Als Abram und Lot zusammen in Kanaan lebten, hielten sie es für nötig, sich zu trennen, weil beide soviel Rinder und Schafe besaßen, daß „das Land es nicht ertragen konnte, daß sie beieinander wohnten.“ So lesen wir im dreizehnten Kapitel des 1. Buches Mose. Wir erfahren, daß Lot die fruchtbare Ebene am Jordan zu seiner neuen Heimat erwählte, während Abram in Kanaan verblieb. Der Bericht fährt dann fort (1. Mose 13:14, 15): „Da nun Lot sich von Abram geschieden hatte, sprach der Herr zu Abram: Hebe deine Augen auf und siehe von der Stätte an, da du wohnst, gegen Mitternacht, gegen Mittag, gegen Morgen und gegen Abend. Denn alles das Land, das du siehst, will ich dir geben und deinem Samen ewiglich.“
Gottes Befehl an Abram: „Hebe deine Augen auf und siehe von der Stätte an, da du wohnst“ ist auch auf die Erfahrung des Christlichen Wissenschafters anwendbar. Er kann bedeuten: Gib es auf, den Augenschein der materiellen Sinne in irgendeiner Schwierigkeit als wirklich und entscheidend anzusehen, und schau tief hinein in die geistige Wirklichkeit, wie sie in der göttlichen Wissenschaft offenbart ist. So wirst du deine von Gott bestimmte Erbschaft des Guten antreten und Frieden, Gesundheit, Harmonie und Freiheit finden.
Wird vielleicht jemand von dem Anspruch von Krankheit oder Verunstaltung bedrängt, was ihm qualvoll erscheint und nicht weichen will, oder was am Ende gar vom sterblichen Gemüt „unheilbar“ gestempelt ist? Dann laß den Dulder von der Materie und ihrem scheinbaren Zustand hinwegsehen und sein Denken auf Leben, Wahrheit und Liebe richten. Er wird erkennen, daß Gott, der nur das vollständig Gute schafft, keine Disharmonie kennt und daß sie daher unwirklich und ohne Grundlage sein muß und weder Gesetz, Macht, Ursache noch Wirkung hat. Wer sich der Christlichen Wissenschaft wegen Heilung zuwendet und sie gewissenhaft studiert, wird sich bewußt, daß seine wirkliche Selbstheit geistig und vollkommen, harmonisch und vollständig ist — das ewige Gleichnis des vollkommenen Gemüts. Weiter wird er die Erfahrung machen, daß der allgegenwärtige, immer wirkende Christus, die Wahrheit, seine menschliche Erfahrung regiert, indem sie Irrtum zerstört, indem sie heilt, ausgleicht und wiederherstellt. Wenn der Christliche Wissenschafter die Wahrheiten über Gott und Seinen vollkommenen Ausdruck, den Menschen, bejaht und wieder und wieder behauptet, so verschwindet der Irrtum aus Mangel an Rückhalt und die Harmonie tritt in Erscheinung.
In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 260, 261) schreibt Mary Baker Eddy: „Erwarten wir vom Körper Freude, so finden wir Schmerz; Leben, so finden wir Tod; Wahrheit, so finden wir Irrtum; Geist, so finden wir sein Gegenteil, die Materie. Nun kehre diesen Vorgang um. Schau vom Körper hinweg und in Wahrheit und Liebe hinein, das Prinzip allen Glücks, aller Harmonie und Unsterblichkeit. Halte den Gedanken beständig auf das Dauernde, das Gute und das Wahre gerichtet, dann wirst du das Dauernde, das Gute und das Wahre in dem Verhältnis erleben, wie es deine Gedanken beschäftigt.“
Vor einiger Zeit erlebte ein Christlicher Wissenschafter, ein Bekannter der Verfasserin dieses Aufsatzes, eine Heilung, indem er „vom Körper hinweg und in Wahrheit und Liebe hinein“ schaute. Dieser Christliche Wissenschafter, ein pensionierter Seeoffizier, wurde plötzlich von einer Krankheit befallen, die von beständigem, scharfem Husten begleitet war und ihm heftiges Leiden verursachte. Die Einflüsterung, er liege im Sterben, drängte sich ihm auf. Beherzt wies er die beunruhigenden Symptome als unwahr zurück und griff nach dem Buch „Wissenschaft und Gesundheit“, das, wie er wohl wußte, die heilende Wahrheit für jede Notlage enthält. Unter scheinbar äußersten Schwierigkeiten studierte er beharrlich zwei Stunden lang das Kapitel über die Betätigung der Christlichen Wissenschaft einschließlich der allegorischen Gerichtsverhandlung am Schluß dieses Kapitels. Als sich sein Denken mit den mächtigen geistigen wissenschaftlichen Wahrheiten füllte, ließen Schmerz und Husten allmählich nach.
