Wie ein Röntgenstrahl die Substanz in der Nähe befindlicher fester Körper durchdringt, so dringt auch das menschliche Genie in Gebiete ein, die sich jenseits normaler Einsicht und Fähigkeit befinden, und es enthüllt so Möglichkeiten, die sonst als unerreichbar angesehen wurden. Künstler sehen Farben, die der Laie nicht wahrnimmt. Musiker hören Töne, die der gewöhnliche Zuhörer nicht unterscheiden kann. Geübte Rechner gelangen mit großer Schnelligkeit zu korrekten Summen, die von anderen Menschen nur langsam errechnet werden. Erfinder kommen auf bisher unerforschten Wissensgebieten zu guten Resultaten. Die Menschheit hat dem Genie großer Menschen unermeßlich viel zu verdanken.
Christus Jesus war das größte Genie der Welt. Durch seine geistige Schau und sein geistiges Wirkungsvermögen demonstrierte er ohne Verzögerung durch einen Herstellungsprozeß eine Fülle von Nahrung, wo der Mangel zuvor so wirklich geschienen hatte. An Stelle von mißgestalteten und gebrechlichen Körpern enthüllte er Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Geschlossene Türen konnten seine Bewegungsfreiheit nicht behindern. Wo andere versunken wären, wandelte er auf den Wogen. Die Naturgewalten unterwarfen sich seiner von Gott hergeleiteten Kraft, und das Grab konnte sein Lebenslicht nicht auslöschen. Der Meister verstand die gegenwärtigen geistigen Wirklichkeiten und demonstrierte die ihnen zugrunde liegenden Tatsachen. Und doch nahm er für sich keine besondere Begabung in Anspruch, sondern sagte, daß diejenigen, die seine Lehren verstünden, es ihm gleich tun könnten.
Die Christliche Wissenschaft hat in diesem Zeitalter die Lehren Christi Jesu wiedereingeführt. Daß dies wahr ist, wird durch unwiderlegliche Beweise belegt. Mrs. Eddy wurde durch göttliche Offenbarung, durch ein eingehendes Studium der Bibel und durch Demonstration zur Entdeckung dieser Wissenschaft geführt. Diese inspirierte Frau erkannte, daß die Materie, ob sie nun als Körper, Gegenstände oder als das Universum bezeichnet wird, das Erzeugnis des sterblichen oder materiellen Gemüts ist; daß das geistige Verständnis die Unwirklichkeit der Materie ans Licht bringt, ihre sogenannten Gesetze zunichte macht und bisher nicht erkannte göttliche Wahrheiten enthüllt, die unmittelbar gegenwärtig sind.
Im Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit“ sagt Mrs. Eddy (S. 268): „Die Annahme von einer materiellen Basis, von der alles Vernunftgemäße hergeleitet werden kann, weicht langsam der Idee einer metaphysischen Basis, welche von der Materie ab- und auf das Gemüt hinsieht als auf die Ursache einer jeden Wirkung.“
Mrs. Eddy war ein großer Pionier auf dem Gebiet des metaphysischen Denkens und sagte als Folge ihrer Entdeckung bemerkenswerte Ergebnisse voraus, so im Heilen von Krankheit, in der Kunst, in Erfindungen und Herstellungsverfahren. Seit ihrer inspirierten Entdeckung ist die Welt Zeuge ungezählter, allein durch geistige Mittel bewirkter Heilungen gewesen und hat beispiellose Fortschritte gemacht, die zu schöpferischen und produktiven Errungenschaften geführt haben.
Das Genie, wie es in der Christlichen Wissenschaft verstanden wird, stellt nicht eine außergewöhnliche Veranlagung dar, die nur einigen wenigen Glücklichen zu eigen ist, sondern die unbegrenzte Fähigkeit, die mit göttlicher Natürlichkeit jedem Kind Gottes verliehen worden ist. Zu jedem Anspruch persönlicher Unzulänglichkeit oder Unausführbarkeit, zu jeder Herausforderung materiellen Widerstandes sagt diese Wissenschaft: „Warum sollte die Welt nicht zu weiteren Errungenschaften, zu neuer Schönheit, verbesserten Methoden und größeren Annehmlichkeiten kommen können?“ Infolgedessen zeigen sich auch Fähigkeiten, Verfahren und Mittel, die für die menschliche Erfahrung neu sind, als Beweise der unendlichen Wirklichkeit.
Wohl die wichtigsten Werkzeuge auf dem Gebiet der schöpferischen Künste sind Ideen, die spontan und mit Gewißheit in das Bewußtsein des Entwerfers einströmen, der das schöpferische Gemüt als die Quelle aller völlig guten und unpersönlichen Ideen anerkennt. Diese stellen den Entwurf des Gemüts in Form, Umriß und Farbe dar. Die Ideen des Gemüts besitzen Originalität, Schönheit und Nützlichkeit. Der Entwerfer, der versteht, daß das schöpferische Gemüt dem empfänglichen Denken unaufhörlich Ideen offenbart, spiegelt ununterbrochen eine schöpferische Geisteshaltung wider. Er verabscheut, die Arbeit anderer zu kopieren, und wenn andere seine Arbeit imitieren, so läßt er sich dadurch nicht beunruhigen, da er die unbegrenzte und unfehlbare Quelle einer göttlich inspirierten Idee kennt.
