Gemeinschaft zu pflegen ist immer ein mentales Erlebnis; es ist grundsätzlich subjektiv. Wir haben nur mit solchen Eigenschaften Umgang, die uns verständlich sind oder die wir selbst besitzen. Der ehrliche Mensch bewahrt sich einen klaren Sinn für Rechtschaffenheit, während der Mensch, der unehrlich handelt, sogar beim Unschuldigen ausweichendes Verhalten und Betrug zu sehen glaubt.
Wenn wir den Wert unserer menschlichen Beziehungen erhöhen wollen, müssen wir anfangen, unser Denken zu veredeln. Wir leben im wesentlichen in der Atmosphäre unserer eigenen Mentalität. Wir haben mit Gedanken Umgang, und sie sind es auch, die uns mit gleichgesinnten Menschen verbinden. Unsere Freunde befriedigen uns nicht einfach aus dem Grunde, weil sie blaue Augen haben oder rote Hüte tragen oder schlank oder korpulent sind. Wir fühlen uns durch die mentalen Eigenschaften, die sie widerspiegeln, zu ihnen hingezogen. Sie sind für uns anziehend, weil sie die gleichen Interessen haben wie wir oder weil sie uns anregen oder neue Ideen vermitteln.
In dem Maße, wie sich unser Charakter veredelt, werden wir in nutzbringenderer und verständnisvollerer Weise auf andere Menschen eingehen. Wenn unser Bewußtsein klarer und geistiger wird, werden wir das Interesse derer auf uns lenken, die die von uns bewunderten Eigenschaften ausdrücken.
Mrs. Eddy sagt uns in ihrem Buch „Rückblick und Einblick“ (S. 76): „Die Geistiggesinnten treffen sich auf den Stufen, die zur geistigen Liebe emporführen.“ Das Wort „sich treffen“ weist auf ein gemeinsames Erlebnis hin. Die materiell Gesinnten und die Geistiggesinnten mögen einander begegnen, aber sie haben nicht wirklich gemeinsame Erlebnisse. Jeder hingebungsvolle Mensch versteht und schätzt das geistige Bewußtsein im anderen.
Die Christliche Wissenschaft [Christian Science] führt uns aus dem sterblichen Gemüt heraus und erhebt uns zum göttlichen Bewußtsein. Durch ihre Lehren lernen wir den Christus verstehen, von dem Jesus sprach, als er sagte (Joh. 14:6): „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ Christus, Wahrheit, zieht uns zu Gott hin, weil er uns unsere vollkommene Selbstheit als Gottes Idee zeigt. Die Schöpfung des Gemüts muß das Wesen ihrer Ursache ausdrücken und muß deshalb mental und geistig sein. Es ist in erster Linie das göttliche Gemüt, mit dem wir Gemeinschaft haben. Wenn wir von dieser Grundlage ausgehen, fangen wir mit Harmonie an und entdecken, daß wir befriedigt sind.
Gott ist die Quelle aller Identität, die Voraussetzung jedes wirklichen Daseins. Wenn jemand in der Wüste ein Rinnsal fände, würde er es bis zu seiner Quelle zurückverfolgen, wo das Wasser reichlich und rein hervorquillt. Im menschlichen Leben gibt es Anzeichen für einen Kontakt mit anderen Menschen, aber sie werden rar und trübe, wenn wir nur auf sie blicken, ohne uns ihrer himmlischen Quelle zuzuwenden.
Gott ist das Gemüt, aus dem alle Individualität hervorgeht. Der persönliche Sinn möchte Gemeinschaft auf die Körperlichkeit beschränken. Göttliche Inspiration erhebt Gemeinschaft in das Reich der Ideen, und wir lernen, daß wir in Wirklichkeit der Ausdruck des göttlichen Gemüts sind und daß wir wegen unserer Gedanken, Impulse und Handlungen von ihm abhängig sind.
