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Die erbarmungsvolle Berührung

Aus der Mai 1960-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Es gibt wohl keinen größeren Ausdruck des Erbarmens in der menschlichen Sprache als die Seligpreisungen Christi Jesu. Alle Bestandteile der Christlichkeit werden darin erwähnt, und die belohnende, heilende Wirkung ihrer Betätigung im menschlichen Bewußtsein wird dargelegt. Kein Wunder denn, daß unser Wegweiser, als er seine Predigt beendet hatte, vom Berge herabkam und mühelos den ausgestoßenen Aussätzigen ebenso wie den Knecht des Hauptmanns heilte. Was immer und wen immer er berührte, wurde geheilt.

Es hat wohl immer Männer und Frauen gegeben, die sich nach dieser heilenden Kraft gesehnt haben. Aber erst, als Mary Baker Eddy die Wissenschaft des Christentums erklärte, begann die Menschheit die Tatsache zu ahnen, daß in dem „Selig-sind“ der Seligpreisungen genausoviel Gesetzmäßigkeit enthalten ist wie in dem „Du-sollst-nicht“ des mosaischen Dekalogs.

Gottes Forderungen in den Seligpreisungen sind: barmherzig sein; sanftmütig sein; nach der Gerechtigkeit hungern; reines Herzens sein; den Frieden lieben und ihn wie wahre Gotteskinder anstreben; und Verfolgung mit Freude erdulden. Diese Eigenschaften des Erbarmens haben, wenn sie gepflegt werden, ihren gesetzmäßigen, gewissen und dauernden Lohn. Auch ist dies Erbarmen nicht begrenzt in seiner Reichweite und Anwendbarkeit. Wir müssen rein und mitfühlend sein, nicht allein unserer eigenen Familie oder unserm eigenen Volk sondern allen gegenüber, ohne irgend jemand auszulassen.

Jesu Darlegung dieser geistigen Forderungen folgte der Taufe des Johannes und der himmlischen Verkündigung seiner Gottessohnschaft. Und durch Läuterung und unsere eigene Anerkennung der Gotteskindschaft eines jeden Menschen entfaltet sich die heilende Wissenschaft allen, die die Lehren des Wegweisers verstehen und lieben. Es ist die größere Liebe, das Verständnis und das Mitgefühl für die Menschheit, was den Christlichen Wissenschafter kennzeichnet und seine heilende Arbeit wirkungsvoll macht.

Zu Beginn des Kapitels „Die Betätigung der Christlichen Wissenschaft“ in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ betont Mrs. Eddy etwa sechs Seiten lang das Erbarmen, das diejenigen üben müssen, die so heilen möchten wie Jesus. Um diesem Punkt besonderen Nachdruck zu verleihen, nimmt sie aus dem Evangelium eine kurze Erzählung von großer Einfachheit. Die Handelnden sind Jesus, Simon, der Pharisäer, und eine Frau, „die eine Sünderin war“ (Luk. 7:37). Anhand dieser Erzählung lehrt Mrs. Eddy die Lektion der Liebe, die die Widerspiegelung der allmächtigen göttlichen Liebe ist.

Niemand kann diese Seiten lesen, ohne in gewissem Grade die völlige Unwirklichkeit des Bösen zu sehen und seine Machtlosigkeit, den Menschen in Knechtschaft zu halten oder Leben und Glück zu zerstören — ohne etwas vom wirklichen Menschen zu erkennen, wie Gott ihn schuf, und einen geistigeren Ausblick zu erlangen, der hilft, die Bürde des Bösen von der Menschheit abzunehmen. Derjenige, der diese Seiten durchdenkt, kommt dazu, in der Bekundung der widergespiegelten Liebe das Gesetz sowohl wie das Evangelium zu sehen — das praktische Christentum, welches heilt.

Desgleichen betont Mrs. Eddy in Beantwortung der Frage: „Wie muß ich es anfangen, die Christliche Wissenschaft im Heilen der Kranken zu beweisen?“ auf Seite 8 ihres Werkes „Anfangsgründe der Göttlichen Wissenschaft“ die christliche Richtschnur, welcher der wissenschaftliche Ausüber entsprechen muß: Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit, selbstlose Liebe, Sanftmut, geistige Überzeugung.

Solche Eigenschaften führen die Inspiration herbei, die dem Wissenschafter Gottes Offenbarung Seiner selbst bringt, indem sie seine Auffassung von der Christlichen Wissenschaft und damit seine Behandlung emporheben über das bloß Intellektuelle oder Stereotype zu der lebensvollen Vergegenwärtigung der immer vorhandenen heilenden Liebe, die keine Krankheit, keinen Mangel, keine Verdammung, keine Sünde kennt.

Mrs. Eddy faßt die inspirierte Behandlung kurz in folgenden Worte zusammen (ebd., S. 10): „Man muß fühlen und wissen, daß Gott allein den Menschen regiert, daß Seine Regierung harmonisch ist, daß Er zu rein ist, um Übles zu sehen, daß Er Seine Macht mit nichts Bösem oder Materiellem teilt, daß materielle Gesetze nur menschliche Annahmen sind, die die Sterblichen zu unrecht regieren.“ Der Ausüber muß die göttliche Liebe fühlen und kennen.

