Die Bereitwilligkeit, seinen eigenen Willen dem Willen Gottes unterzuordnen, ist eine wesentliche Eigenschaft eines wahren Christen und jedes überzeugten Monotheisten. Wenn aber diese Bereitwilligkeit spontan und ohne Vorbehalte sein soll, muß sie sich auf das Verständnis von der allerhabenen Weisheit und Güte Gottes, der göttlichen Liebe, gründen. Diese Eigenschaften, die als Einheit wirken, offenbaren das Wesen des göttlichen Willens, der bestimmt, daß wir in Übereinstimmung mit unserem wahren Sein unserem individuellen, gottgegebenen Daseinszweck dienen sollen, indem wir, ohne uns zu widersetzen, der Leitung der unendlichen Intelligenz und Liebe Gottes folgen und dadurch Seiner Segnungen teilhaftig werden. Wenn wir diese geistige Tatsache erkennen und vertrauensvoll die Verpflichtungen übernehmen, die sie mit sich bringt, werden uns diese Segnungen in unserer Erfahrung unfehlbar zuteil.
Zuweilen werden die Fragen gestellt: „Aber wie soll ich wissen, was der Wille Gottes ist — was Gott von mir verlangt? Spricht Er zu mir und höre ich Seine Stimme?“ Das Leben Mary Baker Eddys stellt eine unmißverständliche Antwort auf diese Fragen dar. Sie lernte schon frühzeitig, auf Gottes leitende Stimme zu lauschen und ihre eigenen Wünsche in echter Demut zurückzustellen. Schon ehe sie die Christliche Wissenschaft entdeckte, gründete sie ihre Einstellung zu Gott — Ehrfurcht, verbunden mit rückhaltlosem Vertrauen — auf die instinktive Überzeugung von Gottes Güte und nach ihrer großen Entdeckung auf das wissenschaftliche Verständnis von dem Wesen des Schöpfers.
Mrs. Eddys Entdeckung der Christlichen Wissenschaft, die Begründung dieser Wissenschaft als eine weltweite Religion durch die Kirche Christi, Wissenschafter, ja ihr ganzes beispielhaftes Leben waren das Ergebnis ihres ständigen Lauschens auf Gottes Stimme, ihrer durch Gebet entfalteten geistigen Fähigkeit, Seine Stimme zu hören, und ihrer Bereitschaft, ihr unbedingten Gehorsam zu leisten. „Seid gewiß, daß es Gott ist, der euren Weg bestimmt, dann beeilt euch, unter allen Umständen zu folgen“, ist der Rat, den sie ihren Nachfolgern gibt (Vermischte Schriften, S. 117). Sie selbst hielt sich ausnahmslos daran.
Der volle Erfolg ihres Lebens zeigt, daß die Erkenntnis von Gottes Willen für die geistig Empfänglichen und Gehorsamen sowohl Leitung wie auch Schutz mit sich bringt. Der Psalmist wußte das, denn er sang (Ps. 119: 105): „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.“ Unsere Führerin schreibt aus ihrer eigenen tiefen Erfahrung, wenn sie uns versichert (Vermischte Schriften, S. 347): „Diejenigen, die keinen andern Willen kennen als den Seinen, fassen Seine Hand, und Er führt sie aus der Nacht zum Licht.“
Gott, Geist, spricht zu einem jeden von uns und hat uns voll und ganz mit der Fähigkeit ausgestattet, Ihn zu hören. Er spricht zu uns in einer Sprache, die ein jeder verstehen kann, gleichviel welche menschliche Sprache der einzelne spricht oder ob er dem materiellen Sinn gemäß überhaupt hören oder sprechen kann. Diese Sprache wird durch den geistigen Sinn verstanden, den Sinn oder die Fähigkeit der Intelligenz, die jedem Kind Gottes zugehört. Das Studium der Christlichen Wissenschaft offenbart uns diesen wahren Sinn — wahr, weil wir durch ihn mit der Wirklichkeit in Verbindung bleiben. Der geistige Sinn ist es, durch den wir zwischen Wahrheit und Unwirklichkeit unterscheiden, geistige Ideen erfassen und nutzbar machen, alles wahrnehmen und schätzen, was schön und edel ist, einschließlich unserer eigenen gottgegebenen Natur und unserer eigenen gottgegebenen Fähigkeiten. Dies ist der Sinn, durch den wir Gott verstehen und gewahren, was Sein Wille ist. Und wenn wir Gott wirklich verstehen, werden wir Ihm freudig gehorchen.
