Viele Nachfolger Christi Jesu mögen noch nicht die Universalität seiner Lehren begriffen haben. Sie mögen noch nicht ganz verstanden haben, daß der Meister die Gottesverehrung zu einer Sache beständiger Ausführung machte, daß er die Religion von allen nationalen, rassenmäßigen und ritualistischen Elementen befreite und sie in das heilige Bereich des individuellen Bewußtseins brachte. Der Apostel Paulus verstand die Bedeutung der christlichen Botschaft und schrieb (Rom. 8:14): „Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.“
Christus Jesus bewies vor den Augen aller Menschen die ewige Tatsache von Gottes Vaterschaft, Seiner Güte, Seiner Gegenwart, Seiner Gerechtigkeit und Seiner Fürsorge für jeden einzelnen Menschen. Die zahlreichen Heilungen Jesu bewiesen den Wert des individuellen Menschen in den Augen Gottes. Indem er umherwanderte und Gutes tat, erläuterte er die Wissenschaft des Seins durch praktische Veranschaulichung. Er kam, wie er sagte, um den Willen des Vaters zu tun, und seine Beweise der göttlichen Macht zeigten, daß die Befolgung des göttlichen Willens die Verbundenheit des Menschen mit seinem Schöpfer beweist. Da die Werke Jesu besonders dazu bestimmt waren, die Wissenschaft des Seins zu lehren, muß erkannt werden, daß sie von allen, die das Christentum als eine Wissenschaft verstehen gelernt haben, ausgeführt werden können. Denn, da die göttliche Wissenschaft die Wahrheit ist, ist sie ewig und universell.
Mary Baker Eddy entdeckte die Wissenschaft, die den Lehren Jesu zugrunde lag, und sie gründete ihr großes Heilsystem auf seine Worte und Werke. Durch die Wiederholung vieler seiner Werke bewies Mrs. Eddy, daß die Christliche Wissenschaft und das Christentum des Meisters identisch sind. In ihrem Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ sagt sie (S. 372): „Die Christliche Wissenschaft und das Christentum sind eins. Wie können wir dann im Christentum mehr als in der Christlichen Wissenschaft an die Wirklichkeit und Kraft von beiden, von Wahrheit und Irrtum, von Geist und Materie, glauben und dann hoffen, mit solchen Gegensätzen Erfolg zu haben?“ Hierin liegt der Schlüssel zu Jesu Unterweisungen — er verwarf allen Glauben an die Wirklichkeit des Irrtums und der Materie; er verstand, daß der Geist alle wirkliche Substanz darstellt und alle Wahrheit in sich schließt. So empfing er Macht von oben herab, Sünde und Krankheit sowie materielle Beschränkungen auf ihr ursprüngliches Nichts zurückzuführen.
Jesus lehrte fundamentale Wahrheiten, die, um verstanden zu werden, mehr der geistigen Einfachheit als der intellektuellen Kompliziertheit bedurften. So erklärte er zum Beispiel, daß das Himmelreich inwendig in uns sei — als ein Zustand der Gerechtigkeit, der die Herrschaft Gottes über den Menschen beweist. Durch Gleichnisse und Vorschriften legte der geliebte Lehrer den Menschen dar, wie sie ihr wahres Leben im Himmel beweisen können. Reue, Reinheit, Glauben an Gott, Friedfertigkeit, Beharrlichkeit im Gebet, Geduld zu Zeiten der Trübsal und Gerechtigkeit waren die notwendigen Schritte zu dieser Errungenschaft. Kein Ritual könnte an die Stelle dieser Tugenden treten; keine Annahme rassenmäßiger oder nationaler oder kirchlicher Überlegenheit könnte die Notwendigkeit solches Gutseins aufheben. Kein Christlicher Wissenschafter kann von der Verpflichtung befreit werden, diese christlichen Gedankenelemente zum Ausdruck zu bringen.
Nichts war übernatürlich in den Werken des Meisters; denn er sagte, daß alle, die an ihn glaubten, sie wiederholen könnten. Er drückte die Macht der Christusähnlichkeit aus, die Macht, die der Unschuld und der Wahrhaftigkeit innewohnen. Er lehrte, daß alle sich durch Güte mit Gott vereinigen können und dann durch diese Güte mit der Macht ausgestattet werden, alles zu vernichten, was dem Willen Gottes widersteht — was nutzlos oder schädlich oder begrenzt ist. Die Materie war „unter seine Füße getan“, denn das sterbliche Gemüt war unwirklich für ihn — und es kann für jeden von uns unwirklich werden.