Ein Kunsthandwerker, der die Christliche Wissenschaft versteht, weiß, daß Materialien, mit denn er arbeitet, nur die menschlichen Vorstellungen von der geistigen Substanz darstellen. Daher wird das, was seine Ideen verkörpert oder zum Ausdruck bringt, in zunehmendem Maße von den Annahmen der Begrenzungen der Materie befreit werden. Der Fabrikant, der die Immergegenwart des Gemüts erkennt, das allen Raum erfüllt, wird imstande sein, die benötigten Materialien auf dem schnellsten Wege zu erhalten.
Die Anhänger der Christlichen Wissenschaft wissen, daß gottverliehene Ideen praktisch ausführbar und auf ihre menschlichen Probleme anwendbar sind. So wird ein schwerfälliges materielles Planen und Produktionsverfahren ausgeschaltet und statt dessen erkannt, wie unter der Leitung des Gemüts „eins dem andern Handreichung tut nach dem Werk eines jeglichen Gliedes“ (Eph. 4:16). Der geistig erleuchtete Bühnenkünstler tastet nicht hilflos in dem Dunkel einer Fülle von verwirrenden und unlösbaren Problemen herum, sondern wirkt mit erweitertem Einfallsreichtum und erweiterter Erfindungskraft unter der Herrschaft des Gemüts. Keine Suggestion wie: „Es ist unmöglich, das zu vollbringen“, kann ihn von seiner Zielstrebigkeit abbringen.
William Dana Orcutt schreibt in seinem Buch „Mary Baker Eddy and Her Books“ über die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft und beschreibt die erstaunliche Auffassungsgabe und Tüchtigkeit dieser außergewöhnlichen Frau. Ohne eine formale Ausbildung in den schönen Künsten genossen zu haben, wußte sie intuitiv, ob ein Gegenstand wahrhaft schön war, indem sie mit angeborenem Instinkt die ästhetischen Werte erfaßte, die die wirkliche Kunst ausmachen. „Ist Ihnen nie klar geworden, daß ein Mensch, wenn er Schönheit in sich trägt, Schönheit in jedwedes Unternehmen bringen kann?“, fragte sie ihn bei einer Gelegenheit (S. 45).
Damit das Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft ein der Bibel ähnliches Format erhalten könnte, so daß beide Bücher in angenehmer Weise miteinander studiert werden konnten, überwand Mrs. Eddy ungeheure technische Schwierigkeiten und Probleme in Verbindung mit fehlenden Materialien. Dadurch öffnete sie den Weg für den Druck auf dünnem Bibelpapier in der amerikanischen Buchdruckerei. „Ihr sollte hohe Anerkennung gezollt werden für ihren Beitrag zu der Entwicklung dieser Phase der Buchdruckerkunst“, schreibt Herr Orcutt (S. 68).
Die gröberen Daseinsformen werden in zunehmenden Maße der Anmut weichen, wenn die Christusidee im täglichen Leben angewandt wird. Ein ernster Anhänger der Christlichen Wissenschaft erkennt, wie die Entfaltung der geistigen Schöpfung im menschlichen Denken ihn befähigt, größere Fähigkeiten zu erlangen, und Dinge von unvorstellbarer Schönheit und Nützlichkeit enthüllt.
Jeder Mensch, der seine gottverliehenen Talente annimmt und sich nutzbar macht, ist in Wirklichkeit ein Genie mit einem Bewußtsein von Schönheit, mit einer geistigen Schau weiterer Möglichkeiten und der Gabe, diese zu lebendigen Wirklichkeiten zu machen. Niemals selbstsüchtig, launenhaft oder überreizt und ohne einen Gedanken, sich von der Welt zurückzuziehen, kann er nicht im Schlamm der ausgefahrenen Wagenspuren des Alltäglichen versinken. Auch bleibt er nicht selbstzufrieden am Ufer sitzen, während die Flut der Gelegenheiten zurückströmt, sondern voller Weisheit macht er sich die Gelegenheiten zunutze und drängt vorwärts mit der Einsicht eines Sehers und dem unermüdlichen Forschergeist eines Entdeckers.
Unsere inspirierte Führerin schreibt über das Christus-Prinzip wie folgt (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 149): „Mehr als königlich ist die Majestät der Sanftmut des Christus-Prinzips; und seine Macht sind die immer strömenden Gezeiten der Wahrheit, die sich über das Universum ergießen, es schaffen und regieren; seine strahlenden Schatzkammern des Wissens sind die Geheimnisse des unerschöpflichen Seins. Sucht diese, bis ihr euch ihre Schätze zu eigen gemacht habt.“
