Gebet erweitert unser Verständnis der Heiligen Schrift bis zu dem Punkt, wo die wissenschaftlich heilende Macht demonstriert werden kann. „Gebet“ ist der Titel des ersten Kapitels des christlich-wissenschaftlichen Lehrbuchs „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ von Mary Baker Eddy. Eine der vielen fesselnden Erklärungen, die in diesem Kapitel enthalten sind, lautet (S. 16): „Das höchste Gebet ist nicht das des bloßen Glaubens; es ist Demonstration. Solch ein Gebet heilt Krankheit und muß Sünde und Tod zerstören.“
Gebet wird mitunter als zu spekulativ für den praktischen Gebrauch angesehen. Tatsächlich besteht jedoch das einzig Spekulative am Gebet im Denken jener, die solche Ansichten hegen. Die Christlichen Wissenschafter wissen, daß Gebet von unbedingtem Segen ist, und sie beweisen täglich die Wahrheit der Worte des Apostels Jakobus (5:16): „Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.“ Alle Heilungen in der Christlichen Wissenschaft kommen durch wissenschaftliches Gebet zustande.
Was ist das besondere Wesen wissenschaftlichen Gebets? Es ist, kurz gesagt, ein geistig inspirierter Gedankenzustand, in dem die göttlichen Ideen der Wahrheit menschlich verfügbar werden. Wenn diese Ideen im menschlichen Bewußtsein wirksam werden, so heilen sie und bringen eine innere Befriedigung, die nicht durch zeremonielle Großartigkeit oder bloße dogmatische Wiederholung von Worten gefunden werden kann.
Wahres Gebet ist gänzlich mental. Daher liegen die Heilungsmöglichkeiten, die es bietet, in Reichweite eines jeden. Die heilende Macht des Gebets ist ebensowenig auf Menschen bestimmter religiöser Verbindung oder hervorragender Stellungen beschränkt, wie mathematische Betätigung auf einige Universitätsprofessoren beschränkt werden kann. Jeder, der denken kann, kann auch beten, und zwar richtig beten — mit Verständnis und Erfolg. Mrs. Eddy versichert uns dieser Tatsache in „Wissenschaft und Gesundheit“, wenn sie schreibt (S. 12): „In der göttlichen Wissenschaft, in welcher Gebete mental sind, können alle Gott als eine gegenwärtige, Hilfe in den großen Nöten‘ für sich in Anspruch nehmen.“
Es ist wahr, daß jeder durch Gebet Gottes Hilfe erlangen kann. Aber, wie für jedes andere Feld des Strebens, so ist auch für das Gebet die rechte Einstellung von Wichtigkeit. Der Zweck des Gebets ist, unser Denken mit Gott, der göttlichen Wahrheit, zu vereinigen. Wenn wir bei unserem Gebet ein rein materielles Ziel im Auge haben, so machen wir unser eigenes Streben zunichte. Körperliche Heilungen sind untergeordnete Ergebnisse, nicht Hauptziele; das heißt, sie erscheinen als natürliche Folgen der Erreichung unseres Zieles — der Erkenntnis der geistigen Wahrheit.
Wenn wir die Wahrheit zum höchsten Ziel unsereres Sehnens und Strebens machen, so bereiten wir uns auf erfolgreiche Demonstrationen des heilenden Gebets vor. Es liegt in der Natur der Wahrheit, sich denen zu offenbaren, die sie suchen, und es liegt in der Natur des Irrtums, in Gegenwart der Wahrheit zu verschwinden. Christus Jesus wies auf die ordnungsgemäße Entfaltung allen heilenden Gebets hin, als er sagte (Joh. 8:31, 32): „So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so seid ihr meine rechten Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“
Die Christliche Wissenschaft erfüllt die Vorstellung unseres Meisters vom heilenden Gebet, indem sie die auf unser wahres Sein bezüglichen geistigen Tatsachen offenbart. Diese Wissenschaft lehrt, daß Gott die Liebe, das Gute, ist; daß Er der einzige Vater, die einzige Ursache oder der einzige Schöpfer ist, und daß der Mensch Sein geistiges Bild und Gleichnis ist. Das Nachsinnen über diese geistigen Wahrheiten und die Erkenntnis ihrer Gegenwart macht heilendes Gebet aus. Die Offenbarung unserer wahren geistigen Wesenheit als Kinder Gottes bedeutet das Kommen des Christus, das jede unharmonische Annahme verscheucht.
