Göttliches Prinzip ist ein Ausdruck von höchster Wichtigkeit in der Christlichen Wissenschaft. Der Anhänger dieser Wissenschaft lernt verstehen, daß Prinzip — ewiges Leben oder Seele — notwendig ist in seiner gegenwärtigen Erfahrung, und daß Gehorsam gegenüber dem Prinzip greifbare Segnungen bringt. In einem Wörterbuch wird „Prinzip“ erklärt als „eine Quelle oder Ursache, von der etwas ausgeht; eine Kraft, die beständig und gleichmäßig wirkt; eine bleibende oder fundamentale Ursache, die natürlich oder notwendigerweise gewisse Resultate hervorbringt.“
In der menschlichen Erfahrung wird etwas, das als beständig und zuverlässig anzusehen ist, von einer festen Regel unterstützt. Das Prinzip der Mathematik wird beständig und mit Gewißheit angewandt, um genaue Ergebnisse in der Geldwirtschaft, in der Physik, in der Architektur und in fast allen Phasen des menschlichen Lebens zu erlangen. Wenn der Architekt und der Baumeister nicht dieses genaue, unwiderlegliche und unfehlbare Prinzip bei ihrer Arbeit anwenden könnten, so wäre es unmöglich, sichere und richtige Resultate von ihren Plänen zu erwarten. Ein Tunnel kann gleichzeitig auf beiden gegenüberliegenden Seiten eines Flusses angefangen werden. Die Arbeit wird langsam fortschreiten; jede Seite wird unabhängig von der andern gebaut werden, und trotzdem werden sich die zwei Seiten in der Mitte genau treffen. Die Sicherheit der fundamentalen Regeln der Mathematik, der Physik und der Architektur, wird dies möglich machen, wenn die Regeln richtig angewandt werden.
Die Menschen haben gelernt, sich auf hochentwickelte menschliche Prinzipien zu verlassen als zuverlässige Kraft, um ihr Leben, ihre Tätigkeit und ihre Umgebung damit zu beherrschen und zu erhalten. Die Erziehung in bezug auf ihre Natur und die Benutzung ihrer Kraft hat im menschlichen Denken die Notwendigkeit fester Regeln und einer Befolgung derselben als einen wesentlichen Teil des irdischen Daseins befestigt. Wenn wir dazu gekommen sind, uns so absolut auf menschliche Prinzipien zu verlassen, um zivilisiertes Leben wirksam zu fördern, wieviel mehr sollten wir uns an das göttlich Prinzip halten, das Geist ist und absolut, erhaben und unendlich in Wesen, Herrschaft, Gesetz und Regierung. Die menschlichen Prinzipien, die wir so allgemein anwenden, deuten auf das göttliche Prinzip hin, das unwandelbar und unfehlbar ist in seiner Regierung des Menschen und des Weltalls. Obwohl diese Prinzipien in verschiedenen Arbeitsfeldern angewandt werden, stimmen sie in ihren wesentlichen Grundlagen der Gewißheit, der Genauigkeit und der Unwandelbarkeit überein. Der Grund dafür, daß sie eine Richtschnur der Genauigkeit darstellen, beruht darin, daß sie gewisse Eigenschaften des einen unendlichen Prinzips offenbaren.
Mary Baker Eddy schreibt in ihrem Werk „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“ (Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, S. 226): „Was in der allgemeinen Sprache das Prinzip der harmonischen Schwingungen, das Prinzip der Bewahrung der Nummer in der Geometrie, das Prinzip der schiefen Ebene in der Mechanik, usw, genannt wird, sind alles nur Wirkungen einer einzigen universellen Ursache — nämlich Gottes — Ausflüsse des einen göttlichen, intelligenten Prinzips, das die Erde in ihrem Kreislauf erhält, durch die von ihm ausströmende geistige Kraft, die die Wogen und Winde beherrscht, den Fall des Sperlings bemerkt, ja die alles regiert, vom unendlich Kleinen an bis zum unendlich Großen.“
Was ist das Wesen dieses Prinzips, das das Weltall beherrscht und gleichzeitig intelligent und liebend den Fall des Sperlings bemerkt? Auf Seite 1 ihres Werkes „Anfangsgründe der Göttlichen Wissenschaft“ schreibt Mrs. Eddy in Beantwortung der Frage „Was ist das Prinzip der Christlichen Wissenschaft?“: „Es ist Gott, das Allerhabene Wesen, das unendliche und unsterbliche Gemüt, die Seele des Menschen und des Weltalls. Es ist unser Vater, der im Himmel ist. Es ist Wesenheit, Geist, Leben, Wahrheit und Liebe, — diese sind das göttliche Prinzip.“ Es ist bedeutsam, daß Mrs. Eddy bei dieser Definition die übrigen sechs der sieben Synonyme für Gott gebraucht, um den vollen Begriff von Prinzip auszuarbeiten. Wenn wir über das Prinzip nachdenken, so denken wir notwendigerweise über Gott nach; und wenn wir über Gott nachdenken, so müssen wir dabei alle Synonyme einschließen, die Sein Wesen und Seinen Charakter ausdrücken.