Die Christliche Wissenschaft zeigt allen, die bereit sind, sie anzunehmen, wie wir geistige Kraft pflegen können, indem wir uns die Reinheit des Menschen als Ebenbild Gottes vergegenwärtigen, und indem wir uns seine Verbundenheit mit dem göttlichen Gemüt als dessen Idee und seine Vollmacht als des Vaters Vertreter der Wahrheit vor Augen halten. Und die Wissenschaft fordert, daß ihre Anhänger in Demut den Wahrheiten gemäß leben, die sie behaupten, und daß sie sich geduldig über die Annahmen eines materiellen Daseins erheben.
Doch Gemeinschaft mit Gott und Gebet waren nicht die einzigen Grundbedingungen für christliche Gottesverehrung, wie Jesus sie vorbildlich darstellte, sondern auch Heilungswerke, die Liebe und Gerechtigkeit bewiesen. Ritualismus konnte niemals das vollbringen, was die Befolgung des göttlichen Gesetzes und Barmherzigkeit tun konnten. Da Werke und nicht Zeremonien die Grundbedingungen wahrer Gottesverehrung für ihn waren, hielt der Meister oft am Wege inne, um die Leidenden, die Blinden, die Stummen und die Sündigen durch den Geist der Liebe zu heilen. Er überwand diese bösen Annahmen im Denken, wo sie ihre Wurzel hatten. Und er hinterließ jenes Gebot, von dem er wußte, daß seine Nachfolger es befolgen konnten (Matth. 10: 7, 8): „Gehet aber und predigt und sprecht: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Macht die Kranken gesund, reinigt die Aussätzigen, weckt die Toten auf, treibt die Teufel aus.“
Das Wiedererscheinen Jesu nach der Kreuzigung bewies die Unzerstörbarkeit des individuellen Lebens des Menschen als eine unwiderlegliche Tatsache. Die Christliche Wissenschaft erklärt die volle Bedeutung der Auferstehung in Beziehung auf alle Menschen. Mrs. Eddy sagt in ihrem Werk „Unity of Good“ (Die Einheit des Guten, S. 60): „Die Erhebung über den falschen Augenschein des Daseins zu dem wahren Beweis des Lebens, ist die Auferstehung, die die ewige Wahrheit erreicht.“ Die Himmelfahrt des Meisters lehrte die endgültige Stufe der Entfaltung, die das wahre Ziel der Wissenschaft des Christentums bildet — das Verschwinden des sterblichen Daseins in dem vollen Verständnis des geistigen Lebens.
An einem Punkt seines Wirkens sagte Christus Jesus (Matth. 15:24): „Ich bin nicht gesandt denn nur zu den verlorenen Schafen von dem Hause Israel.“ Doch seine letzte Weisung war (Mark. 16: IS): „Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur.“ Die Christlichen Wissenschafter verstehen, daß die von ihnen so geliebte Wissenschaft für Menschen aller Rassen und Nationen und Religionen ist. Und sie heißen alle gerne willkommen, die sich zu diesem herrlichen Evangelium des Heilens hingezogen fühlen.
Jesus verhieß: „Viele werden kommen vom Morgen und vom Abend und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich sitzen“ (Matth. 8:11). Die Wissenschaft des Christentums ist bestimmt, die Bresche zu überbrücken, die das östliche und westliche religiöse Denken zu trennen scheint. Und daher kommt es, daß individuelle Menschen, einer nach dem andern, herbeikommen, um zu den Füßen Jesu zu sitzen und im Lichte der Wissenschaft zu lernen, wie man die Heilkraft ebenso wie er betätigen kann. Sie erwachen zum Verständnis der unparteiischen, allumfassenden Liebe Gottes und der Unermeßlichkeit ihrer eigenen geistigen Möglichkeiten. Sie streben nach dem Verständnis der universellen Botschaft des Meisters — nämlich, daß Gott der einzige Vater des Menschen ist, und der Mensch der herrliche Sohn des Vaters. Sie wissen, daß Werke allein zeigen, in welchem Maße sie die Botschaft der Wahrheit verstehen.