In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 583) definiert Mary Baker Eddy „Kirche“ zum Teil wie folgt: „Der Bau der Wahrheit und Liebe; alles, was auf dem göttlichen Prinzip beruht und von ihm ausgeht.“ Dies ist die geistige Wirklichkeit von Kirche, die der Christliche Wissenschafter im Hinblick auf alle Tätigkeiten dieser Einrichtung verstehen muß, und auf die sich unsere Führerin im zweiten Teil der Definition bezieht, wenn sie erklärt: „Die Kirche ist diejenige Einrichtung, die den Beweis ihrer Nützlichkeit erbringt, und die das Menschengeschlecht hebt, das schlafende Verständnis aus materiellen Annahmen zum Erfassen geistiger Ideen und zur Demonstration der göttlichen Wissenschaft erweckt und dadurch Teufel oder Irrtum austreibt und die Kranken heilt.“
Wenn jedes einzelne Mitglied sich das wahre Wesen von Kirche vergegenwärtigt und dieses Verständnis in jede Versammlung und in jeden Gottesdienst hineinträgt, werden die Probleme der Kirchenmitgliedschaft gelöst und es ist geeinte, harmonische Zusammenarbeit in den Kirchentätigkeiten gewährleistet. Es ist die Pflicht und das Vorrecht jedes Mitgliedes, diesen vergeistigten Bewußtseinszustand zu erreichen und ihn zu bewahren, denn er allein macht zur Kirchenmitgliedschaft tauglich. Mrs. Eddy sagt auf Seite 127 in „Miscellaneous Writings“: „Wenn ein hungriges Herz den göttlichen Vater-Mutter Gott um Brot bittet, so wird ihm kein Stein zuteil — sondern mehr Gnade, Gehorsam und Liebe. Wenn dieses Herz demütig und vertrauensvoll die göttliche Liebe aufrichtig bittet, es mit dem Himmelsbrot, mit Gesundhiet und Heiligkeit zu speisen, so wird es auch zu der Tauglichkeit gestaltet, diese ersehnte Antwort aufnehmen zu können; dann wird der ‚Strom Seiner Wonne‘, der Zufluß der göttlichen Liebe, in dieses Herz einströmen, und großes Wachstum in der Christlichen Wissenschaft wird folgen — ja, jene Freude, die das eigene Gute in dem des anderen findet.“ Ist dies nicht eine Anleitung, jede nur erdenkliche Lage in Kirchenangelegenheiten zu meistern? Jeder einzelne ist nur für seine eigene Haltung und Handlungsweise verantwortlich, denn Erlösung ist individuell.
Der aufrichtige Christliche Wissenschafter geht an die ihm übertragene Arbeit mit dem tiefen, ernsten Wunsch heran, den Willen Gottes in allen Tätigkeiten seines Amtes oder seines Ausschusses ausgedrückt zu sehen. Er betet demütig und beständig darum, recht geleitet zu werden und so zu beweisen, daß Gott allein regiert. Dies schließt die Notwendigkeit ein, auch seine Mitarbeiter an ihrem rechten Platz und in ihrer rechten Beziehung zu sehen und zu wissen, daß auch sie in Wirklichkeit Gottes Kinder sind, die die göttliche Intelligenz des Gemüts widerspiegeln und gleichfalls vom Gemüt beherrscht und beschützt werden. Von ganzem Herzen beten wir um die Lauterkeit und den Ernst, die, wenn von Gott geleitet, jedes Problem im Kern erfassen und uns Gottes unfehlbare Lösung finden lassen. Wer so vorgeht, dem wird es nicht schwer fallen, des Apostels Paulus Ermahnung im 12. Kapitel des Römerbriefes zu befolgen, und die „brüderliche Liebe untereinander“ wird „herzlich“ sein und „einer“ wird „dem andern mit Ehrerbietung zuvorkommen.“
Jemand könnte hier die Frage stellen: „Wie kann das Verständnis vom wahren Wesen der Kirche die Probleme der menschlichen Einrichtung lösen?“ Das Wahrnehmen und Festhalten an der geistigen Wirklichkeit in Beziehung zu den sich entfaltenden Schritten in der Kirchentätigkeit hat genau dieselbe heilende und erlösende Wirkung wie die Vergegenwärtigung der Wahrheit über Gott und den Menschen mit Bezug auf die Heilung von Krankheit und Sünde hat. Den Blick auf den wahren geistigen Begriff von Kirche gerichtet halten, bringt die Kirche in ihrer Ganzheit, Harmonie, Vollkommenheit und Ordnung, in ihrer Schönheit und Herrlichkeit hier und jetzt in die individuelle Erfahrung. Gerade so wie körperliche und moralische Übel in Nichts verschwinden, wenn wir einen klaren Begriff von der Wahrheit bekommen, genau so verschwinden die Kirchenprobleme, wenn wir einen wahren Begriff von Kirche haben und ihn festhalten.