Jemand mag die folgenden Fragen aufwerfen: „Warum ist es notwendig, andere Ausdrücke für Gott zu gebrauchen außer dem Namen Gott allein? Bedeutet der Ausdruck Gott nicht Alles?“ Ja, Gott bedeutet Alles und ist Alles-in-allem. Doch ohne die Offenbarung Mrs. Eddys würde es dem menschlichen Bewußtsein viel schwerer werden, das volle Wesen und die Unendlichkeit Gottes zu erfassen, als es jetzt der Fall ist, mit Hilfe der andern Ausdrücke oder Synonyme, die die Größe und Allheit der Gottheit erläutern.
Mrs. Eddy schreibt auf Seite 20 ihres Werkes „Nein und Ja“: „Wenn der Ausdruck göttliches Prinzip gebraucht wird, um die Gottheit zu bezeichnen, erscheint er wohl so lange fern und kalt, bis er besser verstanden wird. Dieses Prinzip ist Gemüt, Wesenheit, Leben, Wahrheit, Liebe. Hat man das Prinzip verstanden, so sieht man ein, daß Prinzip der einzige Ausdruck ist, durch den die Ideen Gottes — ein Gemüt, ein vollkommener Mensch und die göttliche Wissenschaft — vollständig übermittelt werden.“
Alles was wirklich ist, wird von dem Prinzip erschaffen, erhalten und gefördert. Im Reiche Gottes gibt es nur ununterbrochene Harmonie, denn das Prinzip oder die Liebe bringt Harmonie hervor und erhält sie. Die Disharmonien des körperlichen Sinnes offenbaren, daß die Materie nicht vom Prinzip erhalten wird, denn was von der Liebe regiert wird, verliert niemals die Harmonie.
Körperliche Disharmonie, falsche Charakterzüge, wie etwa Jähzorn, Selbstgefälligkeit, Herrschsucht und Eigensinn, sollten Warnsignale für uns sein, die ansagen, daß wir vom Prinzip abgewichen sind. Um harmonisch zu sein, müssen wir mit dem göttlichen Prinzip im Einklang stehen in liebendem und demütigem Gehorsam. Wenn wir die Harmonie lieben, so werden wir mehr Harmonie in unserm menschlichen Leben demonstrieren und danach streben, durch größere Vergeistigung zu demonstrieren, daß das göttliche Prinzip das Leben ist. Harmonie ist der natürliche Zustand des Menschen, denn sie stimmt mit der Geistigkeit überein; Disharmonie ist unnatürlich, denn sie ist gleichbedeutend mit dem Irrtum und erzeugt die Wirkungen des Irrtums. Gesundheit ist ein Zustand der Harmonie und ist normal; Krankheit ist ein Zustand der Disharmonie und ist unnatürlich.
Um dies beweisen zu können, müssen wir den Mesmerismus brechen, der uns davon überzeugen möchte, daß der Mensch von Gott getrennt sei. Geistiges Wachstum ist unausbleiblich, wenn wir den Bann dieser falschen Annahme brechen, daß der Mensch vom göttlichen Gemüt geschieden sei, und die Herrschaft, die das Prinzip über den Menschen ausübt und ihn in der Glückseligkeit der unendlichen Harmonie erhält, verstehen lernen. Das göttliche Prinzip offenbart sich nicht durch den sterblichen Sinn, sondern durch den geistigen Sinn, durch einen Bewußtseinszustand, der von der Wahrheit erleuchtet und von der Liebe inspiriert ist. Das göttliche Prinzip des Menschen spricht und wird gehört; und der unsterbliche Sinn gehorcht, und er erfreut sich der Gesundheit und der Harmonie. Es ist beweisbar, daß kein Irrtum den wirklichen Menschen angreifen kann, denn das Prinzip erschafft und regiert ihn; keine Krankheit kann in den Umkreis seines Seins eindringen; keine Trägheit kann seine geistige Kraft schwächen.
