Die Christliche Wissenschaft erhebt uns über die herkömmliche theologische Annahme, der Mensch sei ein Sterblicher und sein Leben und seine Gesundheit hingen von ihm selbst ab, zu der Wahrheit, daß der Mensch eine geistige Ausströmung ist und in allem nur von Gott, seinem Urquell, abhängig. In „Pulpit and Press“ (Kanzel und Presse) gibt Mary Baker Eddy folgende Erklärung (S. 4): „Ist nicht der Mensch in metaphysischer wie auch in mathematischer Hinsicht Nummer eins, eine Einheit, und daher eine ganze Zahl, und wird er nicht von Gott, seinem göttlichen Prinzip, regiert und beschützt? Ihr müßt einfach einen wissenschaftlichen und positiven Begriff des Verbundenseins mit eurem göttlichen Urquell bewahren und dies täglich demonstrieren.“
Da Christus Jesus wußte, daß er göttlichen Ursprungs war, konnte er die Vollkommenheit und Macht jenes unendlichen Urquells beständig und folgerichtig offenbaren. Einige Aussprüche Jesu, die sich auf dieses Thema beziehen, finden wir im achten Kapitel des Johannes-Evangeliums. So sagte er zum Beispiel: „Ich tue nichts von mir selber... Der mich gesandt hat, ist mit mir. Der Vater läßt mich nicht allein; denn ich tue allezeit, was ihm gefällt.“ Er erklärte auch: „Ich bin ausgegangen und komme von Gott.“
Der Meister verstand vollkommen, daß der Sohn so untrennbar mit dem Vater verbunden ist wie die Idee mit dem Gemüt. Er bewies, daß er niemals vom Urquell des Lebens und allem, woraus das Leben besteht, getrennt werden konnte. Es fehlte ihm nie an Weisheit, weil er sie von Gott herleitete. Er hatte volle Genüge an allem, was er brauchte — ob dies nun eine Münze war, um Steuer zu bezahlen, oder Speise, um eine große Menschenmenge zu versorgen, oder einen Ort, um zu ruhen oder zu beten oder auch das Gesetz des Lebens zu demonstrieren — denn er verstand den unendlichen Urquell des Menschen, und er wandte sich an ihn ohne jeden Vorbehalt.
Der Meister war nicht allein dazu berufen, sein eigenes Einssein mit dem Vater zu beweisen, sondern allen Menschen zu zeigen, wie auch sie dies tun könnten. Jesus sagte, seine Nachfolger sollten alles in seinem Namen erbitten, das heißt, vom Standpunkt der bewiesenen christlichen Gesinnung aus; und dann würden sie empfangen, was der Vater ihnen zu geben hätte. Er sagte (Joh. 16:15): „Alles, was der Vater hat, das ist mein“, wodurch er zu verstehen gab, daß der christusgleichen Wesensart alles Gute möglich ist.
Ein Mensch, der Leben und alles, was es in sich schließt, in der Unendlichkeit sucht, wird finden, daß seine gegenwärtigen Begrenzungen niederbrechen, und daß seine menschlichen Erfahrungen der göttlichen Verheißung des unbegrenzten Guten entsprechen. Sollte aber jemand versuchen, durch geistige Verfahren rein materielle Zwecke zu verfolgen, dann wird er enttäuscht werden. Das, was in aller Fülle dem Geist entströmt, ist geistig; und alles Geistige ist unendlich.
Der Vater stattet Seinen Sohn mit Seiner göttlichen Natur aus und macht ihn tüchtig im Einklang mit Seinen eigenen geistigen Zielen. Wenn wir „einen wissenschaftlichen und positiven Begriff des Verbundenseins“ mit unserem göttlichen Urquell bewahren, werden wir in zunehmendem Maße unsere göttliche Sohnschaft demonstrieren und die Ziele, die der Geist uns eingibt, tatkräftig verfolgen. Wir werden fähig sein, unparteiisch zu lieben und wahrhaftig zu sein in einem höheren Sinne des Wortes, indem wir nur das Geistige als wirklich anerkennen. Wir werden Lebenskraft und Gesundheit, Intelligenz und Weisheit besitzen sowie die Fähigkeit, diese uns von Gott verliehenen Eigenschaften durch erbarmungsvolles, heilendes Wirken zu beweisen. Wenn man geistige Lebensziele zu erlangen sucht — nicht materielle — so wird einem der wirkliche Mensch offenbart, und das menschliche Verständnis erfaßt die Beziehung des Menschen zu dem göttlichen Urquell des Seins.