Aber es möchte jemand fragen: „Warum können wir nicht jederzeit Gottes Stimme hören und den göttlichen Willen erkennen?“ Wir können Ihn nicht hören, wenn wir uns von Ihm abwenden. Abgesehen von offenkundigen sündigen Neigungen und der Gedankenlosigkeit unseren natürlichen menschlichen Verpflichtungen gegenüber, gibt es ein Element im sterblichen Denken, das uns gegen die Stimme Gottes taub macht und den göttlichen Willen nicht beachten läßt. Es ist das starke Verlangen, der sterbliche menschliche Wille, ein gestecktes Ziel für uns oder andere zu erreichen ohne Rücksicht auf irgendeinen anderen Faktor in der betreffenden Situation.
Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß hartnäckiger menschlicher Wille ein Merkmal der tierischen Natur und ein Nährboden für den Haß ist; er ist daher vom Übel und zerstörerisch und kann infolgedessen die Ziele des Guten nicht erreichen. Da er wie alle falschen Gelüste und Leidenschaften eine Form von Selbstmesmerismus ist, verschwindet er, wenn wir ihm mit der klaren Erkenntnis widerstehen, daß wir als Gottes geliebte Kinder nur dem göttlichen Willen unterworfen sind und keinen anderen Willen haben können.
Daß diese blinde Triebkraft zuweilen aus einer falschen Auffassung von Gerechtigkeit benutzt wird, um das Ziel, das dem menschlichen Gemüt als gut vorschwebt, um jeden Preis zu erreichen, ändert nichts an der Tatsache, daß eine solche unbeugsame Entschlossenheit mit der Unerschütterlichkeit eines geistigen Standpunktes gar nicht zu vergleichen ist, der sich darauf gründet, daß wir die göttliche Absicht geistig gewahren und frohen Herzens ihrer weisen Leitung folgen. Das menschliche Wirken ist unter einer solchen Leitung standhaft, aber nicht zu einem bestimmten Kurs erstarrt, es ist entschlossen, aber nicht halsstarrig, zielstrebig, aber nicht unbarmherzig, erfolgreich, ohne irgend jemandem zu schaden.
Unter der Leitung des göttlichen Willens zu leben bedeutet der Disziplin zuzustimmen, die sie menschlichen Motiven auferlegt. Dies ist wesentlich für erfolgreiche und glückliche Beziehungen in der Ehe, in Kirchenangelegenheiten und im Geschäftsleben. Die Fähigkeit, unseren eigenen Willen und seine starren Pläne aufzugeben und der Vernunft zum Siege zu verhelfen über die stürmischen Leidenschaften der fleischlichen Natur, wird uns befähigen, Gottes Stimme zu hören und Seinen Willen auszuführen. Wenn wir uns den Gehorsam gegen den göttlichen Willen zur Gewohnheit machen, werden wir vermeiden, daß sich menschliche Empfindungen bis zu dem Punkt steigern, wo es zu einer Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Vertretern des menschlichen Willens kommt, die letzten Endes nichts anderes zur Folge hat als eine höchst vergängliche Befriedigung für den Sieger, Enttäuschung und Verärgerung auf seiten des Besiegten und ein für beide immer noch ungelöstes Problem.
Das Verständnis, das Christus Jesus von dem göttlichen Willen hatte, sowie seine völlige Unterwerfung unter diesen Willen, verliehen ihm nicht nur absolute Herrschaft über die Ansprüche des fleischlichen Gemüts, sondern führten ihn auch unfehlbar zu der Erfüllung seiner gottgegebenen Mission. Selbst während der kritischen Stunden vor der Kreuzigung betete er, daß nicht sein Wille, sondern Gottes Wille geschehe.
Unsere Führerin faßt die Segnungen in der menschlichen Erfahrung zusammen, die uns durch die Offenbarung des göttlichen Willens zuteil werden, wenn wir den menschlichen Willen und die völlig falsche Auffassung vom Selbst, die der Erkenntnis des göttlichen Willens im Wege stehen, aufgeben. Sie schreibt (ebd., S. 185): „Der Wille Gottes oder die Macht des Geistes offenbart sich als Wahrheit und durch Rechtschaffenheit — nicht als Materie oder durch sie — und nimmt der Materie alles Recht auf Ansprüche, Fähigkeiten oder Unfähigkeiten, Schmerzen und Freuden. Das Aufgeben alles dessen, was den sogenannten materiellen Menschen ausmacht, und das Anerkennen und Erlangen seiner geistigen Identität als Kind Gottes ist die Wissenschaft, die geradezu die Schleusen des Himmels öffnet, aus dem das Gute in alle Lebensbereiche hineinströmt; die die Sterblichen von aller Unreinheit reinigt, alles Leiden zerstört und das wahre Bild und Gleichnis erscheinen läßt.“ Daß wir diese Freiheit in der menschlichen Erfahrung erlangen — das ist der göttliche Wille für uns.