Wenn Jesus bei seinem Heilungswerk die Kranken augenblicklich heilte — bewies er damit nicht die zwingende, absolute und heilende Kraft des Prinzips? Ja, er demonstrierte, daß das göttliche Prinzip dem Menschen, der Offenbarwerdung der Seele oder des Gemüts, zugrunde liegt und ihn regiert. Jesus wirkte wunderbare Heilungen, doch — was mehr war — er bewies, daß die Liebe ihn unter allen Umständen regierte. Wenn wir nicht Jesu individuelle Demonstration des göttlichen Prinzips in seinem eigenen Leben hätten, dann würden seine Heilungen anderer nicht ausreichend gewesen sein, das Wesen der Macht Gottes in ihren unendlicheren Bedeutungen zu erklären. Unser Meister war das Vorbild für unsere Erlösung.
Unsere Aufgabe als Christliche Wissenschafter besteht nicht nur darin, andere zu heilen, sondern wie Jesus das göttliche Prinzip des Seins des Menschen in individueller Demonstration auszuarbeiten. Es ist klar, daß der Wissenschafter in dem Maße, wie er die individuelle Demonstration des Prinzips in seinem eigenen Leben klarer und bestimmter ausarbeitet, auch besser befähigt sein wird, andere zu heilen, die Beistand von ihm erwarten. Es ist von großer Wichtigkeit, daß Christliche Wissenschafter oft und tief in ihr eigenes Bewußtsein schauen, um das Ausmaß ihres Gehorsams, die Kraft ihrer Treue, die Beständigkeit ihrer Anwendung des göttlichen Prinzips in ihrem eigenen Leben festzustellen. Wenn das Prinzip verstanden wird, so erhebt, erweitert und stärkt es unser Bewußtsein. Es stattet das individuelle Bewußtsein mit Fähigkeit und Intelligenz aus, die geistigen Gesetze des Seins zu demonstrieren. Es verleiht dem Menschen, der sich bemüht, es widerzuspiegeln, Zielbewußtsein, Führung, Leistungsfähigkeit und Heilung.
In der Tat bedarf es größerer Hingabe, das Prinzip der Christlichen Wissenschaft zu verstehen und zu beweisen als akademische Gegenstände zu lernen, doch der Lohn ist unvergleichlich größer. Das göttliche Prinzip erfordert, daß wir seine Regeln mit rückhaltlosem Gehorsam befolgen, um unfehlbaren Erfolg bei der Heilung zu erzielen. Ohne ein unendliches Prinzip, von dem wir uns leiten lassen, würde das menschliche Leben keinen Zweck, keine wirkliche Hoffnung, keine Erlösung haben. Es ist unbedingt notwendig, daß wir Gott von nahem kennen und verstehen lernen, daß wir mit dem Prinzip zusammenleben, es befragen und ihm gehorchen.
Der wahre Wissenschafter wird immer Fortschritt machen, wenn er sich streng an das Prinzip hält, anstatt die menschlichen Irrwege zu verfolgen, die nur in einer Sackgasse enden. Alles was wir auf einer geistigen Grundlage erreichen, ist dauerndes Gut, das uns verbleibt, um unser weiteres Streben zu unterstützen und zu fördern. Aber wieviele von uns sind dem Prinzip so getreu, wie wir es sein könnten? Könnten wir uns nicht etwas mehr anstrengen, es in unserm Leben zu betätigen? Das göttliche Prinzip verlangt Betätigung und Beweis; und ohne Betätigung und Beweis gibt es keine Demonstration.
Unsere Betätigung des göttlichen Prinzips kann nur unseren menschlichen Angelegenheiten unausbleiblichen Segen bringen, durch größere Ordnung, Pünktlichkeit, Reinlichkeit, Nettigkeit und systematisches, wissenschaftliches Denken. Gott bringt Gesetz, Ordnung und Harmonie zum Ausdruck, und diese müssen durch unsere Demonstration des Prinzips in unserm Leben eine Stätte finden. Wir betrügen uns selbst, wenn wir denken, daß wir in unserm Gehorsam dem Prinzip gegenüber nachlassen können und gleichzeitig Erfolg haben in unsern menschlichen Angelegenheiten. Wenn Gehorsam dem Prinzip gegenüber die Einzelheiten unseres Denkens und Lebens beherrscht, so wird Ordnung, Intelligenz und Erfolg unsere aufwärtsstrebenden Schritte begleiten.
Wir können auch dessen sicher sein: — daß treues Festhalten am Prinzip uns auf dem geraden Wege richtiger Belehrung über die Christliche Wissenschaft bewahren wird. Es ist höchst wichtig, daß wir nur autorisierte christlich-wissenschaftliche Literatur studieren. Alle nicht-autorisierte Literatur läuft Gefahr, verfälscht und unrichtig zu sein, und die Teile, die vielleicht richtig sind, machen es nicht der Mühe wert, daß wir die unrichtigen in uns aufnehmen. Der treue Anhänger der Christlichen Wissenschaft wird sich nicht in irriger Weise beeinflussen lassen oder auf Abwege geraten, die ihn von der richtigen Ausübung der Christlichen Wissenschaft ablenken. Was wir lesen mag die Färbung unseres Denkens auf einige Zeit beeinflussen, und wir sollten daher sorgfältig in Betracht ziehen, ob dieser Einfluß zum Guten oder Schlechten sein wird. Eine betrügerische falsche Behauptung metaphysischer Art mag einen Leser zuerst fesseln, wenn er jedoch die Wahrheit wissen muß, um einen Fall zu heilen, so mag der Irrtum solch einer Behauptung seine sonst klare und wissenschaftliche Behandlung verdunkeln.
