Es gibt heutzutage fast keine isolierten Gesellschaftsschichten mehr. Die Interessen der Menschen sind so miteinander verflochten, daß eine größere Störung auf einem Gebiet, zum Beispiel in der Industrie, sich sogar auf die Menschen auswirkt, die persönlich nicht betroffen scheinen. Es ist fast unmöglich, nur Zuschauer zu sein.
Es ist zweifellos wahr, daß die Gefahr besteht, daß das menschliche Denken das Übergewicht erlangt. Der technische und wissenschaftliche Fortschritt ist der moralischen und geistigen Entwicklung weit voraus. Die Lösung ist nun nicht, zusätzliche moralische Maßstäbe einzuführen, sondern unser Denken und unser Leben den Maßstäben anzupassen, die wir bereits haben. Moralische und geistige Werte stehen in so enger Beziehung zueinander, daß es ohne geistige Stärke nicht immer möglich ist, dem moralischen Gesetz zu entsprechen.
„Johannes sah das Zusammentreffen des Menschlichen und Göttlichen, wie es sich im Menschen Jesus zeigte, als die Göttlichkeit, welche die Menschlichkeit im Leben und dessen Demonstration umfaßt, und welche der menschlichen Wahrnehmung und dem menschlichen Verständnis das Leben erschließt, das Gott ist.“ Diese bemerkenswerte Erklärung findet sich in „Wissenschaft und Gesundheit“ (S. 561). In Christus Jesus fand Johannes die vollkommene Verschmelzung des Göttlichen mit dem Menschlichen, der Geistigkeit mit der Sittlichkeit, und durch die Christliche Wissenschaft ist dieses Zusammentreffen ebenso erreichbar für uns, wie es für ihn war.
Wenn das menschliche Bewußtsein mit der göttlichen Regierung in Einklang gebracht wird, wird es vom göttlichen Gesetz gestützt. Dieses Gesetz ist ebenso wirksam und unentrinnbar wie das wohlbekannte Gesetz der Schwerkraft. Jedesmal wenn wir einen Schritt tun, sind wir zum Teil auf das Gesetz der Schwerkraft angewiesen, um uns aufrechtzuerhalten. Wie viel wichtiger ist es, sich auf das geistige Gesetz zu stützen und ihm zu gehorchen! Nur wenn wir uns dem hypnotischen Einfluß des sogenannten sterblichen Gemüts unterwerfen, scheinen wir dem Gesetz Gottes nicht Untertan zu sein.
Jesus deutete eine Lösung an, als er sagte (Matth. 12:29): „Wie kann jemand in eines Starken Haus gehen und ihm seinen Hausrat rauben, es sei denn, daß er zuvor den Starken binde?“ Wir binden den Starken, das sterbliche Gemüt, indem wir seinen Anspruch zurückweisen, daß dieser dem Gesetz Gottes entgegengestellt sei. Solch ein Anspruch würde Gottes Allheit leugnen und andeuten, es gebe Gott und außer Ihm noch etwas anderes. Es gibt aber nur Gott!
Wir binden den Starken auch dadurch, daß wir uns weigern, seinen Suggestionen zu glauben, geradeso wie wir einen Lügner zum Schweigen bringen, indem wir uns weigern, ihm zuzuhören. Wenn dem Bösen Zuhörer und Opfer entzogen werden, hört sogar der Anschein seines Daseins auf.
Jesus fand Freiheit von den falschen Ansprüchen des Bösen in seiner unauflöslichen Verbundenheit mit der göttlichen Regierung. In seinem Gebet schloß er die Bitte ein (Matth. 6:10): „Dein Reich komme. Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.“ Er richtete das Denken der Menschen beständig auf das eine Reich, in welchem es keinen Ungehorsam und keine Sünde geben kann. Die göttliche Regierung bringt der Erde, bringt uns allen — hier und jetzt — was uns nach dem Glauben zeitgenössischer Religionsvertreter erst beschieden ist, wenn wir die Erde verlassen haben.
