Eine Mission des Christus, wie ihn die Christliche Wissenschaft versteht, ist die, den Trauernden zu trösten. Die Christliche Wissenschaft zeigt, wie durch den Christus Kummer überwunden wird. Im Gedanken an den hohen Wert, den der Christus für alle Trauernden hat, schrieb Mary Baker Eddy in ihrem Kommunionsgesang (Gedichte, S. 75):
„Trauernder, höre — komm’ an mein Herze!
Liebe stillt Tränen und Leid,
Wecket dich aus dunklem Traum,
Macht für dich im Lichte Raum,
In der Herrlichkeit ewiger Freud’.“
Wer sich an die Christliche Wissenschaft wendet, um von Kummer geheilt zu werden, wird finden, daß der Christus oder der göttliche Tröster seine Not stillt. Er wird lernen, in der trostreichen Gewißheit von Gottes großer Liebe zu Seiner Schöpfung, einschließlich des Menschen, zu ruhen. Die Liebe, die Gott ist, entfaltet sich uns in dem Verhältnis, wie der persönliche Begriff von Liebe aufgegeben wird. Tatsächlich ist die göttliche Liebe weder persönlich noch endlich; sie ist geistig und unendlich. Da dies eine Tatsache ist, kann diese Liebe nicht verloren werden.
Der persönliche Sinn mag behaupten, die Liebe müsse sich auf eine Person konzentrieren, und der Verlust dieser Persönlichkeit beraube uns der Liebe. Wenn wir aber lernen, die Liebe da zu halten, wo sie hingehört, und erkennen, daß alle Liebe von Gottes Allgegenwart umfaßt wird, dann werden wir besser verstehen, daß die Liebe unabhängig von Personen ist.
Die Liebe, die geistig ist, ist weit mehr, als die Liebe zu einer Person oder als die Liebe zu irgend etwas überhaupt. Es ist das reine, unpersönliche Wesen und Wirken des wahren Seins. Ein persönlicher Begriff von Liebe ist oft selbstsüchtig und anspruchsvoll; in dem Verhältnis aber, wie sich unser geistiges Verständnis erweitert, lernen wir, Gott und den Menschen unpersönlich zu sehen. Eine herzliche, glückliche Gemeinschaft ist das Echo einer göttlichen Tatsache, und in dem Maße, wie diese Beziehung geistig ist, stellt sie eine ewige Wahrheit dar.
Wir lernen in der Christlichen Wissenschaft, daß alles Sein widergespiegelt, nicht übertragen wird. Ein wahrer Gedanke von Gott wird vom Menschen zum Ausdruck gebracht. Auf die Fähigkeit des Menschen, seinen Schöpfer widerzuspiegeln, kann nichts störend einwirken. Das Licht des göttlichen Lebens und der göttlichen Liebe leuchtet heller und kräftiger, wenn wir aus den Schatten des Irdischen erwachen zum ruhigen Bewußtsein des verklärten Lebens in Gott. Dieses Erwachen zum geistigen Leben vollzieht sich nicht durch den Tod, sondern durch unser Verständnis von der Tatsache, daß es keinen Tod gibt, und daß das Leben und die Wirksamkeit des Menschen kein Ende haben.
Gewisse Formen der scholastischen Theologie bestehen auf der Annahme, daß der Tod ein Freund sei, der die Sterblichen von einer Welt der Sünde und des Kummers befreie und sie in eine Welt des Lichts versetze. Dies entspricht nicht Jesu Lehre, der den Tod für sich und andere zerstörte. Noch wurde es vom Apostel Paulus gelehrt, denn er schrieb (1. Kor. 15:26): „Der letzte Feind, der aufgehoben wird, ist der Tod.“
Wir unterwerfen uns nicht einem Feind, sondern wir bekämpfen und bezwingen ihn. Es ist ein Teil der falschen Theologie, an den Tod als an eine Erlösung zu glauben. Die einzige Erlösung kommt durch die Erkenntnis, daß es keinen Tod gibt, und dieses Verständnis braucht nicht erst im künftigen Leben einmal bewiesen zu werden. Jesus siegte in seinem Kampf mit dem Tod. Durch seine Auferstehung bewies er, daß der ganze Todesvorgang eine Täuschung war. Er zeigte der Menschheit, daß er der gleiche liebende, lebendige und lebensvolle Freund vor wie nach dem Tode war; denn erschien er seinen Jüngern nicht in der ihnen bekannten Weise, um ihnen die Zweifel zu nehmen und ihren Kummer zu lindern?
Jesaja sagt uns, daß der Christus kommt, um „zu trösten alle Traurigen“ (61:2). Es ist gewiß trostreich, auch nur in geringem Grade zu erkennen, daß die Macht des Christus gegenwärtig ist, um alle, die infolge unseres begrenzten Erkennens verloren scheinen, aufzuerwecken und zu erhalten. Es war der Christus, der Jesus auferstehen ließ. Der Meister behauptete seine Untrennbarkeit von dem Christus. Dieses Verständnis befähigte ihn, die Zwischenzeit des Todes zu überbrükken mit der bleibenden Erkenntnis von der Allgegenwart Gottes und von der Gottähnlichkeit des Menschen. Durch sein reines und vollkommenes Verständnis von des Menschen Untrennbarkeit von Gott schloß er die Kluft zwischen dem Jetzt und dem künftigen Leben.
Diejenigen, die unseren Blicken entschwunden sind, sind nicht weniger wirklich und substantiell, als sie es hier waren, als wir sie liebten und mit ihnen sprachen. Da ihr und unser Verständnis nicht ausreichte, um die Zwischenzeit des Todes zu überbrücken, dünkt uns, sie seien gekommen und gegangen, sie seien in unser Leben hineingeboren worden und aus ihm hinausgestorben. Aber auf Grund von Vernunft und Offenbarung können wir sicher sein, daß sie fortfahren zu leben und zu lieben, ja, lebensvoll, gemütvoll und tätig zu sein. Sie haben erkannt, wie auch wir es erkennen müssen, daß das ganze Todeserlebnis ein Traum, eine Illusion ist. Wenn man aus einem Traum erwacht, ist man nicht länger ein Träumer. Man geht nicht zu seinen Träumen zurück und ist bekümmert über die vermeintlichen traurigen Ereignisse des Traumes. Man ist froh, wach zu sein, und die Freude und Erquickung dieses Erwachens zu erleben.
Der Christus kommt, um die Täuschung des Todes aufzudecken, und so Unsterblichkeit zu verleihen. In der absoluten Wahrheit gibt es keinen Zeitbegriff, und das Überwinden der Zeit ist ein Schritt bei der Überwindung des Todes, denn Zeit und Tod sind mit einander verknüpft. Das göttliche Bewußtsein umfaßt nur einen Augenblick, nämlich das Jetzt. Mrs. Eddy schreibt (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 12): „Uns gehört weder die Vergangenheit noch die Zukunft, wir besitzen nur das Jetzt.“ In dem Maße, wie wir lernen in dem ewigen Jetzt zu leben, werden wir den zerstörenden Zeitbegriff und den Glauben an Kommen und Gehen überwinden.
Es gibt ein Einssein im Geist, und der Mensch lebt in der Allgegenwart der Liebe. Wenn wir das Reich des Geistes betreten, dann verschwinden die Schranken der Trennung. Geistiges Leben offenbart das Weltall der Schöpfung, das in einer großen Einheit gehalten wird. Laßt uns aufhören, an ein Kommen und Gehen zu glauben, und laßt uns vorwärtsdringen bis wir den immer gegenwärtigen Christus, unseren immer verfügbaren Tröster finden.