Der Erbarmungsvolle verläßt sich auf geistige Erleuchtung; der Intellektuelle liebt das Grübeln; der Träge ist mit einer Formel zufrieden. Das Druckknopf-Zeitalter, in dem wir heute leben, würde — wenn wir es zuließen — die erbarmungsvolle Berührung und ihre unmittelbare Frische in der bloß mechanischen Wiederholung von bestimmten Ausdrücken, Schlagworten und gedachten Formeln für uns verloren gehen lassen. Es schlägt einen bestimmten Spruch für jede Schwierigkeit vor. Es arbeitet mit der Theorie, daß eine Formel uns geistige Anstrengung ersparen kann.

Vor langer Zeit ersannen gewisse Religionsvertreter eine Gebetsmühle und büßten durch ihren Gebrauch die Schönheit der Wahrheit ein, die sich im spontanen Gebet entfaltet. Aber die Christliche Wissenschaft lehrt uns, daß das stereotype Gebet ohne die göttliche Eingebung — selbst wenn die Worte wahr sind — kalt, unbeseelt, unwirksam ist. Die erbarmungsvolle Berührung, welche Heilung bringt, kommt nur durch die Erkenntnis der göttlichen Liebe. „Der Mensch setzt sich's wohl vor im Herzen; aber vom Herrn kommt, was die Zunge reden soll“ (Spr. 16:1).

In der Christlichen Wissenschaft gibt es kein Abkürzungsverfahren, das uns die Verantwortung individuellen Nachdenkens und der Erforschung des Herzens erspart. Nach einer Formel fragen gleicht dem Fragen nach einem Zauberwort; es ist, als ob gefragt würde: „Welchen Knopf soll ich drücken?“ Es heißt begrenzen, einengen. Formeln schließen die Inspiration aus.

Die Schwächen des sterblichen Gemüts verstehend, gibt unsere große Führerin Mrs. Eddy im Handbuch Der Mutterkirche eine Satzung zum Schutze des Wissenschafters. Sie lautet auszugsweise (Art. VIII, Abschn. 9): „Kein Mitglied soll beim Unterricht in der Christlichen Wissenschaft oder beim Heilen der Kranken als Hilfsmittel geschriebene Formeln gebrauchen, noch seinen Patienten oder Schülern erlauben, dies zu tun.“

Regelmäßiges und systematisches Studium ist nötig; doch es ist auch notwendig, dem göttlichen Gemüt zu gestatten, das zu entfalten, was uns unter gegebenen Umständen not tut zu wissen — ihm zu erlauben, uns Weisheit, Führung, Mut, genaues Wissen zu verleihen, eben die Inspiration, welche kommt, wenn das Bewußtsein demütig und empfänglich auf die Führung des Gemüts wartet. Der Ausüber findet wahren Schutz für seine Arbeit in der unmittelbaren Eingebung des Göttlichen. Der Irrtum kennt deren Bedeutung nicht und kann ihre Wirksamkeit nicht durchkreuzen.

In demütigem Vertrauen auf Gott als die „lebendige Quelle“ (Jer. 2:13), sieht der erbarmungsvolle Ausüber nicht nur, was in den Gedanken des Patienten ist, das der Berichtigung und Heilung bedarf, sondern er findet auch das richtige Wort, das „zur rechten Zeit“ zu sprechen ist (2. Tim. 4:2) und erfaßt die Gegenwart und Macht des Geistes, die den materiellen Daseinsbegriff zunichte macht.

Laßt uns mit inspiriertem Vertrauen an einem klaren und sich weitenden Gesichtskreis festhalten, mit immer neuen Einblicken in die Allheit der Liebe, und laßt uns der tröstenden Worte unserer Führerin gedenken (Wissenschaft und Gesundheit, S. 323): „Angesichts der unendlichen Aufgaben der Wahrheit halten wir inne — warten auf Gott. Dann dringen wir vorwärts, bis der schrankenlose Gedanke voll Entzücken dahinwandelt, und der unbeschränkte Begriff sich beschwingt, damit er die göttliche Herrlichkeit erreiche.“

Laßt uns aus reinem Beweggrund und voll Vertrauen die Schriften unserer Führerin studieren, damit wir geistig empfänglich sein mögen für die Ideen, die, ausgestattet mit Macht vom Gemüt, zu demjenigen kommen, der bereit ist, sie zu empfangen; denn es sind Ideen, nicht Worte, die da heilen. Laßt uns den heiligen Plan der Liebe fühlen und erkennen und für uns und unsere Arbeit in der Weise beten, wie A. E. Hamilton es ausdrückt, wiedergegeben von Mrs. Eddy in ihrem Aufsatz „Wegzeichen“ (Rückblick und Einblick, S. 95):

„Müht euch um Gottes Kraft
Zu rechtem Trost,
Daß ihr gesegnet seid —
Von Gott bestimmt
Zu einem Sein, dem Mitgefühl geweiht.
Leicht unter Kummers drückendem Gewicht
Ein Herz zerbricht,
Und Tröstende mit Christi sanfter Hand
Braucht jedes Land.“

Dann werden wir das Geheimnis der erbarmungsvollen Berührung besitzen, werden erfolgreich sein in der Kunst des Heilens und so tatsächlich Christi Jesu Gebot erfüllen (Matth. 10:8): „Macht die Kranken gesund, reinigt die Aussätzigen, weckt die Toten auf, treibt die Teufel aus.“

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