Es gibt keine Wüsten im göttlichen Gemüt! Eine öde Wildnis, wo nichts gedeiht und Früchte trägt, kann nicht dem unendlichen Gemüt entspringen, das sich liebevoll und ununterbrochen in der unendlichen Offenbarung alles Guten ausdrückt.
Es ist beachtenswert, daß Christus Jesus, der für alle Zeiten bewies, daß es im unendlichen Gemüt keine Wüsten gibt, diese Wahrheit zuerst in seiner eigenen Erfahrung demonstrieren mußte, und zwar an einer Stätte, die vom sogenannten sterblichen Gemüt als eine Wüste oder Einöde bezeichnet wurde. Nachdem er von Johannes dem Täufer getauft worden war und gehört hatte, wie „eine Stimme vom Himmel herab sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe“ (Matth. 3:17), „ward Jesus vom Geist in die Wüste geführt, auf daß er von dem Teufel versucht würde.“ Der Bericht lautet: „Da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, daß diese Steine Brot werden. Und er antwortete und sprach: Es steht geschrieben: ‚Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes geht.‘“
Jesu augenblickliche Zurückweisung der Versuchung, an Leere statt an Fülle zu glauben, und seine Erkenntnis, daß das unendliche Gemüt immer gegenwärtig und daher immer erreichbar ist, widerstand siegreich jener heimtückischen Suggestion, daß es eine Wüste oder Einöde im Reich der Liebe geben könnte, eine Stätte, wo Gott Seine Idee verlassen hat. War es wohl dieses Verständnis, was Jesus später befähigte, den Hunger einer Menge von über Viertausend zu stillen? Wieder fand die Demonstration in einer Wüste statt und widerlegte von neuem den Anspruch des sterblichen Gemüts, daß Leere eine Wirklichkeit sei.
Für einen Christlichen Wissenschafter kann eine erste Fahrt im Flugzeug wunderbare Lektionen bedeuten. Wenn ich an meinen ersten Flug zurückdenke, kann ich mich noch gut daran erinnern, wie die herrliche Erkenntnis von der unendlichen, bleibenden Substanz mir nie klarer geworden war als während dieser Fahrt, wo die ermutigende Gewißheit mein Bewußtsein durchflutete, daß „Zuflucht ist ... unter den ewigen Armen“ (5. Mose 33:27), der erhaltenden Stütze des Geistes. Ja, ich erschaute etwas von der Bedeutung jener Worte Mary Baker Eddys in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 520): „Die Tiefe, Breite, Höhe, Macht, Majestät und Herrlichkeit der unendlichen Liebe erfüllen allen Raum.“
Nein, Gott hat seine geliebte Idee nie verlassen! Gerade da, wo den körperlichen Sinnen gemäß Leere zu sein scheint, da ist die Fülle der unendlichen Offenbarwerdung. Die Annahme von Leere, — leeren Leben, leeren Schatzkästen, leeren Herzen — kommt nicht daher, daß Gott uns verlassen hat, sondern vielmehr daher, daß wir Ihn als den Allgegenwärtigen und immer Erreichbaren aus den Augen verloren haben. Doch wir können hier und jetzt die Annahme des sterblichen Gemüts von Leere aufgeben oder verlassen, zusammen mit seinen Befürchtungen, seinem Kummer und seinem Leiden, und wir können Anspruch erheben auf die Gegenwart und Fülle Gottes, des Guten, angesichts des falschen Augenscheins von Mangel — ebenso wie unser Meister es zu tun pflegte. Dann wird es uns vergönnt sein, die Wüste knospen und blühen zu sehen, gleich der Rose — zu erleben, wie Dürre von der Fruchtbarkeit verdrängt wird.
Ein Neuling in der Christlichen Wissenschaft hatte über ein Jahr lang mit Gefühlen tiefster Trostlosigkeit und Verzweiflung gerungen, ehe ein Freund ihn zu einem Ausüber der Christlichen Wissenschaft führte. Er sagte dem Ausüber, daß er nicht nur seine Frau, seine Gehilfin so vieler Jahre, verloren hätte, sondern daß er auch mit Problemen der Altersschwäche und des Mangels ringen müßte. Da seine Sinnesart demütig und kindlich war, wurde es dem Ausüber nicht schwer, ihm klarzumachen, wie er die Annahme der Leere oder der Abwesenheit des Guten aufgeben und die Idee von der Immergegenwärtigkeit Gottes erfassen könnte. Er begann zu verstehen, daß das Leben, da es immer in Gottes Vollkommenheit eingeschlossen ist, niemals über den Bereich der Allgegenwart hinausirren und so verloren gehen oder sterben kann. Demonstrationen von Heim, Versorgung und Freundschaft zeigten sich bald in seiner Erfahrung, in dem Maße wie er die grausame Suggestion des sterblichen Gemüts aufgab, daß Gott Seine Idee verlassen hätte, und festhielt an der unendlichen Immergegenwärtigkeit der göttlichen Liebe.