„Gut“, mag hier jemand einwerfen, „das hört sich glaubwürdig genug für jene an, die sich lediglich mit einer falschen Annahme auseinanderzusetzen haben, aber mein Problem ist körperlich. Wie kann solch ein Gebet mir helfen?“ Diese Denkweise könnte man mit der eines kleinen Kindes vergleichen, das einen Fehler beim Zählen von Apfelsinen macht und dann den Schluß zieht, daß die Apfelsinen schuld daran sind. Probleme sind niemals körperlich, selbst wenn es so zu sein scheint. Die Christliche Wissenschaft zeigt, daß der materielle Körper lediglich der sichtbare Ausdruck des menschlichen Bewußtseins ist. Der Körper entspricht nur dem Charakter der Gedanken, die wir hegen, weil eine Wirkung stets von ihrer Ursache regiert wird. Sogenanntes körperliches Heilen durch Gebet erscheint zuerst mental, ehe es sich am Körper kundtut.
Gebet heilt durch die Vergeistigung des Denkens. Der ganze Vorgang kann durch die Lösung eines mathematischen Problems erläutert werden. In dem Heilungsvorgang wenden wir uns den Wahrheiten zu, die immer existiert haben, und erreichen Freiheit von Irrtümern, die niemals Dasein besessen haben. Der wirkliche Mensch ist stets vollkommen und unsterblich gewesen. Er war niemals sündig, krank oder sterblich. Der Mensch spiegelt Gott in jeder Eigenschaft wieder — in Gesundheit, Fülle, Fähigkeit und Fortdauer. Mangel, Krankheit, Sünde und Tod sind weder menschenähnlich noch gottähnlich; sie sind sterbliche Täuschungen. Gleich Rechenfehlern haben sie keine Grundlage in Tatsachen und hören auf, sogar als Täuschungen zu erscheinen, sobald ihr Nichts einmal erkannt ist.
Das gerechte Gebet ist gleichbedeutend mit christlich-wissenschaftlicher Behandlung. Die dadurch herbeigeführte heilende Wirkung ist einfach und logisch in „Wissenschaft und Gesundheit“ erklärt, wo Mrs. Eddy schreibt (Vorw., S. xi): „Das physische Heilen durch die Christliche Wissenschaft ist jetzt, wie zu Jesu Zeiten das Ergebnis der Wirksamkeit des göttlichen Prinzips, vor dem Sünde und Krankheit ihre Wirklichkeit im menschlichen Bewußtsein verlieren und ebenso natürlich und unvermeidlich verschwinden, wie Dunkelheit dem Licht, und Sünde der Umwandlung Raum gibt.“
Wirksames Gebet bezieht seine heilende Kraft aus der Wahrheit, die sie anruft. Die göttliche Wahrheit wirkt als ein unwiderstehliches Gesetz der Ausrottung allen Irrtums. Ob ein bestimmter Irrtum von langer oder kurzer Dauer war, spielt keine Rolle, noch ist die Größe seines besonderen Anspruchs von Wichtigkeit. Alle Irrtümer sind gleichmäßig dem Gesetz der Wahrheit unterworfen. Erscheint dies vielleicht überraschend? Sind nicht alle mathematischen Wahrheiten ebenso gut auf Elephanten anwendbar wie auf Bleistifte?
Wir können uns niemals einem Problem gegenübersehen, das so schwierig wäre, daß es nicht durch Gebet geheilt werden könnte. Wie düster eine Lage auch erscheinen mag, wir können uns stest im Gebet mit vertrauensvoller Erwartung an Gott wenden. Christus Jesus sagte (Matth. 7:7, 8): „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.“
Erscheint unsere menschliche Erfahrung mit Augenblicken des Zweifels und der Entmutigung verdunkelt? Wenn dem so ist, so laßt uns oft über des Meisters Verheißung nachsinnen. Es wird unsern Glauben an das Gebet beleben und unser Vertrauen auf seine heilende Macht stärken.