Es ist ein tiefes Sehnen nach Vollständigkeit in der Menschenseele. Manche Menschen glauben, gute Gesundheit bringe sie. Andere suchen die Antwort in Sicherheit, in Freundschaft und Frieden des Herzens. Die Christliche Wissenschaft zeigt, daß Vollständigkeit eine Wirklichkeit ist, die, als Gottes Widerspiegelung, jetzt demonstriert werden kann durch das wissenschaftliche Verstehen von der ewigen Einheit des Menschen mit allem Guten.
Wenige würden Gott die Vollständigkeit absprechen. Diejenigen, die Ihn anerkennen, sehen in Ihm das höchste, unendlich gute Wesen, dem es an nichts mangelt. Wie können wir dann an der Vollständigkeit des Menschen zweifeln, von dem die Heilige Schrift erklärt, daß er „zum Bilde Gottes“ geschaffen wurde (1. Mose 1:27)? Versichert uns nicht die Selbstvollendung Gottes der Selbstvollendung des Menschen als Gottes Ausdruck? Ja, es ist eine unumgängliche Tatsache, daß der Mensch, als Gottes Gleichnis, vollkommen ist, unversehrt, vollständig, nichts ermangelnd.
Die Christliche Wissenschaft macht die bereits bestehende geistige Identität des Menschen als Gottes Gleichnis verständlich und beweisbar, indem sie Gott als Gemüt und den Menschen als die Idee oder das Ebenbild des Gemüts offenbart. Mit Bezug auf Gottes Schöpfung sagt Mary Baker Eddy (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 502, 503): „Diese Schöpfung besteht in der Entfaltung geistiger Ideen und deren Identitäten, die von dem unendlichen Gemüt umfaßt und immerdar widergespiegelt werden.“ Und sie fügt hinzu: „Diese Ideen erstrecken sich vom unendlich Kleinen bis zur Unendlichkeit, und die höchsten Ideen sind die Söhne und Töchter Gottes.“
Ein erweiterter Horizont, größere Nützlichkeit und herrliche Freiheit werden dem Menschen in dem Maße zuteil, wie er aufhört, das Gute von der Materie, von Personen oder von Umständen zu erwarten, und statt dessen sein gegenwärtiges Einssein mit allem Guten dadurch anerkennt, daß er selbst, als die Idee des Gemüts, das Gute verkörpert. Gemüt sollte als Geist erkannt werden, der seiner Idee, dem Menschen, seine eigene unveränderliche, alterlose, unvergängliche Natur verleiht. Das Verständnis dieser Wahrheit mag sich in Beständigkeit des menschlichen Denkens bekunden, in Begeisterung für das Gute, in Sündlosigkeit —, einem Bewußtsein, das weder Unbeständigkeit, Unzulänglichkeit noch Verfall zuläßt. Gemüt kann auch als Liebe erkannt werden, die bewirkt, daß der Mensch Herzensgüte, Freundlichkeit und Lieblichkeit ausdrückt. Das menschliche Bewußtsein, das solche Eigenschaften zum Ausdruck bringt, wird inspiriert zum Wohltun, zu selbstloser Hingabe und Reinheit, die ihren natürlichen Ausdruck in Liebe, Freundschaft und Heim finden. Gemüt, das Prinzip ist, bringt im Menschen Weisheit und geistige Kraft zum Ausdruck. Kann die menschliche Offenbarwerdung solcher Gaben geringer sein als gerechte Beurteilung, richtige Entschlüsse und Vertrauenswürdigkeit, die unausbleiblich Erfolg bringen?
In „Wissenschaft und Gesundheit“ finden wir folgende Erklärung (S. 68): „Die Christliche Wissenschaft stellt Entfaltung, nicht Zuwachs dar“. Hierin ist der Schlüssel zur wissenschaftlichen Demonstration der Vollständigkeit zu finden, die, vom Standpunkt der Christlichen Wissenschaft aus gesehen, auf der Widerspiegelung Gottes beruht, anstatt auf der Erwerbung materieller Dinge. Die Logik sagt uns, daß die Funktion der Idee des Gemüts in der Entfaltung des Gemüts besteht, daß aber die Idee nichts außerhalb des Gemüts, das sie formt, erlangen kann. Bemühungen, dauernde Güte und Vortrefflichkeit außerhalb Gottes, des unendlichen Guten, zu finden, sind vergeblich. Vollkommene Demonstration kann nur erlangt werden, wenn wir das Gemüt, in dem alles Gute enthalten ist, anerkennen und widerspiegeln.