Wieviel Dank schulden wir unserer glaubensstarken, erleuchteten Führerin, die uns wie eine treue Hirtin aus der Einöde herausgeführt und in das Reich des unendlichen Lebens und Gemüts geleitet hat. In der „wissenschaftlichen Erklärung des Seins“ auf Seite 468 ihres Lehrbuches „Wissenschaft und Gesundheit“ legt sie die Idee der Immergegenwärtigkeit in den folgenden Worten dar: „Alles ist unendliches Gemüt und seine unendliche Offenbarwerdung, denn Gott ist Alles-in-allem.“ Das Verstehen der Immergegenwärtigkeit der unendlichen Vollkommenheit bildet eine christlich-wissenschaftliche Behandlung. Zu wissen, daß Gott hier ist, bedeutet zu wissen, daß das Gute hier ist — und hier ist überall.
Der Christliche Wissenschafter schaut auf die Grundursache, auf das unendliche Gemüt, als den Urquell alles Guten. Er weiß, daß seine menschlichen Bedürfnisse nur Nebenprodukte seines Grundbedürfnisses sind, das darin besteht, Gottes Allheit zu erkennen. Und in dem Maße, wie er jenem Geheiß Christi Jesu gehorcht (Matth. 6:33): „Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen,“ findet er, daß harmonische Zustände in die Erscheinung treten und daß die Disharmonie verschwindet.
Wenn Irrtumszustände in unserm Leben von sündigen oder unreinen Vorstellungen herrühren, so wird die Erkenntnis von der Immergegenwärtigkeit des reinen Gemüts uns die Macht verleihen, sie zu überwinden; denn die Gegenwart Gottes bedeutet zugleich die Gegenwart Seiner Macht.
Da das Leiden ein Irrtum des materiellen Sinnes ist, der nur durch die reine Geistigkeit des Christus, der wahren Idee von Gott, zerstört werden kann, ist es klar, daß eine Erkenntnis von der Gegenwart des Christus auch das Leiden verscheucht. Verkümmerung und Meltau weichen den Blüten und Früchten des vom Christus regierten Bewußtseins.
Wenn wir manchmal versucht sind, an das zukünftige Gute statt an das immergegenwärtige Gute zu glauben, dann laßt uns nicht vergessen, daß es in der göttlichen Liebe eigentlich keine Zukunft gibt. „Gegenwärtige Erfüllung“ sollte unser Losungswort sein. Jede Idee Gottes ist gegenwärtig im unendlichen Gemüt, in dem wir „leben, weben und sind“ (Apg. 17:28). Das Gute ist nicht etwas, das auf uns zu kommt; das Gute ist gegenwärtig! Wenn das Gute irgendwoher kommen könnte, dann könnte es auch wieder fortgehen, und uns einsam und verlassen zurücklassen. Doch Jesus demonstrierte, daß das Gute gegenwärtig ist, weil Gott gegenwärtig ist. Wenn Jesus in irgendeiner andern als der palestinischen Einöde gewesen wäre, so hätte er die Volksmenge ebenso leicht speisen können, da die Idee der Versorgung ebenso unendlich ist wie Gott. „Alles ist unendliches Gemüt und seine unendliche Offenbarwerdung, denn Gott ist Alles-in-allem.“
Gottes Reich ist gekommen! Gott erfüllt Seine Verheißung des immergegenwärtigen Guten, und Er erfüllt sie jetzt. Die göttliche Ordnung ist gegenwärtige Erfüllung. Wie eins unserer Kirchenlieder es ausdrückt:
Die Fülle Gottes Segens
Ist unser Lebensbrot ;
Die Fülle der Verheißung
Krönt jedes Morgenrot.
Die Fülle Seines Lichtes
Erstrahlt in Herrlichkeit,
Und Seine Liebesfüll’ und Huld
Sich Tag für Tag erneut.
    