Der Wissenschafter studierte dann die Lektionspredigt für die betreffende Woche im Christlich-Wissenschaftlichen Vierteljahrsheft. Sie enthielt den Bericht, wie Christus Jesus den Sturm stillte, als er mit seinen Jüngern den See überquerte. Als er las, wie der Meister seine verängstigten Gefährten zurechtwies (Mark. 4:40): „Wie seid ihr so furchtsam? Wie, daß ihr keinen Glauben habt?“ nahm er die Unwirklichkeit der Disharmonie wahr und erklärte, daß aggressive mentale Suggestionen weder Recht noch Macht hatten, seine von Gott gegebene Gesundheit und Harmonie zu stören. Er erkannte, daß seine wirkliche Identität, die Idee Gottes, durch die falsche Annahme nicht berührt worden war. Wenige Stunden nachdem der Irrtum sich bemerkbar gemacht hatte, war der Wissenschafter vollständig geheilt.
Jemand könnte glauben, er sei der Sklave von Sünde oder häßlichen Charaktereigenschaften; er trägt vielleicht die Last der Selbstverdammung und Entmutigung, weil er seine Freiheit noch nicht gewonnen hat. Er braucht sich nicht länger für einen schwachen, sündigen oder unharmonischen Sterblichen zu halten, denn dies ist ja nur das falsche Bild, das der materielle Sinn vorweist. Das gewissenhafte Studium der Christlichen Wissenschaft wendet das Denken des Bußfertigen der geistigen Wirklichkeit zu, in der der Mensch als unwandelbar harmonisch erkannt wird, als rein, intelligent, edel und liebevoll, auf ewig vollkommen wie das Vater-Mutter Gemüt, dessen vollständiger Ausdruck er ist.
Mit zunehmendem Verstehen und Demonstrieren geistiger Wahrheiten fallen falsche Charakterzüge und Neigungen ab und Harmonie und Freiheit tun sich kund. Paulus erklärt (Röm. 8:1, 2): „So ist nun nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind, die nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist. Denn das Gesetz des Geistes, der da lebendig macht in Christo Jesu, hat mich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.“
Erscheint dir deine Umgebung freudlos und drückend oder dein Tagewerk eintönig und ermüdend? „Siehe von der Stätte an, da du wohnst“; erkenne die Wahrheit und halte daran fest, daß du in deinem wahren Sein im Gemüt lebst, im Geist, in der Seele, der beständigen Wohnstätte von Harmonie und Freude. Die Vergegenwärtigung, daß des Menschen wirkliche Arbeit das Widerspiegeln der harmonischen, freudespendenden Tätigkeit des göttlichen Gemüts ist, bringt den Arbeiter dazu, sei es zu Hause, im Kontor, in der Fabrik oder sonstwo, Fröhlichkeit, Pünktlichkeit, Fleiß, Geschicklichkeit, Wachsamkeit und Wohlwollen auszudrücken. Auf diese Weise gestalten sich seine Tage interessant und angenehm und reichlich lohnend.
Man muß, zu Hause sowohl wie an der Arbeitsstelle, damit aufhören, die Disharmonie, Verwirrung und die Reibungen des materiellen Daseins als wirklich und tatsächlich anzusehen und man muß in jeder Lage gelassen und ruhig bleiben, nicht empfindlich oder leicht gekränkt sein und zwar durch die Vergegenwärtigung der Tatsache, daß nur das Gute wirklich und gegenwärtig ist. Solange man jedoch glaubt, daß Glücklichsein und Wohlbefinden von Personen oder Umständen abhängt, wird man es nicht erreichen. Wirklicher Friede, wirkliche Freude und Zufriedenheit, die von Dauer sind, werden nur durch vollständigen Verlaß auf Gott, die Wahrheit und Liebe, die Quelle alles Guten, gewonnen.
Als Christliche Wissenschafter sollten wir uns nicht bemühen, für andere ein Vorbild aufzustellen und sie dann veranlassen, sich ihm anzupassen. Wir sollten vielmehr unter allen Umständen danach trachten zu erkennen, daß der wirkliche Mensch die Idee des Gemüts ist, geistig und vollkommen, außerstande, Unrecht zu tun. Durch Anerkennung der Allgegenwart des Gemüts und seiner vollkommenen Kundwerdung, und der Unwirklichkeit, der Nichtsheit alles dessen, was nicht gut, liebevoll und heilsam ist, kann man seine eigene Gemütsruhe bewahren und außerdem noch andere segnen.