Eine Schülerin Mrs. Eddys, die über das Leben unserer Führerin im Christian Science Journal vom März 1910 schrieb, erwähnt diesen interessanten Vorfall: „Ein Schüler fragte Mrs. Eddy einmal während des Klassenunterrichts, was ihre Meinung von einem gewissen Buch sei. Sie wartete einen Augenblick, dann antwortete sie nachdenklich, daß wir prüfen müßten, welchen Einfluß Bücher und Menschen auf uns ausübten, und daß wir, da solch ein Einfluß nicht immer gleich in Erscheinung tritt, bei der Wahl von Büchern und Freunden sehr vorsichtig sein müßten.“
Wenn wir streng am Prinzip festhalten, wie Mrs. Eddy es uns gelehrt hat, so können wir nur eine Meinung in Beziehung auf die Christliche Wissenschaft haben. Verschiedene Meinungen über die Wissenschaft entspringen irgendeinem Abweichen vom Prinzip, das Disharmonie einführt und Ungehorsam in unsere Erfahrung bringt. Daher sollten wir beständig für Einigkeit des Gedankens und der Handlung arbeiten, wie sie dem Festhalten an der Wahrheit entspringt. Unser höchster Fortschritt hängt von unserm rückhaltlosen Gehorsam gegenüber dem Prinzip ab. Wenn der Wissenschafter glaubt, daß er rauchen, alkoholische Getränke irgendeiner Art zu sich nehmen, fluchen oder von der Ehrlichkeit abweichen kann, so wird sein geistiger Fortschritt gewiß darunter leiden, seine Auffassung von der Wahrheit wird getrübt und der Irrtum wird zu einer angenommenen Wirklichkeit werden, statt die Unwirklichkeit zu bleiben, die er tatsächlich ist. Dagegen wird der Christliche Wissenschafter, der getreulich die Bibel und die Schriften unserer Führerin studiert, der sich demütig bemüht, dem Prinzip zu gehorchen und rege sein gegenwärtiges Verständnis von der Wissenschaft demonstriert, sicher und stetig das unsterbliche Prinzip des Seins in seinem Leben entfalten. Er wird gern zur Kirche gehen, freudig bei den Ausschüssen mitarbeiten, die Lektionspredigten im Christlich-Wissenschaftlichen Vierteljahrsheft studieren, die autorisierten Veröffentlichungen lesen, um täglich Erfrischung und Inspiration darin zu finden, und so seinen Platz einnehmen als würdiger Arbeiter im Weinberg des Herrn.
Wir schauen auf Christus Jesus als die höchste sichtbare Veranschaulichung der Anwendbarkeit dieses Verständnisses des göttlichen Prinzips zur Umwandlung des menschlichen Lebens. Jesus offenbarte die höchste Form des Menschentums durch sein geistiges Verständnis vom Prinzip des menschlichen Lebens. Er sagte (Joh. 12:32): „Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen.“ Eine Erhöhung, eine Vergeistigung des Denkens, ein Verstehen des Prinzips, war notwendig, ehe die Eigenschaften der Seele dem menschlichen Verständnis Erlösung bringen konnten. Jesus wich niemals von seinem Prinzip ab; dadurch machte er ständig Fortschritte im Überwinden der Sterblichkeit und im Demonstrieren seiner vollkommenen geistigen Selbstheit.
Seine Demonstration verbleibt für uns als ein Vorbild, dem wir nacheifern sollten. Das göttliche Prinzip, das Jesus demonstrierte, ist das gleiche Prinzip, das heutzutage durch die Christliche Wissenschaft die Vollkommenheit des Menschen als Idee Gottes offenbart. Das Prinzip kann für uns die gleiche greifbare Wirklichkeit und Macht sein, deren Gesetz uns befähigt, die Kranken durch Gottes unwandelbare Offenbarung der Harmonie zu heilen, wie für den Meister vor Hunderten von Jahren. Das Prinzip ist stets ein und dasselbe in alle Ewigkeit; es ist Alles-in-allem in der Unendlichkeit; es ist Gott, unser Vater-Mutter Gott, hier und jetzt.