Die Christliche Wissenschaft erklärt, daß die fünf körperlichen Sinne — die Materialität — die scheinbare Ursache der Begrenzung sind. Gemäß dieser Wissenschaft sehen die Sinne, was sie glauben, und deshalb ist das Erleben der Sterblichen das Ergebnis von Annahmen und die Materie nichts weiter als eine begrenzte Art des Denkens. Mrs. Eddy sagt in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 255): „Mit dem materiellen Sinn im Bunde gewinnen die Sterblichen begrenzte Anschauungen von allen Dingen.“
Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß die körperlichen Sinne unwahr und kein Teil des wahren Menschen sind, dann hören wir auf, das zu glauben, was sie uns darbieten. Der geistige Sinn ist das einzig zuverlässige Mittel der Berichterstattung; und der geistige Sinn vermittelt richtige Auffassungen von der ganzen Schöpfung. Man braucht Beharrlichkeit und Hingebung, wenn man die körperlichen Sinne und ihre armseligen Fälschungen des Wirklichen abweisen und durch geistiges Verständnis zu dem erwachen will, was die göttliche Quelle darbietet.
Ein Fluß entströmt seiner materiellen Quelle; und so entströmt, bildlich gesprochen, das individuelle Bewußtsein ewiglich dem göttlichen Gemüt. Der Offenbarer beschreibt die wahre Idee vom Leben und seiner Quelle, die ihm ein Engel mitgeteilt hatte (Offenb. 22:1): „Er zeigte mir einen lautern Strom des lebendigen Wassers, klar wie ein Kristall; der ging aus von dem Stuhl Gottes und des Lammes.“ In der wirklichen Wesenseinheit des Menschen mit Gott gibt es keinen Makel des Irrtums oder der Begrenzung, kein Bewußtsein von Materie mit ihren Zuständen und Problemen — und folglich keine Materialität.
Durch die bildliche Darstellung in der Offenbarung gewinnt man ein klares Verständnis von der Reinheit wahren Bewußtseins, sowie von der Lebenskraft, mit der es von Gott ausgeht. Man erkennt dann, daß das, was erfüllt ist von materiellen Begriffen, was sich abnützt oder was stirbt, die unwirkliche Vorstellung von Leben in der Materie ist. Diese körperliche Auffassung vom Leben sollte uns nicht wirklich erscheinen, da sie keine Basis hat und nichts weiter ist als eine selbstgebildete Art zu denken, die nur von dem Glauben an ihr eigenes Dasein gestützt wird, und die kein Gesetz besitzt, von dem sie getragen werden könnte. Daher sollten wir auch nicht erschrecken, wenn ein geliebtes Wesen uns im Tode zu entschwinden scheint, denn dieses Entschwinden stellt nur einen Wandel in der Annahme dar und kann seine wahre Wesenseinheit mit Gott nicht berühren.
Das menschliche Leben geht weiter und erreicht durch allmähliche Läuterung das wirkliche Bewußtsein. Das Gute kann nicht sterben; Christlichkeit ist unsterblich. Wir können jeden einzelnen Menschen der Liebe und der Gnade seiner Quelle, von der er nicht zu trennen ist, anvertrauen. Mrs. Eddy sagt in ihrem Werk „Vermischte Schriften“ (S. 19): „Wer sich zu dem Namen Christi bekannt hat, wer wirklich die göttlichen Forderungen von Wahrheit und Liebe in der göttlichen Wissenschaft angenommen hat, entfernt sich täglich vom Bösen, und alle boshaften Anstrengungen mutmaßlicher Teufel können den Lauf eines solchen Lebens niemals aufhalten, ununterbrochen zu Gott, seiner göttlichen Quelle, hinzuströmen.“