Eine Christliche Wissenschafterin wohnte einmal einer Tagung bei, auf der ihr die meisten Teilnehmer unbekannt waren. Als man zum Mittagessen auseinanderging, sah sie ein Mitglied ihrer eigenen Kirche, das offensichtlich tief in Gedanken war und das sie deshalb nicht stören wollte. Sie erinnerte sich eines Wortes von Mrs. Eddy (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 117): „Ein persönlicher Beweggrund, dem die Sinne schmeicheln, wird einen wie ein Rohr zurücklassen, ‚das der Wind hin und her weht‘; wenn dagegen einem Führer in der Richtung zu Gott hin geholfen und diesem Führer Zeit und Ruhe gelassen wird, den unendlichen Aufstieg fortzusetzen — die göttliche Ordnung und das göttliche Bewußtsein in der Wissenschaft zu erfassen —‚ dann wird dies unseren eigenen Traum des persönlichen Sinnes brechen, Krankheit heilen und uns zu einem Christlichen Wissenschafter machen.“
Während sie allein zu einem nahegelegenen Restaurant ging, war sie versucht, sich nach Freundschaft mit einem Menschen zu sehnen. Dann erklärte sie still für sich, daß Engel sie begleiteten. Mrs. Eddy definiert „Engel“ als: „Gottes Gedanken, die zum Menschen kommen; geistige Eingebungen, die rein und vollkommen sind; die Inspiration der Güte, Reinheit und Unsterblichkeit, allem Bösen, aller Sinnlichkeit und aller Sterblichkeit entgegenwirkend“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 581). Sie dankte Gott für diese Begleiter.
Als sie am Tisch saß, entfaltete sich ihr plötzlich der vollständige Plan für eine Tätigkeit unter ihrer Leitung. Neue Ideen kamen in rascher Folge und gestalteten ein Vorhaben einfach, das sie für schwierig gehalten hatte. Angenehme persönliche Unterhaltung hätte ihr nichts geben können, was dem Wert dieser Entfaltung vergleichbar gewesen wäre. Und diese Entfaltung war ihr dadurch zuteil geworden, daß sie den persönlichen Sinn zurückwies und auf ihre Gemeinschaft mit göttlichen Ideen Anspruch erhob.
Es ist notwendig, anderen Freiheit zuzugestehen. Ebenso müssen wir unsere eigene Freiheit behaupten. Wir dürfen nicht zulassen, daß das sterbliche Gemüt uns selbst oder anderen durch uns einen menschlichen Willen aufbürdet. Wir brauchen nicht das Werkzeug für die Pläne anderer zu sein. Viele menschliche Unternehmungen sind es zwar wert, ausgeführt zu werden, stellen jedoch nicht wirklich unsere Aufgabe dar. Bevor wir uns bereit erklären, Zeit und Gedanken auf irgendeine Tätigkeit zu verwenden, die von einem anderen vorgeschlagen wird, sollten wir die Motive und wesentlichen Faktoren, die sie umfaßt, sorgfältig abwägen. Wenn unser geistiges Wahrnehmungsvermögen zunimmt, werden wir die Lasten, die uns das sterbliche Gemüt aufbürdet, sei es offen oder verborgen, deutlicher als etwas Unrechtes erkennen.
In erster Linie ergeht die Forderung an uns, Gemeinschaft mit Gott zu halten. Wir suchen Gott zu verstehen, indem wir Sein Wort studieren. Wir müssen auch beten. In unseren menschlichen Beziehungen spielen Briefe eine wichtige Rolle. Aber eine unmittelbare Unterhaltung wird oft schnell klären, was in den Briefen nicht verstanden wurde. Das gilt auch für unsere Bemühungen, Gott zu verstehen. Wir schätzen das geschriebene Wort hoch und erforschen es sorgfältig. Und doch stellen wir fest, daß unmittelbare Gemeinschaft unsere größte Freude und Quelle der Befriedigung ist.
In der Bibel wird uns gesagt (Hiob 22:21 — n. der engl. Bibel): „So mache dich nun mit ihm bekannt und habe Frieden; daraus wird dir Gutes kommen.“ Wir sollten mit Gott bekannt werden. Dann können wir uns selbst einige wichtige Fragen stellen und sie verständnisvoll beantworten: „Wo finden wir innige Gemeinschaft?“ „In Gott.“ „Womit halten wir Gemeinschaft?“ „Mit Ideen.“
Diese Ideen kommen in der Form zu uns, in der wir sie benötigen. Sie können in Gedanken, Büchern oder Personen, durch Lieder, Artikel oder durch unzählige andere Kanäle offenbar werden. Sie können eine neue glückliche menschliche Verbindung mit sich bringen. Die eine Tatsache jedoch ist unwandelbar, daß, wenn wir uns an Gott wenden, die Ideen zu uns kommen, die wir benötigen, und sie kommen in der Form zu uns, die uns am meisten befriedigt.
In dem Lied Nr. 9 aus dem Liederbuch der Christlichen Wissenschaft wird uns mit liebevoller Zuversicht gesagt:
O Herz, das harret sehnsuchtsvoll
Auf Gott in dieser Welt,
Er kennt den Engel, den du brauchst,
Und sendet ihn dir zu,
Daß er dich schützend hält.
