Der Ausdruck „Gebt ihm carte blanche!“ wird oft gebraucht, wenn man jemandem, den man liebt und dem man Vertrauen schenkt, die unbeschränkte Vollmacht verschaffen möchte, frei nach Wunsch zu handeln. Es bedeutet, daß derjenige, dem man solche Freiheit einräumt, nach seinem Gutachten organisieren, entscheiden und planen kann in der Gewißheit, daß keinerlei Einwendungen und Schwierigkeiten gemacht werden.
Diejenigen, die Gott über alles lieben, haben den Wunsch, Ihm unbeschränkte Vollmacht in ihrem Leben einzuräumen. Doch hierfür ist ein rechtes Verstehen des Höchsten Wesens notwendig; denn Unwissenheit und blinder Glaube können manchmal einen eifrigen Menschen verleiten, dem göttlichen Willen zuwider zu handeln in der Annahme, daß seine Gefühle und Handlungen Gottes Zustimmung haben.
Christi Jesu Sendung, der er sich in solch selbstloser und hingebender Weise widmete, bestand darin, durch sein Lehren und Heilen die Wahrheit über Gott und den Menschen im menschlichen Bewußtsein klarzulegen. Paulus erwähnt in seinem Brief an die Kolosser, daß in der Wahrheit „verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis“ (2:3). Dieser Reichtum des geistigen Verständnisses wandelte sein Leben in solchem Maße um, daß er mit Recht sagen konnte (Gal. 2:20): „Ich lebe aber; doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.“
Die Lehren der Christlichen Wissenschaft erklären, daß Gott der einzige ICH BIN ist, das einzige Leben und die einzige Substanz, und offenbaren den Christus als Seinen Sohn und Seine vollkommene Widerspiegelung. Mary Baker Eddy schreibt in ihrem Werk „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 482): „Jesus war der höchste menschliche Begriff des vollkommenen Menschen. Er war untrennbar von Christus, dem Messias — der göttlichen Idee Gottes außerhalb des Fleisches.“ Diese Idee ist der wirkliche Mensch. Die Erklärung des Paulus deutet an, daß seine Auffassung vom Menschen als körperlich der wissenschaftlichen Tatsache des geistigen Menschentums wich. Die ewigen Gesetze des Geistes, die in seinem Bewußtsein wirksam waren, verdrängten die sterbliche Annahme, die behauptet, es gebe im Menschen etwas, das im Widerspruch zur göttlichen Ordnung steht.
Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß die Wirklichkeiten des Seins in der wahren Selbstheit eines jeden von uns leben; und durch die Anwendung der christlich-wissenschaftlichen Lehren in unserm Leben haben wir die Kraft, sie zu beweisen. Irrige Auffassungen von Leben und Individualität müssen der rechten Idee vom Menschen weichen. Der materielle Begriff von den Dingen muß von dem geistigen ausgelöscht werden. Haß, Eifersucht und Selbstherrlichkeit müssen der Liebe Platz machen. Vertrauen auf den Geist muß an die Stelle des Vertrauens auf die Materie treten; und Gesundheit und Harmonie müssen den Augenschein der Disharmonie und der Krankheit zerstören.
Jesus zeigte, daß er dadurch, daß er immer den Willen dessen tat, der ihn gesandt hatte, die Fähigkeit widerspiegelte, wunderbare Werke zu wirken. Ohne diese vollständige Unterordnung des eigenen Willens kann uns die Wahrheit nicht die Schätze der Harmonie verleihen, die in ihren Gesetzen eingeschlossen sind. Die Bekundungen Gottes, des Guten, stehen notwendigerweise unter Seiner Leitung und Führung. Diese vollkommene Unterwerfung unter den göttlichen Willen, gegen die das sterbliche Gemüt sich oft auflehnt, ist weit davon entfernt, uns verkümmern zu lassen; sie fördert vielmehr das individuelle Wachstum und bringt uns an Stelle des furchtsamen, beschränkten menschlichen Sinnes die unbegrenzte göttliche Natur. „Deinen Willen, mein Gott, tue ich gerne, und dein Gesetz habe ich in meinem Herzen“ (Ps. 40:8). Dies Verlangen des Psalmisten sollte immer auch das unsere sein.
Die biblische Geschichte von Joseph veranschaulicht die Segnungen, die Gott den Gehorsamen in ihrem menschlichen Dasein beschert, trotz aller Ansprüche des Bösen, der Eifersucht und des Hasses. Als Stephanus die Geschichte von Joseph erzählte, sagte er (Apg. 7:9, 10): „Gott war mit ihm und errettete ihn aus aller seiner Trübsal und gab ihm Gnade und Weisheit vor Pharao, dem König in Ägypten; der setzte ihn zum Fürsten über Ägypten und über sein ganzes Haus.“ Deshalb konnte Joseph zu seinen Brüdern sagen (1. Mose 50: 20): „Ihr gedachtet's böse mit mir zu machen; aber Gott gedachte es gut zu machen, daß er täte, wie es jetzt am Tage ist, zu erhalten viel Volks.“ Wenn es mit Gehorsam verbunden ist, so kann das geistige Verständnis die Schleusen des Himmels öffnen; und die göttliche Herrschaft verbürgt Harmonie, Frieden und Gedeihen — sowohl dem einzelnen wie der Gesamtheit. Die göttliche Ordnung ist absolut unverletzlich. Nichts kann ihre uneingeschränkte Kundwerdung aufhalten.
