Im 4. Kapitel des Evangeliums des Matthäus wird uns gesagt, daß Christus Jesus in die Wüste geführt wurde, auf daß er von dem Teufel versucht würde. Die Versuchungen kamen zu ihm in verschiedener Gestalt; aber im Grunde war es eine Versuchung — die Versuchung, an andere Gemüter, andere Götter, andere Mächte als das eine allmächtige Gemüt das Gott ist, zu glauben. Jesus ging auf diese Versuchung in keiner Weise und nicht im geringsten ein. Er trat jeder Einflüsterung des Bösen mit einer bestimmten Widerlegung des Irrtums und einer Behauptung der Wahrheit entgegen; seine letzte Erklärung lautete (Matth. 4, 10): „Hebe dich weg von mir, Satan! denn es steht geschrieben: ‚Du sollst anbeten Gott, deinen Herrn, und ihm allein dienen.‘“
Wenn wir der Versuchung, an das Böse zu glauben, so bestimmt wie Jesus widerstünden und die Allheit des einen Gemüts, Gittes, anerkennten, bliebe uns viel Herzeleid und Anfechtung erspart. Wenn uns Krankheit zu dem Glauben an ihre Wirklichkeit zu verleiten sucht und uns niederfallen und sie anbeten heißt, sollten wir sie als eine falsche Geltendmachung abweisen, weil Gott das einzige Gemüt, das All, der allmächtige und allgegenwärtige Geist ist. Wir sollten uns auch vergegenwärtigen, daß Gott, das göttliche Prinzip, die Liebe, die einzige Substanz ist, und daß Gottes unendliches Bewußtsein alle Seine geistigen Ideen in sich schließt. Diese Ideen bilden den Menschen und Weltall.
Die Idee der Liebe muß aus dem Gemüt, das sie erzeugt, hervorgehen und es bekunden. Das einzig Wirkliche in einem Menschen ist also das, was Gott erzeugt, kennt, regiert und bildet. Weder Gott noch der wirkliche Mensch kann vom Bösen in Versuchung geführt werden; denn Gott kennt Böses nicht. Im Brief des Jakobus lesen wir (1, 13. 14): „Niemand sage, wenn er versucht wird, daß er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand. Sondern ein jeglicher wird versucht, wenn er von seiner eigenen Lust gereizt und gelockt wird.“
Wenn wir versucht sind, an Mangel zu glauben, sei es schlechter Geschäftsgang, Arbeitslosigkeit, Mangel an Versorgung, an Fähigkeit, Zuversicht, Mut oder an etwas Gutem in irgendeiner Hinsicht, dürfen wir dieser unwahren Geltendmachung keinen Glauben schenken, sondern wir müssen uns die Allgegenwart des Guten, das Allwirken der einen und einzigen Ursache, des unendlichen Gemüts, vergegenwärtigen. Wer die Allheit und Allgegenwart der Liebe versteht, erkennt klar, daß kein Mangel gegenwärtig sein kann, da die Liebe überall alles ist. Die Liebe kann infolge ihrer Beständigkeit nicht einmal reich und ein andermal arm sein. Wenn wir Jesu Ermahnung befolgen, am ersten nach dem Reich Gottes und nach Gottes Gerechtigkeit zu trachten — das heißt, zuerst danach zu trachten, das eine Gemüt und uns selber als den zum Bild und Gleichnis dieses einen Gemüts erschaffenen Menschen zu erkennen — kann uns nichts mangeln. Laßt uns also die Versuchung abweisen, zu glauben, daß Gott nicht das All sei, und in dem Verständnis der Herrlichkeit, Erhabenheit und Macht des einen und einzigen Gemüts, Gottes, beharren!
Manchmal kommen wir in Versuchung, uns darauf zu verlassen, was wir durch menschliche Weisheit und Intelligenz vermögen, zu glauben, daß wir selbst genügend seien; aber dies kommt daher, weil wir nicht wissen, daß unser wahres Selbst Gottes Idee oder Ausdruck ist. Der Meister erklärte (Joh. 5, 19): „Der Sohn kann nichts von sich selber tun, sondern was er sieht den Vater tun.“ Durch sein Widerspiegeln des einen Gemüts konnte er jedoch seine wunderbaren Werke tun. Paulus sagt etwas Ähnliches, wenn er uns daran erinnert, daß Gott es ist, der in uns wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach Seinem Wohlgefallen. Im Bewußtsein dessen, der sich völlig auf Gott verläßt, kann weder ein persönlicher Sinn der Unzulänglichkeit noch der Überlegenheit Raum finden.