Es ist möglich, gerade da, wo wir sind, die Harmonie und Herrlichkeit des Seins zu erleben, die immer mit dem Himmel verbunden gewesen ist. So kann, „auf Erden wie im Himmel“ durchaus bedeuten — in der menschlichen Erfahrung wie in der Wirklichkeit.
In „Wissenschaft und Gesundheit“ lesen wir (S. 297): „Ehe die Annahme Glaube, und der Glaube geistiges Verständnis wird, hat der menschliche Gedanke wenig Beziehung zum Tatsächlichen oder Göttlichen.“ Das gibt uns die Gewißheit, daß, wenn Annahme und Glaube zu geistigem Verständnis geworden sind, das menschliche Denken eine Beziehung zum Göttlichen oder Tatsächlichen hat. Mit geistigem Verständnis nehmen wir das Zusammentreffen des Göttlichen mit dem Menschlichen wahr. Dann haben wir die Gewißheit, daß das Gesetz Gottes auf jede menschliche Situation und für die Lösung eines jeden menschlichen Problems anwendbar ist, ob es sich um ein individuelles Problem oder um ein Problem der Gesamtheit handelt.
Wenn wir von dem göttlichen Gesetz sprechen, sprechen wir ausschließlich von der Art und Weise, wie Gott, das göttliche Prinzip, wirkt. Da das göttliche Gesetz unparteiisch ist, wirkt es gleichermaßen gerecht für alle. Das Gesetz in dieser Weise zu verstehen, bedeutet, es als absolut anzuerkennen, das heißt, als ein Gesetz, das nicht umgangen werden kann. Das Gesetz kann nicht aufgehoben werden; es kann nicht versagen. Etwas anderes zu glauben, heißt, sich selbst der Segnungen zu berauben, die der Gehorsam gegen das Gesetz in jedem Fall bringt. Wenn wir den göttlichen Willen, das göttliche Gesetz, erhöhen, werden wir Zeuge seines Wirkens in uns und erkennen, wie Probleme gelöst werden, ganz gleich, wie schwierig sie auch zu sein scheinen.
Im Zusammentreffen des Göttlichen mit dem Menschlichen nehmen die menschlichen Beziehungen eine göttlichere Natur an, und das Göttliche wird der Menschheit erreichbar. Käufer und Verkäufer, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Unternehmer und Gewerkschaften werden zu ihrem gegenseitigen Nutzen zusammengeführt. Das Göttliche erreicht das Menschliche in jedem Berührungspunkt der Empfänglichkeit. Infolge der ihm innewohnenden göttlichen Eigenschaften, ermangelt das menschliche Bewußtsein niemals einer gewissen Fähigkeit, auf die Gegenwart von dem Gesetz des geistig Guten zu reagieren. Kein menschliches Problem ist unlösbar. Die Möglichkeit, die richtige Antwort auf jedes Problem zu finden, ist stets gegenwärtig.
Eine gerechte Beilegung irgendeiner Streitigkeit wird oft nur darum verzögert oder hintertrieben, weil die Menschen glauben, sie könne nicht zum Nutzen aller Beteiligten gelöst werden. Solch eine Annahme ist lediglich die Suggestion des sterblichen Gemüts. Aber tatsächlich existiert kein solches Gemüt außerhalb unseres irrigen Denkens.
Wenn wir von dem Standpunkt der Allheit Gottes aus denken, werden wir dazu geführt werden, das Richtige zu tun, obwohl wir vielleicht noch nicht sicher sind, wie wir uns im Augenblick entscheiden sollten. Wenn wir standhaft an dieser Tatsache als an einer Wahrheit und nicht nur als einer ermutigenden Behauptung festhalten, wird sich die richtige Entscheidung über das, was getan werden muß, zeigen. Und es wird sich herausstellen, daß diese Handlungsweise richtiger war als alles, was wir uns vielleicht ausgedacht hätten.
 
    
