Frieden ist der unveränderliche Zustand der Schöpfung Gottes; in der menschlichen Erfahrung handelt es sich dabei um eine geistige Errungenschaft. Wenn der Frieden seinem innersten Wesen nach lediglich die Abwesenheit des Krieges bezeichnete, so würde er mit der Einstellung der Feindseligkeiten automatisch herbeigeführt werden, und der Krieg wäre in seiner Bedeutung auf das Kämpfen mit Waffen beschränkt. Aber der Argwohn, die Furcht, der Haß und Groll, die die tatsächliche Kriegführung verursachen und begleiten, dauern oft auch dann noch an, wenn die Waffen niedergelegt worden sind; und selbst ohne einen äußeren Konflikt mögen diese streitenden und verzehrenden Empfindungen im allgemeinen menschlichen Denken schwelen.
Wahrer Frieden schließt alle stürmischen Empfindungen aus; er ist der geistige Bewußtseinszustand, der den Beweis für die Gegenwart des Christus im menschlichen Bewußtsein darstellt, den Beweis dafür, daß der Mensch Gott, die göttliche Liebe, widerspiegelt, die das Gemüt und die wahre Triebkraft aller ist. Wahrer Frieden ist daher frei von jedem störenden Element und wird durch das Verständnis von der ununterbrochenen Gegenwart und Wirksamkeit der göttlichen Liebe gekennzeichnet, und von nichts anderem.
Unsere Führerin Mary Baker Eddy beschreibt in ihrer Botschaft an Die Mutterkirche für das Jahr 1898 kurz das Wesen des wahren Friedens auf der menschlichen Ebene (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 121): „Dieser Frieden ist geistig, niemals selbstisch, steinern oder ungestüm, sondern wohlwollend, verläßlich, hilfreich und stets gegenwärtig.“
Für den einzelnen besteht der Preis des Friedens darin, daß er das Denken — vornehmlich sein eigenes — von Streitigkeiten und Spannungen, von Eitelkeit und unmäßigem Stolz sowie dem Entflammen von Argwohn, Eifersucht und Furcht frei macht. Wenn wir ungeachtet der Handlungen anderer oder des Drucks äußerer Umstände imstande sind, in wissenschaftlicher Weise daran festzuhalten, daß das Himmelreich tatsächlich inwendig in uns ist, bewahren wir uns unseren eigenen Frieden und helfen auch anderen, ihn zu finden.
Doch der Irrtum hat es darauf abgesehen, uns dazu zu bewegen, bei unserer Verteidigung gegen seine aggressiven Argumente seine eigenen Methoden anzuwenden. Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß der Versuch, Irrtum mit Irrtum zu begegnen, uns nur dazu führen wird, unser eigenes Reich des Friedens inwendig in uns aufzugeben, denn solch eine Reaktion verschärft nur die Spannungen und Streitigkeiten. Sie schwächt unsere Treue gegen den Christus und hindert uns, den Christus zu demonstrieren.
Zu einem Konflikt sind immer zwei nötig. Wenn wir daher unseren scheinbaren Gegner nicht als einen aggressiven, boshaften Sterblichen sehen, sondern als das, was er in Wirklichkeit ist — Gottes vollkommenes Ebenbild und Gleichnis —, und uns weigern, auf die Provokationen, Anschuldigungen und Einschüchterungsversuche des fleischlichen Gemüts in gleicher Weise zu reagieren, so heißt das, den Preis für den Frieden zu zahlen und den Frieden in vollem Maße zu empfangen. Dies kann jedoch nicht geschehen ohne die wissenschaftliche, gewissenhafte Verneinung der sogenannten fleischlichen Natur — unserer eigenen und der anderer — mit ihren falschen Einflüsterungen und Impulsen.
Solch eine Verneinung mag uns einen Kampf kosten; aber wir sollten willens sein, ihn auf uns zu nehmen, denn das ist der Preis des Friedens. Wir zahlen ihn, indem wir getreulich an der liebevollen Zusicherung des Christus, der Wahrheit, festhalten, daß die Einheit des Gemüts die Einheit der ganzen Menschheit in der großen geistigen Brüderschaft der Liebe und Wahrheit ausmacht. Durch die Erkenntnis, daß der Christus, der überall zum menschlichen Bewußtsein spricht, gehört wird und daß seine Gebote befolgt werden, helfen wir den Widerstand und die Feindschaft der falschen sterblichen Natur auflösen. Dann werden wir imstande sein, uns selbst inmitten eines Konfliktes unseren Frieden zu bewahren, angesichts von Leidenschaften und Gegenbeschuldigungen ruhig zu bleiben und die Herausforderungen des tierischen Magnetismus dadurch zu entwaffnen, daß wir Liebe zum Ausdruck bringen.
