Christus Jesus lehrte bedeutsame Lektionen in einfacher Sprache. Nachdem der Meister von Johannes dem Täufer als einem Propheten gesprochen und gesagt hatte, daß dieser „mehr [sei] denn ein Prophet“ (Matth. 11:9), erklärte er: „Aber von den Tagen Johannes des Täufers bis hieher leidet das Himmelreich Gewalt, und die Gewalt tun, die reißen es an sich. Denn alle Propheten und das Gesetz haben geweissagt bis auf Johannes.“
Der Täufer — der erste, der erklärte, daß das Himmelreich herbeigekommen sei — brachte große Scharen von Sündern zur Reue, doch offensichtlich veranlaßte sie dieselbe Eigenwilligkeit, die sie zur Sünde geführt hatte, jetzt, das Himmelreich mit Gewalt an sich zu reißen. Nicht nur Reue, sondern Umwandlung ist die Forderung des Christus, des göttlichen Ideals Gottes. Nur der Gehorsam gegen das Gesetz und der Geist der Prophezeiung führen zu jener christlichen Denkungsart, die die Menschen für die Erkenntnis von Gottes Reich der Liebe und Wahrheit bereitet.
Jesus mißbilligte die gewaltsamen Bemühungen, das Reich Gottes im Sturm zu erobern. Er wußte, daß der Himmel einen Bewußtseinszustand darstellt, in dem Gott allerhaben herrscht, und daß der zu Gottes Ebenbild geschaffene Mensch das göttliche Wesen vollkommen widerspiegelt. Der Meister schalt seine Generation dafür, daß sie sowohl Johannes wie auch ihn selbst verwarfen, und er tadelte die ungläubigen Städte, in denen er gelehrt und große Werke vollbracht hatte. Er sagte (Vers 25): „Ich preise dich, Vater und Herr Himmels und der Erde, daß du solches den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart.“
Mary Baker Eddy sagt in ihrem Werk „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“ (Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, S. 247): „Christus stellt die über alles herrschende Sanftmut und Wahrheit dar.“ Nicht durch die Gewalt des menschlichen Willens, sondern durch christusgleiche Sanftmut lernen wir mit Hilfe der Christlichen Wissenschaft in das Himmelreich einzutreten und uns der Gesundheit, des Friedens und der Fülle zu erfreuen, die Gott Seinen Söhnen verliehen hat. Materieller Reichtum hilft der Menschheit nicht, das Reich zu finden; gesellschaftliche Überlegenheit stellt keine Hilfe dar; rein menschlicher Scharfsinn kann keinen Zutritt erlangen; die physikalische Besiegung der Materie öffnet keine Tür; die Benutzung zerstörerischer Waffen ist dazu angetan, die Schatten des Materialismus länger werden zu lassen. Doch Sanftmut — die Christlichkeit, die kein Leben außer dem göttlichen anerkennt — führt den Gedanken zur Erkenntnis der Allheit Gottes und der unwiderstehlichen Macht der Wahrheit, die das Böse als unwirklich beweist.
Wir versuchen, das Himmelreich mit Gewalt an uns zu reißen, wenn wir nicht bereit sind, die Schritte zu tun, die aus der Täuschung des materiellen Sinnes herausführen — denn um eine Täuschung handelt es sich. Solche Schritte wie der Gehorsam gegen die Zehn Gebote und gegen das neue Gebot des Meisters, so zu lieben, wie er liebte, können nicht außer acht gelassen werden. Wir können uns nicht plötzlich von einem Glauben an den materiellen Sinn vom Leben zu einem Verständnis von dem geistigen Sinn des Lebens begeben. Statt dessen müssen wir sanftmütig und geduldig unser menschliches Bewußtsein umwandeln, indem wir unseren Charakter läutern und Werke tun, die für unsere Erkenntnis von der Herrschaft des Menschen über die Erde Beweis ablegen. Wir folgen in den Fußstapfen der Propheten, wenn wir ihren rein geistigen Blick für die Wirklichkeit erlangen und die irdischen Begriffe des materiellen Sinnes verschwinden sehen.
Die Benutzung der Willenskraft beim Heilen der Kranken ist ein verwegenes Bemühen, das Himmelreich mit Gewalt an sich zu reißen, denn wahres geistiges Heilen erfordert Umwandlung und das Überwinden des menschlichen Willens. Wenn wir unseren Weg in die höheren Ämter unserer Zweigkirche Christi, Wissenschafter, durch diplomatische Überredungskünste oder persönlichen Magnetismus erzwingen, so bringt uns das keinesfalls weiter auf dem Pfad zur Vollkommenheit, sondern es hindert uns vielmehr. Beim Selbstunterricht in dieser Wissenschaft andere Literatur zu benutzen als die, die im Handbuch Der Mutterkirche von Mrs. Eddy autorisiert wurde, heißt menschlichen Willen ausdrücken und seine Zuflucht zum sterblichen Gemüt nehmen, in dem Versuch, einen kürzeren Weg zum Verständnis zu erzwingen.
Mrs. Eddy sagt in ihrem Buch „Rückblick und Einblick“ (S. 79): „Die Wegzeichen für den Wanderer in der göttlichen Wissenschaft sind Sanftmut, selbstlose Beweggründe und Handlungen, das Abschütteln gelehrter Schönrederei, die Befreiung des Denkens von abgenutzten Lehren, die Läuterung der Neigungen und Wünsche.“ Statt den Himmel zu erstürmen, erstürmt der echte Wissenschafter die vermeintlichen Festungen der Sünde. Überdies weigert er sich, sich auf den Pfad der Apathie und den der Gleichgültigkeit gegenüber den Mitteln treiben zu lassen, die Mrs. Eddy vorgesehen hat und mit deren Hilfe ihre Nachfolger den Weg finden können, der sie am schnellsten aus der sterblichen Lebensauffassung herausführt.
In dem Verhältnis, wie der Christus, die göttliche Wesensart, allmählich einen mäßigenden Einfluß auf das Denken der menschlichen Gesellschaft ausübt, werden die Menschen lernen, wie sie mit dem aggressiven Materialismus und den Drohungen einer zerstörerischen Kriegführung fertig werden können; und ihre Mittel zum Frieden werden Beten und Fasten sein — ein Sich-Enthalten von bösen Annahmen, die von den körperlichen Sinnen dargeboten werden. Durch Gemeinschaft mit dem himmlischen Vater werden sie erkennen, daß Gottes Reich immer gegenwärtig ist, und sie werden es nicht durch Macht oder Gewalt betreten, sondern durch Sanftmut und das liebreiche Wissen, daß die Regierung der Liebe schon jetzt allerhaben ist, daß in der Wissenschaft die Liebe alles in einem Zustand geistiger Vollkommenheit umfangen hält.
Jesus zeigte uns durch sein mächtiges Beispiel, was wir tun müssen, um in den Himmel einzutreten. Durch die Wissenschaft können wir seiner Aufforderung Folge leisten (Matth. 11:29): „Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“