Mrs. Eddy schreibt in „Wissenschaft und Gesundheit“ (S. 264): „Die Sterblichen müssen über die vergänglichen, endlichen Formen hinausblicken, wenn sie den wahren Sinn der Dinge gewinnen wollen. Wo anders kann der Blick ruhen als in dem unerforschlichen Reich des Gemüts? Wir müssen dorthin schauen, wo wir hinwandeln möchten, und wir müssen handeln, wie einer, der alle Macht von Ihm besitzt, in dem wir unser Sein haben.“ Erinnern wir uns, daß Gott Abram befahl (1. Mose 13:17): „Mache dich auf und ziehe durch das Land in die Länge und Breite; denn dir will ich’s geben.“ Durch unser wachsendes Verständnis von Gott, Leben, Wahrheit, Liebe und von dem Menschen, Gottes vollkommener Widerspiegelung oder Seinem vollkommenen Ausdruck, beanspruchen wir unsere göttlich verliehene Erbschaft an Freude, Frieden und Freiheit und machen sie uns zu eigen.
Wenn eine trübe Fensterscheibe gesäubert wird, wird der Ausblick klarer. Genau so kann man den Menschen — einzeln oder kollektiv — klarer als geistig und vollkommen sehen, wenn man durch Wachstum im geistigen Verständnis und durch ernstes, gebendes Bemühen Vorurteil, Selbstgerechtigkeit und andere fehlerhafte Charaktereigenschaften überwunden hat. Unmittelbar nachdem Abram es freundlich und selbstlos Lot überlassen hatte, das von ihm bevorzugte Land zu wählen, gingen ihm die Augen auf und er sah die Unbegrenztheit der göttlichen Gaben und Segnungen.
Was auch immer die Art der Schwierigkeit sein mag, der man sich gegenüber sieht, man kann sie überwinden, wenn man sich weigert, an den durch die materiellen Sinne dargebotenen Augenschein zu glauben, und statt dessen „den Gedanken beständig auf das Dauernde, das Gute und das Wahre gerichtet“ hält. Auf diese Weise lösten zwei Christliche Wissenschafter, ein Ehepaar, ihr Geschäftsproblem. Sie leiteten die Filiale eines Großunternehmens, für das ein Geschäftsführer ernannt wurde, dessen anscheinende Unvernunft und Herrschsucht soviel Streitigkeiten verursachte, daß einige ihrer Mitarbeiter ihre Stellung aufgaben. Die beiden Christlichen Wissenschafter erkannten jedoch, daß dies nicht die richtige Art war, diese mißliche Lage zu bereinigen, und sie begannen, ihr Verständnis von der Christlichen Wissenschaft auf die Situation anzuwenden.
Sie erkannten, daß der Mensch in Wirklichkeit liebevoll, harmonisch und intelligent ist, und daß er das eine Gemüt widerspiegelt, welches alles unfehlbar regiert, allem gegenteiligen Augenschein zum Trotz. Die Wissenschafter hielten ihr Denken frei von Groll und Furcht und führten ihre Arbeit gewissenhaft weiter im festen Vertrauen darauf, daß Wahrheit und Liebe einen harmonischen Ausgleich für alle Beteiligten zustande bringen würden. Während sie fortfuhren, an den Wahrheiten des vollkommenen geistigen Seins festzuhalten, besserte sich nach und nach die Einstellung des Geschäftsführers ihnen gegenüber, bis es schließlich nicht mehr schwierig war, mit ihm auszukommen. Er wurde später durch einen anderen Geschäftsführer ersetzt, der hilfreich und zur Zusammenarbeit bereit war, und die Harmonie in den Geschäftsangelegenheiten der beiden Wissenschafter war wiederhergestellt.
„Hebe deine Augen auf und siehe von der Stätte an, da du wohnst.“ Wenn der Wissenschafter über die Täuschung des Sinnenzeugnisses hinaussieht und sein Denken dem Geist zuwendet, um zu erkennen, was wirklich und wahr ist, so werden seine Tage mehr und mehr frei von Mißklang und sein geistiger Fortschritt ist gesichert. Unsere Führerin schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 21): „Wenn der Jünger geistig vorwärts schreitet, so strebt er danach einzugehen. Er wendet sich beständig vom materiellen Sinn ab und schaut auf die unvergänglichen Dinge des Geistes hin. Wenn er ehrlich ist, wird er es von Anfang an ernst nehmen und jeden Tag ein wenig in der rechten Richtung gewinnen, bis er schließlich seinen Lauf mit Freuden vollendet.“
Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Licht sehen wir das Licht.— Psalm 36:10.