Es ist somit unsere Aufgabe, die Kirchentätigkeiten in ihrer wahren Perspektive zu sehen — vollkommen, uneingeschränkt, ohne Hast und von keinerlei Irrtum angetastet. Dies muß für jede Betätigung im „Bau der Wahrheit und Liebe“ gelten. Der Baumeister und Schöpfer dieses Baues ist Gott, das Gemüt. Kirche ist geistig mental; sie stimmt überein mit dem Reich Gottes, das in uns ist, und sie wird daher von all und jeder Idee Gottes verstanden. Sie ist universal.
Ist die besondere Kirchentätigkeit vielleicht gerade das Errichten eines Gebäudes? Die wahre Kirche ist bereits vollkommen und vollständig im Bewußtsein vorhanden. Unser mentaler und geistiger Fortschritt bestimmt ihre äußere, materielle Darstellung. Die Erkenntnis, daß der „Bau der Wahrheit und Liebe“, das Haus Gottes, das geistige Heiligtum, immer gegenwärtig ist, muß in unserem Bewußtsein lebendig gehalten und stets in unsere Kirchenbausitzungen hineingetragen werden. In der absoluten Wahrheit ist dieses Verständnis ebenso untrennbar vom Menschen wie Gott selbst, da der Mensch Gott widerspiegelt. Man wird beobachten können, daß die Kirche in dem Maße sichtbar wird, wie die einzelnen Mitglieder am wahren Begriff von Kirche festhalten.
Kirchenbau ist jedoch nicht auf den Denkvorgang beschränkt, dessen Ergebnis für die menschlichen Sinne die Errichtung eines materiellen Kirchengebäudes ist. All die verschiedenen Tätigkeiten der Kirche sind in der Entfaltung, die man als Kirchenbau bezeichnet, eingeschlossen. Ein Lesezimmer zum Beispiel mag in bescheidenem Rahmen beginnen. Es bietet den Mitgliedern Gelegenheit, ihre Liebe zu Gott und der Menschheit zum Ausdruck zu bringen; in dem Verhältnis, wie die Mitglieder die gebotenen Gelegenheiten nützen und diese Kirchentätigkeit aus vollem Herzen unterstützen — in dem Verhältnis wird das Wachstum eines Lesezimmers stark, gleichmäßig und andauernd sein.
Das Verständnis von Kirche befähigt uns, den falschen Anspruch auf menschliche Persönlichkeit in uns selbst und anderen Mitgliedern zu durchschauen und uns den wahren Begriff vom Menschen als göttliche Widerspiegelung zu erhalten, von dem einzigen Menschen, der sich im „Bau der Wahrheit und Liebe“ befindet. Wenn die Mitglieder die richtige Idee von Kirche haben, so haben sie auch die richtige Idee von Einheit; Spaltung und Disharmonie werden dann als unwirklich bewiesen.
Die Früchte geistigen Verständnisses führen rasch zu richtigen Entscheidungen in jeder Tätigkeit und zur bereitwilligen Anerkennung der Richtigkeit des getroffenen Entschlusses. In der Kirche sollte die Lösung eines Problems nicht von einem Mitglied erwartet werden. Vielmehr sollte klar erkannt werden, daß jede richtige Lösung im Gemüt vorhanden und allen zugänglich ist. Alle Mitglieder können sie zum Ausdruck bringen, denn alle spiegeln in ihrem wirklichen Sein die Allmacht und die unendliche Intelligenz des großen Ich bin wider.
Paulus schrieb an die Korinther, daß seine Beziehungen zu ihnen und zu der Welt „in Einfalt und göttlicher Lauterkeit, nicht in fleischlicher Weisheit“ (2. Kor. 1:12) bestanden. Könnte irgend etwas einem Christlichen Wissenschafter besser die fruchtbringende Inangriffnahme einer ihm zugeteilten Arbeit in der christlich-wissenschaftlichen Zweigkirche, in der er Mitglied ist, beschreiben? Durch ein einfaches, ehrliches und hingebendes Festhalten an den grundlegenden Wahrheiten der Christlichen Wissenschaft, daß es nur einen Gott gibt und daß der Mensch ewig Sein vollkommener Ausdruck ist, ist jeder von uns imstande, hier und immer seinen rechten Platz in der christlich-wissenschaftlichen Bewegung auszufüllen; von ihm wird die erforderliche Anziehung — das Heilen — ausgehen, das die Menschen zu der Christlichen Wissenschaft hinzieht.
Im Kirchenhandbuch Der Mutterkirche von Mrs. Eddy lesen wir (S. 17): „In einer Versammlung der Christian Scientist Association [Verein Christlicher Wissenschafter] am 12. April 1879, wurde auf Antrag von Mrs. Eddy beschlossen, eine Kirche zu gründen, die den Zweck haben sollte, die Worte und Werke unsres Meisters in Erinnerung zu bringen und dadurch das ursprüngliche Christentum und sein verlorengegangenes Element des Heilens wiedereinzuführen.“ Wir gehören zu der Universellen Kirche und haben ohne Zagen der alten und doch ewig neuen Forderung zu folgen, die Jesus an uns stellte (Matth. 5:16): „Also lasset euer Licht leuchten vor den Leuten, daß sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“
