Der Apostel Johannes war der Existenz Gottes so sicher, daß er mit absoluter Überzeugung schrieb: „Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott.“ 1. Joh. 4:16;
Wenn Gott unendlich ist, dann ist Gottes zärtliche Liebe ganz gewiß unendlich gegenwärtig und bekundet ewiglich auf unendliche Weise die Liebe, die Gott ist. Ferner ist Gott in der Christlichen Wissenschaft als göttliches Prinzip bekannt, als die ursprüngliche Quelle, die Grundlage allen Gesetzes und aller Substanz.
Prinzip muß daher Liebe bedeuten. Und die alles durchdringende Liebe, die in und von Gott ist, ist auch ein Beweis für die Wahrheit, denn Gottes Liebe ist unendlich wirklich und in alle Ewigkeit die Kundwerdung Seines Wesens. Diese Ausführungen über das Thema „Liebe in der Kirche“ werden sich hauptsächlich auf folgende drei Synonyme für Gott beziehen: Liebe, Prinzip, Wahrheit.
In Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy, der Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, finden wir die Definition von „Kirche“. Sie lautet zum Teil: „Der Bau der Wahrheit und Liebe; alles, was auf dem göttlichen Prinzip beruht und von ihm ausgeht.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 583; Die Unendlichkeit der Schöpfung, sei es nun in bezug auf ihre Ordnung oder auf ihre Unermeßlichkeit, schließt die geistige Idee Kirche ein. Und Kirche existiert, weil Gott existiert! Diese Erklärung weist alles zurecht, was die Existenz von Kirche leugnet oder bezweifelt.
Indem Mrs. Eddy mit ihrer Definition von Kirche in deren relativem Sinn fortfährt, sagt sie: „Die Kirche ist diejenige Einrichtung, die den Beweis ihrer Nützlichkeit erbringt und die das Menschengeschlecht hebt, das schlafende Verständnis aus materiellen Annahmen zum Erfassen geistiger Ideen und zur Demonstration der göttlichen Wissenschaft erweckt und dadurch Teufel oder Irrtum austreibt und die Kranken heilt.“
Die Mutterkirche, Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, in Boston, Massachusetts, entspricht dieser Definition. Sie hat ihre Bedeutung, ihren Zweck, ihre bestimmte Form und Funktion; sie steht zu allem, was Gott schafft, in Beziehung. Wie ermutigend und inspirierend ist es doch, zu sehen, daß Kirche wichtiger ist als materielle Persönlichkeiten und menschliche Meinungen! Jeder widerstreitende Begriff, jede eigenwillige Auffassung von Kirche verblaßt zu völliger Bedeutungslosigkeit, wenn wir uns die Erhabenheit der Kirche vergegenwärtigen, die sich von der Grundlage des göttlichen Prinzips aus entfaltet und die Idee der Wahrheit, der Ausdruck der Liebe ist.
Es ist die Aufgabe der Kirche, die Einheit aller Ideen Gottes, die sich miteinander der Herrlichkeit Gottes freuen, zu offenbaren. Dies ist die Einheit, die „auf dem göttlichen Prinzip beruht und von ihm ausgeht“. Menschlich gesehen ist es der Zweck der Kirche, das Denken zu praktischer, heilender, erlösender Tätigkeit aufzurütteln. In diesem Zustand des Erwachtseins lieben wir unsere Einheit mit Gott und teilen sie mehr und mehr mit der Menschheit. Diese aufrüttelnde, erhebende, heilende Tätigkeit treibt alles aus, was uns von Gott und von unserer liebevollen Einmütigkeit trennen möchte. Dies ist in einem der biblischen Berichte von der Verkündung der Geburt des Jesuskindes wunderschön ausgedrückt: „Alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“ Luk. 2:13, 14;
Alle Streitigkeiten in den Kirchen, aller Mangel an Bereitwilligkeit, freimütig zu geben oder zum Wohl der Kirche zu arbeiten und Opfer zu bringen, müssen auf der Auffassung beruhen, daß der Mensch materiell sei und daß die Kirche materiell sei. Diese irrige Auffassung möchte den Menschen von Gott und ebenso von der Kirche trennen. Das trennende Argument ist auf eine Annahme der Zweiheit gegründet, auf zwei Arten von Menschen, zwei Arten von Kirche. Das ist nicht gut, und es bringt keine guten Resultate.
Wie können wir etwas dagegen unternehmen? Wenn die ganze menschliche Erfahrung durch den materiellen Sinn betrachtet wird, scheint sie auf eine Trennung von der Gegenwart Gottes hinzudeuten. Und doch bewies Christus Jesus, daß das Verständnis von Gott als der einzigen wirklichen Gegenwart und Macht das menschliche Bild veränderte: an die Stelle von Krankheit, Sittenlosigkeit, Mangel und von tiefeingewurzelten Charakterfehlern traten Gesundheit, Reinheit, reiche Fülle, und der Charakter wurde umgewandelt, gestärkt und veredelt. Außerdem erkennt erfreulicherweise fast jeder in der Wissenschaft der Zahlen an, wie unnatürlich — ja tatsächlich unwirklich — ein Fehler ist; er wendet sich den mathematischen Regeln zu, die er als Gesetze anerkennt, und berichtigt den Fehler.
Sowohl die Gegenwart Gottes wie die Wissenschaft der Zahlen sind für das menschliche Auge unsichtbar. Warum sollte es natürlich erscheinen, der Existenz und Anwendbarkeit der Wissenschaft der Zahlen sicher zu sein, aber nicht der Existenz und Gegenwart Gottes? Es besteht in der Tat Grund dafür, an das Zusammentreffen des Menschlichen und Göttlichen zugunsten einer Heilung zu glauben, und geistiges Verständnis bringt diese Tatsache ans Licht.
