Gegen Ende der Regierungszeit Salomos ist es den Menschen sicherlich klargeworden, daß die unheilvolle Vorhersage Samuels (siehe 1. Sam. 8:18) hinsichtlich der Gefahren und Begrenzungen, die dem menschlichen Königtum häufig innewohnen, nur zu genau gewesen war. Es ist wahr, daß die Monarchie Gelegenheiten genug gehabt hatte, ihren Wert zu zeigen. Selbst Saul hatte trotz seines Eigenwillens und seines launischen und rachsüchtigen Charakters Anlage zur Größe. David und Salomo waren in vieler Hinsicht zweifellos hervorragend, aber das nationale Bild war zu der Zeit, als Salomo starb, wie uns berichtet wird, von Uneinigkeit und Abgötterei befleckt.
Das vereinigte Königreich Israel, von David gegründet und von Salomo zum Status eines Imperiums erhoben, das durch seine weitreichenden Handelsbeziehungen und seinen materiellen Reichtum bekannt war, kam jetzt zu einem jähen Ende. An seine Stelle traten zwei geringere, voneinander getrennte Königreiche, Juda im Süden und Israel — im geographischen Sinne des Wortes — im Norden Palästinas.
Nach Salomos Tod beanspruchte dann sein Sohn Rehabeam das Recht, der Nachfolger seines Vaters zu werden; aber als das Volk bereit war, ihm unter der einen Bedingung zu dienen — daß er nämlich „den harten Dienst und das schwere Joch“, die sein Vater ihnen auferlegt hatte, leichter machte —, verschmähte er deren Bitte und erklärte despotisch: „Mein Vater hat euch mit Peitschen gezüchtigt, ich will eich mit Skorpionen züchtigen“ (1. Kön. 12:4, 11), womit er wahrscheinlich auf höhere Steuern hinwies.
Wie zu erwarten war, antwortete das Volk auf solch eine Starrköpfigkeit mit Rebellion; und während Rehabeam seine Herrschaft zu Jerusalem in Juda ausübte, wurde die nördliche Provinz Israel mit ihren zehn Stämmen von Jerobeam eingenommen, den Salomo einst zu töten getrachtet hatte (siehe 11:40), da er offenbar solch ein verräterisches Vorgehen voraussah.
Diese politische Spaltung zwischen Norden und Süden war die Ursache zu einer noch schwerer wiegenden religiösen Spaltung. Jerobeam errichtete zwei goldene Abbilder in Form von Kälbern, das eine in Dan im Norden und das andere in Bethel im Süden seines Königreichs (siehe 12:28–30), um seine Untertanen daran zu hindern, den Tempel des Herrn in Jerusalem, der Hauptstadt seines Rivalen, zu besuchen, wodurch er sie jedoch zur Abgötterei anhielt.
Im Lichte historischer Präzedenzfälle gesehen sind die Gründe, die den Untergang von Salomos Imperium herbeiführten, leicht erkennbar. Beide, er und auch David, hatten ihre Regierungszeit mit dem festen Vertrauen auf den wahren Gott Israels begonnen, mit dem Vertrauen, daß Er sie in allen ihren Bemühungen unterstütze und führe. David hatte zu Ehren des Gottes Israel einen großen Tempel geplant, und Salomo hatte ihn vollendet. Aber Salomo hatte auch ohne zu zögern den heidnischen Gottheiten, die von seinen fast unzählbaren heidnischen Ehefrauen angebetet wurden, Tempel errichtet.
Davids unselige Vereinigung mit Bathseba hatte bereits zu dem Mangel an Moral beigetragen, der in den ehelichen Affären seines Sohnes angedeutet ist; und diese Zersetzung normalen Familienlebens konnte kaum etwas anderes zur Folge haben, als daß auch die Moral ihrer Untertanen zusammenbrach. Darüber hinaus muß auch die Tatsache, daß Salomo in seinen späteren Jahren zu großes Gewicht auf materielle statt auf geistige Reichtümer legte, zum Zusammenbruch seines stolzen Imperiums geführt haben.
Nach Salomos Hinscheiden wüteten ein halbes Jahrhundert lang Unruhe, Verwirrung und Götzendienst sowohl in Juda als auch in Israel; und in dieser Zeit lesen wir den bedeutsamen Hinweis, daß Herrscher über Herrscher „tat, was dem Herrn mißfiel“ (15:26, 34; 16:30).
Eine geistigere Führerschaft und Führung waren erforderlich, und sie begann auch bald mit dem Kommen Elias, einem der hervorragendsten Propheten des Alten Testaments.
