Wenn die Natur aus ihrem langen Winterschlaf erwacht und die Erde mit Knospen und Blüten schmückt, wenn Vögel den Tag mit fröhlichem Gesang begrüßen und die Sonne höher am Himmelszelt emporsteigt — in dieser Frühlingszeit nimmt ein Gefühl der Erneuerung Besitz von unserem Denken. Der Frühling führt uns hinweg von der Dunkelheit und Finsternis der Winterherrschaft in den Glanz und die Wärme lichterfüllter Tage. Solches Wiedererstehen mit all seiner Schönheit der sich entfaltenden Blätter und Knospen macht das Herz froh. Es weist das Denken auf die unvergängliche und immerdauernde Natur des Universums Gottes hin, von dem die Menschheit zurzeit nur die Symbole wahrnimmt, wie lieblich diese auch jetzt schon erscheinen mögen.
Dieses stets wiederkehrende Wunder der Natur trifft in der nördlichen Hemisphäre mit dem Gedenken der Christen an die Auferstehung ihres Herrn und Heilandes und seinen großen Sieg über den Tod zusammen. Mit jubelnden Gesängen und Lobpreisungen verehren sie die mächtige Errungenschaft und erinnern sich seines dem Dienste der Menschheit geweihten Lebens voll tiefer Freude. Nicht alle Christen jedoch legen das außerordentliche Geschehen jenes ersten Ostermorgens als ein Beispiel aus, dem alle Menschen folgen können. Sie sehen es als ein vereinzeltes Vorkommen der Wirkung von Gottes Macht zugunsten Christus Jesus allein an, oder sie glauben, daß Jesu Opfertat als solche allein wirksam war, die Welt vom Irrtum zu befreien. Paulus jedoch betont die Tatsache (1. Kor. 15:26), daß „der letzte Feind, der aufgehoben wird, ... der Tod“ ist, womit er andeutet, daß es für alle, die die geistige Höhe des großen Lehrers erreichen, möglich ist, den Glauben an den Tod aufzugeben und damit zu widerlegen, was so allgemein als unvermeidlich angesehen wird.
Jesus brachte zwar ein großes Opfer, aber er erhob keinen Anspruch auf persönliches Verdienst für seine Tat. Als er sich dieser Erfahrung unterwarf, war er nur dem Geheiß seines Vaters voll und ganz gehorsam und vollendete so das Werk, das Gott ihm zugewiesen hatte. Sein Opfer als solches würde die Bewunderung der Welt für seine Selbstlosigkeit, seine Geduld und Seelenstärke hervorgerufen haben, aber es würde wenig dazu beigetragen haben, die Menschheit zu segnen, wenn es der Welt nicht die Tatsache vor Augen geführt hätte, daß Gott das Leben des Menschen ist, und daß die geistige Idee, der Ausdruck Gottes, nicht zerstört werden kann.
Die Anhänger der Christlichen Wissenschaft haben zu dieser Jahreszeit großen Grund zum Frohlocken und zur Dankbarkeit, denn sie sind durch die inspirierten Schriften ihrer Führerin Mary Baker Eddy, die sich auf die Lehren der Bibel gründen, in den Stand gesetzt worden, die wahre, geistige Bedeutung des endgültigen Beweises der Unsterblichkeit unseres Meisters zu erfassen. Dieser Beweis gab ein Beispiel von der unsterblichen und wahren Substanz des Menschen, die von den Speeren und Pfeilen sterblicher Annahmen nicht erreicht werden kann.
Mrs. Eddy schreibt in ihrem Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 44): „Die Jünger hielten Jesus für tot, da er in dem Grab verborgen war, während er lebte und in der engen Gruft die Macht des Geistes demonstrierte, die den sterblichen, materiellen Sinn verwirft. Felsenkantige Wände waren im Wege, und ein großer Stein mußte von dem Zugang der Grabeshöhle hinweggewälzt werden; aber Jesus überwältigte jedes materielle Hindernis, überwand jedes Gesetz der Materie und schritt aus seiner düstern Ruhestätte hervor, gekrönt mit der Herrlichkeit eines erhabenen Erfolges, eines immerwährenden Sieges.“ Und im nächsten Abschnitt fährt sie fort: „Jesu Tat geschah zur Erleuchtung der Menschen und zur Erlösung der ganzen Welt von Sünde, Krankheit und Tod.“
Jesus hatte seine Jünger vorher auf sein Scheiden aus ihrer Mitte vorbereitet und auf seine Auferstehung am dritten Tage hingewiesen. Sein unerschütterliches Vertrauen auf die ewige Fortdauer des göttlichen Lebens rüstete ihn mit der Kraft aus, die Unmöglichkeit dessen Endens zu bestätigen. Drei Tage später bewies der Meister seinen Schülern, was er lehrte, durch sein Wiedererscheinen und sein Sprechen mit ihnen. Zuerst waren sie ungläubig, erinnerten sich dann aber sofort an seine frühere tröstende Versicherung, daß er sie wiedersehen würde.
