Cardiff, Wales
Eines Tages kamen vier junge Männer von ziemlich fragwürdigem Aussehen in das Lesezimmer, gerade als der vor mir Dienst tuende Bibliothekar mir die Aufsicht überlassen wollte. Die jungen Männer gingen zusammen in das Studierzimmer und die andere Bibliothekarin bot mir an, etwas länger im Verkaufsraum zu bleiben. Als wir dies noch besprachen, hörten wir einen lauten Krach aus dem Studierzimmer, worauf wir beide zur Tür eilten. Ein Büchergestell lag zerbrochen am Boden. Die Besucher sammelten die Bücher auf, stapelten sie ordentlich auf den Tisch und entschuldigten sich für den Zwischenfall.
Nachdem wir zum Verkaufstisch zurückgekehrt waren, bot die Bibliothekarin, die ihre Dienststunden für den Tag beendet hatte, mir nochmals an, zu bleiben. Dieses Angebot wurde liebevoll aber entschieden abgelehnt. Sie ging und empfahl mir noch, die Tür zwischen Verkaufsraum und Studierzimmer offen zu halten. Auch dies wurde von mir als unnötig empfunden. Eine gelassene Überzeugung von der Allgegenwart eines all-sehenden Prinzips begann sich meines Denkens zu bemächtigen. Die Versicherung Davids „Du bist bei mir“ (PS. 23:4) und die Worte des Liedes Nr. 10 aus dem Liederbuch der Christlichen Wissenschaft „Er ist uns nah allzeit“ brachten Vertrauen in meine Einheit mit jenem göttlichen Prinzip.
Dankbarkeit für die Tatsachen des Seins füllten mein Bewußtsein. Der Mensch wurde als die Widerspiegelung, das Bild und Gleichnis, des allumfassenden Guten, Gottes, gesehen, untrennbar von dem überfließenden Reichtum der Liebe. Dann wurde die normale Arbeit am Verkaufstisch wieder aufgenommen.
Als die vier jungen Männer in den Verkaufsraum zurückkehrten, stellten sie eine Anzahl Fragen über die Christliche Wissenschaft und erklärten, sie seien gekommen, um sich selbst Aufklärung darüber zu verschaffen. Einer von ihnen fragte nach dem Preis des Handbuches Der Mutterkirche von Mary Baker Eddy, welches ihn mehr als all die anderen Bücher interessiert hatte. Er fragte ferner, warum Mrs. Eddy die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft genannt würde und ob es für sie möglich sei, beides zu sein. Ihm wurde der Aufsatz „Historische Andeutungen“ in „Miscellaneous Writings“ (Vermischte Schriften, S. 378–383) gezeigt, in welchem unsere Führerin diese Frage beantwortet.
Fragen über die Christliche Wissenschaft als Wissenschaft wurden bereitwillig beantwortet. Ich erklärte ihnen, daß René J. Dubos schreibt, daß der berühmte Chemiker Louis Pasteur behauptete, „daß es nicht zwei Arten Wissenschaft gebe — theoretische und angewandte — sondern nur Wissenschaft und die Anwendung der Wissenschaft.“ Dies leuchtete den Besuchern ein. Es wurde ihnen weiter erklärt, daß auch Mrs. Eddy der Meining war, daß keine Theorie von Wert sei, wenn sie sich nicht in der Ausübung als praktisch anwendbar erweise. Diesbezügliche Erklärungen aus unserem Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ von Mrs. Eddy wurden zitiert, einschließlich jener, die auf die Christliche Wissenschaft als den Tröster hinweist, den unser Wegweiser und Meister verheißen hatte.
Ich ergriff die Gelegenheit, diesen jungen Männern von der Anwendung der Christlichen Wissenschaft in meiner — der Bibliothekarin, mit der sie sprachen — Erfahrung zu erzählen. Beim Abschied zeigten sie eine konstruktive, verständnisvolle, freundliche Einstellung.