Wenn auch in dem gegenwärtigen menschlichen Bewußtseinszustand Rüstungen notwendig erscheinen mögen, so ist doch der Preis des Friedens zwischen den Nationen nicht der Preis der Waffenrüstungen, noch ist er identisch mit dem Sieg der Waffen. Geistiger Frieden mit seiner Freude und seiner Freiheit kommt zu Nationen und Völkern nur in dem Verhältnis, wie er von den einzelnen Menschen, aus denen sie sich zusammensetzen, verstanden und geliebt wird. Jeder von uns muß bereit sein, diesen Preis zu zahlen, indem er nationale, rassische und religiöse Vorurteile, Argwohn, die Furcht der Unwissenheit und die aggressiven Suggestionen der Habgier aufgibt. Es ist daher nicht damit getan, es den Staatsmännern und Diplomaten zu überlassen, die Lösung für den Frieden auszuarbeiten — dies ist die Verantwortung eines jeden von uns.
Während des Zweiten Weltkrieges war eine Christliche Wissenschafterin sehr beunruhigt über die Berichte von Grausamkeit und Zerstörung. Menschliches Mitleid — verständlich genug — veranlaßte sie, in einem mentalen Kriegszustand zu leben; sie empfand die mit dem Krieg verbundenen Verdammungen und Befürchtungen und reagierte darauf in derselben Weise. Es dauerte nicht lange, bis sie an einer schmerzhaften Gelenkentzündung erkrankte. Eines Tages erkannte sie dann plötzlich, daß sie — obwohl Tausende von Kilometern vom Kriegsschauplatz entfernt — in gewissem Sinne ein Opfer des Krieges geworden war.
Sie begann über ihr Denken Wache zu halten und jede Spur einer heftigen Reaktion und jegliches Verlangen nach Vergeltung daraus zu entfernen. Das war nicht leicht für sie, doch sie erkannte, daß sie bereit sein mußte, den Preis für den Frieden zu zahlen, wenn sie sich seiner Segnungen erfreuen wollte. Daher verneinte sie beharrlich die böse Auffassung, die sie von dem vermeintlichen Feind beherbergt hatte. Dies tat sie jedoch nicht, indem sie sich einer falschen Sentimentalität hingab oder indem sie das Böse, das für den menschlichen Sinn zu geschehen schien, ignorierte, sondern von der Basis der absoluten Wahrheit über den Menschen, über jeden Menschen überall.
Sie hielt an der Erklärung Christi Jesu fest (Joh. 14:27): „Der Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“ Sie erkannte, daß dieser wahre Frieden das Denken des Meisters niemals verlassen hatte — nicht einmal dann, als er beschuldigt wurde, ein Schwelger und Gotteslästerer zu sein — und daß seine große Gabe an die Menschheit niemals hinweggenommen worden war. Sie hielt an der Tatsache fest, daß sie als das Bild und Gleichnis Gottes in Gottes Gegenwart lebte. Immer wieder erklärte sie voller Verständnis, daß sie sich im Frieden befand. Es dauerte nicht lange, bis alle Symptome eines Konfliktes aus ihrem Denken verschwanden. Bald darauf stellte sich auch die vollständige körperliche Heilung ein.
Mrs. Eddy erklärt den Preis des Friedens deutlich, wenn sie schreibt: „Geistiges Leben und Gesegnetsein sind die einzigen Beweise, an denen wir das wahre Dasein erkennen können und die uns den unaussprechlichen Frieden empfinden lassen, der aus einer allumfassenden, geistigen Liebe kommt“ (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 264). Und in einem Brief an einen Schüler ermahnt sie uns alle mit grundlegender Einfachheit und Direktheit (Miscellany, S. 361): „Folgt den Weisungen Gottes, die uns in der Christlichen Wissenschaft verständlich gemacht werden, und Erwird wird Euch, und sei es auch durch Wüsten, auf die Pfade des Friedens leiten.“
