Widerspiegelung bedeutet etwas, das abgeleitet ist, etwas, das keine unabhängige Existenz hat, und in dieser Bedeutung kann man die Lehre der Christlichen Wissenschaft verstehen, daß der Mensch die Widerspiegelung Gottes ist. Die Intelligenz, Kraft, Reinheit, Freude und Liebe, die der Mensch als Ebenbild seines Schöpfers widerspiegelt, entstammen dem Geiste, und finden ihren individualisierten Ausdruck in den zahllosen Wesenheiten, welche die Familie des einen Vater-Mutter Gottes bilden.
Durch diese allumfassende Familie von Ideen des Gemüts werden die unendlichen Kräfte oder Eigenschaften des Geistes ausgelöst; und das Gemüt hat keine andere Möglichkeit, seine göttliche und herrliche Natur zu offenbaren, außer durch die Ideen, die von ihm ausgehen. Der Mensch kann niemals von Gott getrennt werden; denn das Gemüt kann niemals von seinem individualisierten Ausdruck göttlicher Eigenschaften geschieden werden.
Mary Baker Eddy sagt in ihrem Buch „Unity of Good“ (Die Einheit des Guten, S. 51): „Das Ich ist göttliches Bewußtsein, das sich ewiglich in allem Raum durch die Idee Gottes, des Guten, und nicht Seines Gegenteils, des Bösen, ausdrückt.“ Und weiter sagt sie: „In der wissenschaftlichen Beziehung zwischen dem Menschen und Gott wird der Mensch nicht als eine menschliche Seele sondern als das göttliche Ideal widergespiegelt, dessen Seele nicht im Körper weilt, sondern Gott ist — das göttliche Prinzip des Menschen.“
Das menschliche Problem besteht darin zu lernen, wie man sein eigenes wahres Selbst als göttliches Ideal beweisen kann — als Idee der Gottheit — statt als den mehr oder weniger aufrührerischen Sterblichen, der es zu sein scheint. Doch wenn man in der Wissenschaft die moralischen und geistigen Richtlinien hochhält, die man jetzt schon angenommen hat, indem man sich klarmacht, daß diese seine Einheit mit Gott als Seinem wahren Ausdruck besiegeln, so öffnet dies den Weg für eine klarere und reinere Ausstrahlung des Geistes. In dem Ausfluß des Gemüts gibt es keinen Stillstand, nichts Lebloses, nichts Apathisches, Gleichgültiges oder Müßiges; denn das, was seinen Ursprung in dem All-Wirken hat, drückt unaufhörliche Entfaltung der Unendlichkeit aus.
Christus Jesus erkannte sich selbst als göttlichen Ausdruck des Geistes, und so konnte er sagen (Joh. 8:42): „Ich bin ausgegangen, und komme von Gott; denn ich bin nicht von mir selber gekommen, sondern er hat mich gesandt.“ Ebenso wie der Sonnenstrahl ausgeht von der Sonne, so geht die geistige Widerspiegelung aus von Gott, und strahlt das Gute aus durch die große Kraft des Geistes, nicht aus eigenem Willen. Mrs. Eddy sagt in ihrer Botschaft an Die Mutterkirche für das Jahr 1901 (S. 8): „Als Jesus sagte: ‚Ich und der Vater sind eins‘ und ‚Der Vater ist größer als ich‘, so war damit gemeint, daß ein Lichtstrahl Licht ist, und daher eins ist mit dem Licht, nicht aber, daß er das volle Sonnenlicht ist. Daher haben wir die autoritative Bestätigung von Jesus, wenn wir sagen, Christus sei nicht Gott, sondern bedeute vielmehr ein Sichmitteilen Gottes.“ Dies wird weiterhin dargelegt in ihren Worten auf derselben Seite: „Der Christus war die geistige Selbstheit Jesu.“
Ein jeder von uns stellt in seiner christlichen Selbstheit ein Sichmitteilen des Gemüts dar, einen leuchtenden Strahl von Liebe und Wahrheit und Leben. Wegen des Menschen Einssein oder Vereinigung mit dem göttlichen Gemüt kann es bewiesen werden, daß niemand tatsächlich dem Tode unterworfen ist. Der Mensch lebt in ewigem Zusammenbestehen mit seinem Ursprung; jede Idee trägt zu dem vollen Ausdruck des einen Christus bei, obwohl eine jede ihre besondere Wesenheit bewahrt. Das Verstehen dieser Tatsache, das sich in dem Ausdruck reiner geistiger Eigenschaften zeigt, muß notwendigerweise den Tod zerstören; denn es vernichtet die sündhaften Gedanken, die den Tod verursachen. In der Demonstration geistiger Widerspiegelung wird die wahre Selbstheit niemals verloren, auch geht sie nicht im Geiste unter; sie leuchtet vielmehr in immer größerem Strahlenglanz, in dem Verhältnis wie das Gute sich in seiner Unendlichkeit entfaltet.