Vor diesem Zwischenfall wurde das Studierzimmer nur wenig besucht. Später, nach der klareren Vergegenwärtigung der Wahrheit, erschienen mehr Besucher. Während meiner ganzen Dienstzeit hatte ich besonders erhebende Erfahrungen. Dies brachte die Erinnerung an andere Gelegenheiten zurück, wenn der Mut zu wanken schien, doch Vertrauen in die göttliche Allgegenwart mich auf den Felsen, Christus, gegründet hatte. Es wurde klar erkannt, daß durch die Vergegenwärtigung, daß der Vater-Mutter Gott „näher als Hände und Füße“ ist, Furchtsamkeit und Argwohn verscheucht worden waren. Dieser Zwischenfall erhellte auch andere Lesezimmererfahrungen. Diese Überzeugung, welche so bezeichnend für die Arbeit vieler Lesezimmer ist, wurde sehr früh von Mrs. Eddy im letzten Vers ihres Gedichtes „Aufwärts“ ausgedrückt (Gedichte, S. 19). Es ist ein Gebet der Bejahung für einen Bibliothekar:
„Dem Adler gleich, so mög mein Flug nach oben gehn,
Von himmlisch reinen Lüften hochgetragen.
Das Auge Gottes wacht — so bin ich nicht allein,
Will vorwärts, aufwärts, himmelwärts mich wagen.“
Ein Lezezimmer in Kalifornien
Als Bibliothekar habe ich über die Hinweise auf „Dienst“ in der Bibel, in den Schriften unserer Führerin Mary Baker Eddy und im Liederbuch der Christlichen Wissenschaft nachgesonnen, und zwar in Verbindung mit dem Gedanken, daß unser Lesezimmer „die offene Tür zur Kirche“ ist.
Oft kamen Vorübergehende unter dem einen oder anderen Vorwand in unser Lesezimmer. Dies gab den Bibliothekaren einzigartige Gelegenheiten zum Dienen. Meistens wurden diese Besucher in das Studierzimmer eingeladen und es wurde ihnen ein Sessel neben einem Stoß neuerer Ausgaben des Christian Science Monitor angeboten.
Den Lesezimmer-Assistenten wurde erklärt, daß diesee Leute unser Lesezimmer besuchen, weil unser Licht heller leuchtet, und daß es niemals nur ein Zufall sei. Typisch ist die folgende Erfahrung: Eine Frau trat ein, um nach der Adresse eines Ladens zu fragen. Alles, was ich hörte, war „eine Gelegenheit!“ Ich forderte sie auf, im Studierzimmer Platz zu nehmen, bis ich die genaue Adresse festgestellt hätte. Dieser Laden war nicht ganz zwei Querstraßen weit vom Lesezimmer entfernt, aber statt zu ihr zu sagen: „Gehen Sie nur einfach geradeaus und dann kommen Sie hin“, gab ich ihr das, um was sie gebeten hatte, nämlich die genaue Adresse des Ladens. Die Frau sagte: „Ach, wie schön ist es hier! Was ist dies hier eigentlich?“
Ich antwortete: „Dies ist ein Lesezimmer der Christlichen Wissenschaft.“
„Oh“, sagte sie, „im Jahre 1931 oder 32 las ich mitunter eine Zeitschrift, die Sie herausgeben. Sie war ganz wundervoll und half mir damals sehr.“
Ich zeigte ihr die neueste Ausgabe des Christian Science Sentinel. Sie setzte sich, um eine Weile zu lesen. Als sie ging, kaufte sie ein Christian Science Journal und zwei neuere Sentinels und bemerkte: „Ich habe neuen Lebensmut geschöpft.“
Wir könnten von etwa dreißig bis vierzig ähnlich erfolgreichen Fühlungnahmen mit Fragestellern berichten. Ob es diesen Menschen klar ist oder nicht: sie suchen nach der Wahrheit. Sie erhalten das Brot des Lebens, welches, wenn sie es annehmen, all ihre Bedürfnisse stillt.
Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, daß ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat; und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage. Es steht geschrieben in den Propheten: „Sie werden alle von Gott gelehrt sein.“ Wer es nun hört vom Vater und lernt es, der kommt zu mir. Nicht daß jemand habe den Vater gesehen, außer dem, der vom Vater ist; der hat den Vater gesehen. — Johannes 6:44–46.