Mrs. Eddy sagt in ihrem Buch „Miscellaneous Writings“ (Vermischte Schriften, S. 267): „Die Menschheit muß von den Sinnen zu der Seele hinstreben, und die Angelegenheiten der Menschen sollten vom Geist, dem intelligenten Guten, regiert werden. Weder menschlicher Impuls noch menschliche Meinung dürfen uns beeinflussen, wenn wir Gott unbeschränkte Vollmacht einräumen und nur Seinem Willen gemäß handeln wollen. Ebenso, wie wir nicht immer empfangen, was wir erbitten, weil wir „übel bitten“, sind wir auch nicht immer erfolgreich in unsern Unternehmungen, weil menschliche Elemente Gottes Weg zu verbergen scheinen. Wenn wir den göttlichen Willen widerspiegeln und die Aufgabe erfüllen, mit der wir betraut sind, so wird uns sicherlich alles zukommen, was wir brauchen.
Dies war einmal die Erfahrung der Verfasserin, als sie überzeugt war, daß ein gewisses Geschäftsunternehmen, mit dem Vorsatz des göttlichen Gemüts, Gutes auszudrücken, übereinstimmte. Alles wurde in Bewegung gesetzt, um ihre Pläne auszuführen. Sie trat mit verschiedenen Vermittlungsbüros in Verbindung, aber Monate vergingen, ohne den geringsten Erfolg. Eines Tages, als sie inbrünstig um die Erkenntnis betete, was wohl das Hindernis sei, kam ihr die folgende Erklärung unserer Führerin beständig in den Sinn (Wissenschaft und Gesundheit, S. 454): „Liebe inspiriert, erleuchtet, bestimmt und führt den Weg.“ Plötzlich offenbarte ihr eine geistige Eingebung, daß das Hemmnis ihre, von persönlichen Gründen diktierte, Ablehnung war, einen gewissen Vermittler aufzusuchen. Am nächsten Tage ging sie zu ihm, und wenige Tage darauf war das ganze Problem gelöst.
Unser Tagesprogramm wird sich stets harmonisch entfalten, wenn wir Gott unbeschränkte Vollmacht einräumen. Geistige Arbeit, tägliche Pflichten und Augenblicke der Ausspannung sollten unserm Leben den Rhythmus geben, der uns inneres Gleichgewicht und Frieden verleiht. Die Tatkraft kommt nicht aus uns selbst. Wir besitzen sie nur durch Widerspiegelung, um weisen Gebrauch davon zu machen. Mrs. Eddy macht es ganz klar, daß es in unserm eigenen Interesse ist, unsere Zeit weise zu gebrauchen und sie nicht mit oberflächlichen Vergnügungen und nichtssagender Unterhaltung zu vergeuden, da dies den Weg zu harmonischen und wertvollen Leistungen versperrt. Die Seele verlangt von uns, ihr alle Verantwortlichkeit für die Regierung zu überlassen, und die bloß persönliche Auffassung von Leitung, Verwaltung und Handeln aufzugeben.
Noch eine andere Erfahrung brachte mir von neuem den Beweis, wie segensreich es ist, das falsche Verantwortungsgefühl aufzugeben und statt dessen Gott zu vertrauen. Eines Nachts wachte ich auf mit heftigen Magenschmerzen und einem Gefühl der Niedergeschlagenheit. Ich erinnerte mich, daß dies Gefühl am Abend vorher über mich gekommen war, nach einem äußerst schweren Tage, an dem die Hilfe, die mir geleistet werden sollte, nur unwillig und grollend gewährt worden war. Ein übertriebenes Verantwortungsgefühl hatte mich überwältigt. Ich hatte das Zeugnis des persönlichen Sinnes angenommen, der mich als die Haupttriebkraft des Geschäftes darstellte und mir das Gefühl gab, daß die ganze Last und Sorge des Betriebs auf mir ruhte. Doch dann wurde mein Bewußtsein von dem letzten Vers der 23. Psalms erleuchtet. Die Erklärung, daß Gott die Seele von allem ist, daß ich immerdar in Gott verweile, verscheuchte meine Not und meine Krankheit. Ich fühlte den Segen eines unaussprechlichen Friedens.
Auf unserm ganzen Lebenswege liefert uns die Wissenschaft immer wieder den Beweis, daß die Disharmonien des Lebens gedanklichen Irrtümern entstammen, die, wenn sie zerstört werden, der Vollkommenheit Gottes und Seiner weisen Regierung weichen. Das Leben unserer Führerin war ein immerwährender Beweis hiervon. Sie mahnt uns, niemals der Entmutigung Raum zu geben, versichert uns des schließlichen Sieges und verleiht uns die Zuversicht, daß Gott einem jeden von uns hilft, der sich vertrauensvoll im Gebet an Ihn wendet.