Manchmal veranschaulicht Mrs. Eddy die Widerspiegelung durch das Gleichnis eines im Spiegel oder der stillen Oberfläche des Wassers wiedergegebenen Bildes, und diese Sinnbilder veranschaulichen die Genauigkeit, mit der der Mensch Gott widerspiegelt. Doch sie erklären nicht den Begriff der Widerspiegelung als der tatkräftigen, spontanen Ausstrahlung so klar wie das Sinnbild von Sonne und Strahlen. Ein Erfassen all der verschiedenen Bedeutungen des Begriffs vom Menschen als Widerspiegelung des Geistes erheischt ein eingehendes Studium alles dessen, was unsre Führerin über diesen Gegenstand sagt.
Die folgenden Punkte könnten wohl bei solch einem Studium als besonders eindrucksvoll erfunden werden: Erstens, die Abhängigkeit der Widerspiegelung von ihrem Urbild; zweitens, die untrennbare Beziehung der Widerspiegelung zu ihrem Urbild; drittens, die Genauigkeit, mit der das Gleichnis sein Urbild widerspiegelt; viertens, den Zustand immerwährender Tätigkeit, den der Begriff der Widerspiegelung in sich schließt, als beständiger Entfaltung ihres Urgrundes. Wenn man diese vier Punkte im Sinn behält, so wird das Studium der Lehren, die Mrs. Eddy uns durch das Sinnbild der Widerspiegelung übermittelt, erleuchtend und heilend in seiner Wirkung.
Anzuerkennen, daß die Weisheit, Liebe und Intelligenz, die von den Einzelwesen widergespiegelt werden, tatsächlich Gott angehören, und daß Ihm allein Lob und Preis gebührt für ihren Ausdruck, bringt die Selbstgerechtigkeit zum Schweigen. Und solch ein Anerkennen beweist die Macht des Gemüts, jeden Strahl geistigen Lichtes auf seiner Mission der Ausstrahlung des Guten zu erhalten, und diese Ausströmung, die das göttliche Gemüt aussendet, mit unwiderstehlicher Allmacht auszustatten.
Das Ego, „das sich ewiglich in allem Raum durch die Idee Gottes, des Guten, ausdrückt“, macht seine Gegenwart geltend, ebenso wie die Sonne sich in der Morgendämmerung Geltung verschafft. Nichts kann das Licht der Wahrheit aufhalten, das den Nebel der sterblichen Täuschung verscheucht, der den Anspruch erhebt, die Widerspiegelung Gottes verhüllen zu können. Die Wirklichkeit ist offenbart. Der Mensch ist der Ausfluß des Geistes, und durch die Christliche Wissenschaft steht das Menschengeschlecht nun auf der Schwelle des ewigen Tages Gottes. Das Gute wird als in seinem Prinzip begründet erfunden, und als die dem Menschen innewohnende und einzige Natur demonstriert.