Matthäus schildert in seinem Evangelium die Szene am Grabe an jenem Auferstehungsmorgen, als ein Engel auf Maria Magdalena und die andere Maria hinzutrat und sie mit der folgenden Botschaft tröstete (28:5, 6): „Fürchtet euch nicht; ich weiß, daß ihr Jesum, den Gekreuzigten, suchet. Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat.“ Die geistige Selbstheit von Christus Jesus, die Widerspiegelung des unendlichen Lebens, konnte nicht festgehalten werden in den engen Grenzen, die seine Verfolger ihm zugemessen hatten. Diese waren trotz der angeordneten ununterbrochenen Bewachung furchterfüllt, erregt und bestürzt, als sie hörten, daß er verschwunden war.
Mrs. Eddy betont auf Seite 119 ihres Werkes „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“ (Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes) die Notwendigkeit, dieses epochemachende Geschehen geistig zu bewerten. Sie sagt: „Maria von Alters weinte, als sie sich niederbeugte und in das Grab guckte — Ausschau hielt nach einer Person anstatt nach dem Prinzip, das den Christus offenbart. Die Maria von heute schaut auf zu Christus, fort von dem angeblich gekreuzigten zu dem auferstandenen Christus, zu der Wahrheit, die da, heilet alle deine Gebrechen‘ und die Herrschaft über die ganze Erde gibt.“
Diejenigen, die mit den Lehren der Christlichen Wissenschaft vertraut sind, sind sich dessen wohl bewußt, daß der Christus niemals starb, obgleich der fleischliche Körper Jesu dem Anschein nach durch diese Erfahrung ging und auferstand. Dieser zweifellose Beweis von der Unsterblichkeit des göttlichen Lebens, das der Mensch als Gottes Kind widerspiegelt, erfüllt uns mit Inspiration; und mit dankerfülltem Herzen versuchen wir, auf dem Wege zu wandeln, den unser Meister uns vorgezeichnet hat. Paulus ermahnt seine treuen Brüder zu Kolossä (Kol. 3:1): „Seid ihr nun mit Christo auferstanden, so suchet, was droben ist, da Christus ist, sitzend zu der Rechten Gottes.“ Wie notwendig ist es, die wahre Idee vom Menschen zu suchen, der, ebenso wie sein Schöpfer, niemals aufhören kann zu existieren, sondern der nur unendliches Leben und unendliche Harmonie kennen kann, weil er untrennbar von Gott ist!
Die Lektion der Osterzeit ist in dem einen Wort enthalten: „Stehe auf!“ — das der Wegweiser so oft gebrauchte. Er wußte, daß das Gegenmittel gegen den Irrtum darin besteht, daß wir aufwachen aus dem Nebel und Schatten und eindringen in das strahlende Licht der immergegenwärtigen Wahrheit, die keine Finsternis kennt. Wir sollten uns entschließen, den Christus, die wahre Selbstheit eines jeden von uns, wiederzuerwecken, bis sie als eine lebendige Wirklichkeit verstanden wird, die die Falschheit der materiellen Annahmen mit ihren begleitenden Strafen auslöscht und uns feit vor den Versuchen des Bösen, uns niederzuwerfen und zu zerstören. Dann werden wir uns in ein höheres Reich des Denkens emporgehoben fühlen, wir werden Gott, das eine Gemüt, mühelos widerspiegeln und Seine nie irrende Intelligenz zum Ausdruck bringen, in der es kein Bewußtsein von Tod gibt.
Mit erhebenden Worten weist Mrs. Eddy nochmals auf dies große Erwachen mit folgenden Worten hin (Verschiedenes, S. 191):
„Dieser frohe Ostermorgen zeugt von einem auferstandenen Erlöser, einem höheren menschlichen Begriff von Liebe und Leben, der alle Tränen wegwischt. Christus, die Wahrheit, hat die Grabtücher abgetan und ist aus dem Grabe der Vergangenheit hervorgetreten, in Unsterblichkeit gekleidet. Der Geist sagt zu der Materie: Ich bin nicht bei dir, ich bin nicht in dir. Siehe da die Stätte, da sie mich hinlegten; aber das menschliche Denken ist auferstanden!
Die dichte Düsterheit der Sterblichkeit ist durchdrungen. Der Stein ist hinweggewälzt. Der Tod hat seinen Stachel verloren und das Grab seinen Sieg. Unsterblicher Mut erfüllt die menschliche Brust und erleuchtet den lebendigen Weg des Lebens.“