Die Verfasserin hatte ein Erlebnis, bei dem ihre Vergegenwärtigung, daß nur das eine, immergegenwärtige Gemüt, das alle Wirklichkeit lenkt, behütet und bildet, ihrem menschlichen Bedürfnis abhalf. Auf einer Reise im Kraftwagen ließ sie ihre Handtasche in einem Waschraum liegen. Als sie etwa 40 km weitergefahren war, kam es ihr zum Bewußtsein, daß sie sie hatte liegen lassen, und sie fuhr zurück, um sie wieder zu erlangen. Die Handtasche war nicht dort und war auch nicht abgegeben worden. Sie rang eine Zeitlang mit der Versuchung, zu glauben, daß Unehrlichkeit bestehe und Macht oder Wirklichkeit habe. Sie wußte, daß Ehrlichkeit von Gott kommt, und daß der Mensch die unbedingte Rechtschaffenheit Gottes widerspiegelt. Nach einigen Tagen sah sie, daß sie, wenn sie zugab, daß Gott das All ist, nicht auch noch an eine von Ihm getrennte Macht glauben konnte. Als sie sah, daß der Glaube, der Mensch könne unehrlich sein, völlig unwahr ist, freute sie sich über die Immergegenwart des Gemüts. Dann nahm sie das christlich-wissenschaftliche Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift" von Mary Baker Eddy zur Hand und las (S. 520): „Das unergründliche Gemüt ist zum Ausdruck gekommen. Die Tiefe, Breite, Höhe, Macht, Majestät und Herrlichkeit der unendlichen Liebe erfüllen allen Raum. Das genügt!" Sie konnte sich diese große Wahrheit so klar vergegenwärtigen, daß sie vollständig erwartete, sie werde Tasche nach Beendigung ihrer Reise zu Hause vorfinden.
Sie war jedoch nicht dort. Sie suchte daher ausfindig zu machen, was in ihrem Denken ihr die Freude vorenthielt, die Allheit Gottes zu beweisen. Sie entdeckte, daß sie den Gedanken Zeit nicht klar gehandhabt hatte. Als sie über die Begriffsbestimmung für Zeit nachdachte, die Mrs. Eddy in der Worterklärung in Wissenschaft und Gesundheit (S. 595) gibt, und über die Ermahnung des Apostels Paulus an die Korinther (2. Kor. 6, 2): „Sehet, jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils“, erkannte sie, daß sie nicht bis zu einer späteren Zeit zu warten brauchte, um die Allheit Gottes zu beweisen, sondern daß jetzt die Zeit war. Gott ist im jetzigen Augenblick das All! Sie ließ sich nicht zu dem Glauben verleiten, daß die geistige Macht der Ehrlichkeit erst später eintreten könne; sich in der Zukunft, aber nicht jetzt, bekunden könne. Rechtlichkeit besteht und sie besteht immerdar. Unmittelbar darauf wurde die Tasche mit dem ganzen Inhalt unversehrt zurückgegeben.
Wir sind oft versucht zu glauben, daß es andere Gesetze gebe, und daß sie mächtiger seien als das Gesetz Gottes, das das einzig wirkliche Gesetz ist. Wenn wir aber wissen, daß niemand von den unwahren Gesetzen der Materie, der Beschränkung oder der Vererbung beherrscht werden kann, weil jeder in seinem wahren Sein immerdar als Idee in dem einen, ewigen, göttlichen Gesetz der Vollkommenheit, der Fortdauer und der Ewigkeit verbleibt — und diese Wahrheit festhalten — meistern wir Entmutigung und Enttäuschung und beweisen die tatsächliche Regierung Gottes
Wenn wir uns in Versuchung führen und zu dem Glauben verleiten lassen, daß das Bewußtsein in irgend etwas anderem als der Unendlichkeit des Geistes weilen könne, sollten wir uns fragen (Wissenschaft und Gesundheit, S. 308): „Bewußtsein, wo bist du? Weilst du in der Annahme, daß Gemüt in der Materie ist, und daß das Böse Gemüt ist, oder lebst du in dem lebendigen Glauben, daß es nur einen Gott gibt und geben kann, und hältst du Sein Gebot?“
Wenn wir Vers 1 bis 10 im 4. Kapitel des Evangeliums des Matthäus zergliedern, finden wir, daß der Teufel in jedem Fall geschildert ist, wie er Jesus einflüstert, er solle an das Böse glauben. Da das Böse nur eine falsche Annahme ist, ist es keine sich äußernde Kraft. Es kann an und für sich nichts tun, denn es ist nichts — kein Ding, keine Gegenwart, keine Macht. Die Annahme des Bösen ist es, was uns betrügt. Gott warnte Adam nicht vor dem Bösen, das gar nicht besteht, sondern vor dem Kennen des Bösen — dem Glauben an das Böse. Mrs. Eddy schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 234): „Sünde und Krankheit müssen gedacht werden, ehe sie offenbar werden können. Du mußt die bösen Gedanken im ersten Fall beherrschen, sonst beherrschen sie dich im zweiten.“ Wenn wir den Glauben an das Böse abweisen, ob es sich dann als Sünde, Krankheit, Mangel oder Tod darbietet, und Gottes Allheit behaupten, macht Gott Seine Gegenwart und Macht auf eine Weise sichtbar, die wir verstehen können und wir werden Sieger sein.