Eine Christliche Wissenschafterin fand sich plötzlich vor die Notwendigkeit gestellt, eine Stellung anzunehmen, um für ihre täglichen Bedürfnisse aufkommen zu können. Es war gerade nach der sogenannten Wirtschaftskrise, und trotz eifrigen Bemühens konnte keine Stellung gefunden werden. Schließlich kam ihr eines Tages ein Ausschnitt aus einem alten Christian Science Sentinel über dieses Thema in die Hände, der sie zu der Erkenntnis brachte, daß der Platz oder die Arbeit des Menschen nicht außerhalb seiner selbst ist, daß sie vielmehr sein eigenes Sein darstellt — seine individuelle Widerspiegelung Gottes. Die Christliche Wissenschafterin sah sofort ein, daß sie, als klar erkennbare Idee des Gemüts, ihren Platz in Gottes großem Plan des Selbstausdrucks schon jetzt ausfüllte. Am nächsten Tage hörte sie von drei Stellungen. Es erwies sich, daß die von ihr angenommene die Möglichkeit bot, all ihre besonderen Fähigkeiten anzuwenden, und daß sie ihr außerdem neue Interessen, Ausbildung und Umgang mit andern brachte.
Obgleich die Demonstration durch das klare Erkennen vollendet wurde, daß die Versorgung des Menschen die Widerspiegelung Gottes ist, so waren gewisse gottähnliche Eigenschaften doch schon vor diesem Zeitpunkt von der Wissenschafterin gewissenhaft ausgedrückt worden. Sie hatte in einer menschlichen Beziehung selbstlose, hingebungsvolle Liebe gegeben, hatte ein Gefühl des Verlustes und des Kummers überwunden, hatte sorgfältig ihre geschäftliche Ausbildung aufgefrischt und jeden menschlichen Schritt getan, um eine Stellung zu finden. Reinheit, Weisheit und Verständnis, Eigenschaften des Gemüts, waren ausgedrückt worden; es brauchte nur erkannt zu werden, daß die Funktion des Menschen „Entfaltung, nicht Zuwachs“ ist.
Der Wissenschafter lernt, daß in dem Maße, wie seine Erkenntnis und die Demonstration seiner geistigen Identität als eine Idee des schöpferischen Gemüts beständiger werden, er seine Freiheit von jeder Art Begrenzung erlangen und Beweise seines volleren Verständnisses vom Guten in reineren Begriffen der Freude, des Schutzes und der Vollkommenheit sehen wird. Die geistige Wirklichkeit, auf die das Vollkommenere in der menschlichen Erfahrung nur hinweist, existiert im Gemüt und muß dort gefunden werden.
Durch die Trennung persönlicher Beziehungen wird gelegentlich unsere wissenschaftliche Demonstration angefochten. An die Stelle von Kummer, Furcht und menschliches Sehnen treten Trost, Mut und Zufriedenheit, wenn der Leidende die große Wahrheit erkennt, daß jede Idee Gottes — in ihrer eigenen, besonderen Mannigfaltigkeit des Ausdrucks — alle Eigenschaften und Elemente des einen Gottes durch Widerspiegelung besitzt. So wenig wie ein Sonnenstrahl für seine Herrlichkeit und Pracht abhängig von einem anderen Strahl ist, so wenig ist ein Mensch vom andern abhängig. Der individuelle Mensch findet sein All in seinem Gott.
Viele Mißverständnisse und viel Empfindlichkeit ebenso wie Neid und Eifersucht entstammen dem Annehmen gewisser Minderwertigkeitsgefühle — dem Glauben an etwas Geringeres als das unendliche Gute. Solche Disharmonien können nicht in der Gegenwart des demonstrierten Begriffs von der wahren Natur und dem wahren Sein des Menschen bestehen, der schon jetzt rein und vollständig gut ist. „Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder,“ lesen wir im ersten Brief des Johannes (3:2).
Der von Gott erschaffene Mensch ist unbeschränkt und unberührt von der Körperlichkeit. Gute Gesundheit, unbegrenzte Intelligenz und Erfolg die Fülle sind sein. Größe, Herrlichkeit, Majestät gehören ihm an als dem ewigen Ausdruck des allmächtigen Gottes.
Anstatt in der Vergangenheit zu leben oder voll Sehnsucht die Verwirklichung gehegter Hoffnungen von der Zukunft zu erwarten, laßt uns jetzt in diesem Augenblick unser wahres Selbst in Christus finden — dem wahren Menschen der Widerspiegelung Gottes — wie Paulus sagte (Kol. 2:9, 10): „Denn in ihm [in Christo] wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, und ihr seid vollkommen in ihm, welcher ist das Haupt aller Fürstentümer und Obrigkeiten.“
    