige Wünsche freudig hingeben für den Fortschritt der Sache der Christlichen Wissenschaft.

Petrus wunderte sich und war traurig, daß Jesus ihn dreimal fragte, ob er ihn liebe. Erst nach seiner dritten feierlichen Beteuerung ging Petrus auf Jesu Gebot ein, seine Schafe zu weiden. Wir wissen, daß Petrus diese Aufgabe treu erfüllt und durch sein hingebungsvolles Wirken unzähligen Menschen die Christus-Botschaft geoffenbart hat.

Fragen wir uns doch einmal, ob wir Jesu Wirken und seinen großen Beweis des ewigen Lebens und der selbstlosen Liebe für alle genügend verstehen, um bereitwillig alle irrigen Neigungen und Wünsche aufzugeben und zu bekennen, daß wir Gott in der Tat lieben und dem Wegweiser in jeder Hinsicht nacheifern möchten. Man kann die Wahrheit nicht nur halbwegs anwenden. Unsere weise Führerin, die für das Wohl der Menschheit so selbstlos und unermüdlich tätig war, sagt uns unzweideutig (Wissenschaft und Gesundheit, S. 167, 168): „Gute Worte an Stelle von einem guten Leben, guten Schein an Stelle von geradem Charakter zu setzen, das sind armselige Ausflüchte für die Schwachen und Weltlichen, die da meinen, die Norm der Christlichen Wissenschaft sei zu hoch für sie.“

Wie klar und einleuchtend der Psalmist sagt (15, 1. 2): „Herr, wer wird wohnen in deiner Hütte? Wer wird bleiben auf deinem heiligen Berge? Wer ohne Tadel einhergeht und recht tut und redet die Wahrheit von Herzen.“

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / August 1951

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.