Warum sollten wir zögern, uns zur Lösung unserer Probleme an geistige Regeln und Gesetze zu wenden? Bei der Beantwortung dieser Frage könnte man vielleicht darauf hinweisen, daß menschlicher Widerstand gegen geistiges Vertrauen von jeher eine alte und betrübliche Geschichte ist.
Es ist eine historische Tatsache, daß Kirchenmitglieder oft nicht die Majestät der Kirche zu erkennen vermochten und versäumt haben, ihre Kirchen gegen die Irrtümer zu verteidigen, die stets so leicht zu vertreiben sind. Leicht? Ja leicht! Alle Konflikte in den Kirchen, alle Kirchenprobleme sind auf die sterbliche Persönlichkeit beschränkt, auf den Zusammenprall menschlicher Willensäußerungen, auf den Mangel an geistiger Entschlossenheit, den Gedanken bewußt auf die Gegenwart der göttlichen Liebe gerichtet zu halten. Probleme in den Kirchen erscheinen schwierig, weil die Mitglieder manchmal zögern, wie die Kinder der göttlichen Liebe zu denken und zu leben.
Bedeutet das, daß wir unsere Kirchenprobleme ignorieren sollten? Weit davon entfernt. Aber es bedeutet, daß wir jedes Problem mit der Wahrheit darüber lösen müssen, geradeso wie wir unsere Rechenaufgaben lösen. Was wir mit einem Problem tun, ist wichtig. Und das, was wir tun, zählt dann am meisten, wenn es schwer zu sein scheint! Von der Überzeugung aus zu denken und zu handeln, daß wir uns in Gottes Gegenwart befinden, mag große Selbstdisziplin erfordern, aber es bringt den größten Lohn.
Beim Lösen einer Rechenaufgabe nehmen wir eine unpersönliche Haltung ein und sind im großen und ganzen wenig beeindruckt von dem Problem — wie es dazu kam, was es so schwierig macht, wie wir es so sorglos akzeptieren konnten und so weiter. Das einzige, was uns ernstlich beschäftigt, ist, die Rechenregeln sorgfältiger und genauer auf das Problem anzuwenden. Bei einem Kirchenproblem mag der grundlegende Faktor in den Menschen oder in Geld zu bestehen scheinen oder in der Frage, wie etwas zu machen ist, was zu kaufen ist, was wir gern möchten im Gegensatz zu dem, was sie möchten, und wie sie handeln. Es macht in Wirklichkeit nichts aus, ob wir recht und sie unrecht haben oder ob das Unrecht gleichmäßig verteilt ist. Worauf es wirklich ankommt, ist, wie wir als Kinder der göttlichen Liebe angesichts des Problems denken und handeln.
In unserer Einheit mit Gott finden wir die einzig richtige Grundlage für unsere Einheit miteinander. Die Lösung für jedes Kirchenproblem besteht darin, unseren Platz in der göttlichen Liebe zu finden und von uns selbst zu verlangen, daß wir verstehen, daß die Wahrheit über uns auch die Wahrheit über jedes einzelne Mitglied der Kirche ist. Dann können wir im Umgang mit den anderen Mitgliedern brüderlich und mit einem Herzen voller Liebe sagen, was wir sagen müssen. Gewöhnlich ist es weise, innezuhalten und zu schweigen, es sei denn, wir können reden und handeln mit der sittlichen Kraft liebevoller Freundlichkeit und mit liebevollen Gedanken über unseren Nächsten.
In der Kirche finden wir den Zement der Einheit, der so wichtig ist für die gemeinsame Demonstration der Liebe Gottes. Diese Worte sind nicht bloße Theorie; ich schreibe aus Erfahrung. Ich wurde einmal durch ein Kirchenproblem unermeßlich gesegnet, als ich in einem großen inneren Kampf siegreich blieb, und ich habe mich seither freudiger und schneller der rechten Art, ein Problem zu lösen, zugewandt.
Die unwiderstehliche Logik einiger Erklärungen des Apostels Paulus in dem Brief an die Galater wurden mir zu einer Regel, der ich mich seit jener Zeit nicht mehr habe entziehen können. Die Erklärungen lauten: „Das ganze Gesetz ist in einem Wort erfüllt, in dem: ‚Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.‘ Wenn ihr euch aber untereinander beißet und fresset, so sehet zu, daß ihr nicht voneinander verzehrt werdet.“ Gal. 5:14, 15;
Vor einer Reihe von Jahren mußte ich lernen, meine Überzeugung von dem liebevollen Wesen des Kirchenmitgliedes, meines Bruders, des Kindes der göttlichen Liebe, zu verteidigen, wie eine Bärin ihre Jungen verteidigt. Es bedarf der Bereitwilligkeit und Entschlossenheit, für die wahre Idee von uns selbst und unserem Mitmenschen zu kämpfen.
Doch in diesem Kampf verteidigen wir alles, was die Kirche ausmacht. In der Liebe zur Kirche finden wir unsere Liebe zueinander und unsere Bereitschaft, Geduld miteinander zu haben. Wir wenden unser Denken von den persönlichen Eigenarten ab, die die Menschen an den Tag legen, und lieben das wahre Ziel unserer Bemühungen, nämlich einen besseren Beweis von der Gegenwart von Kirche, dem „Bau der Wahrheit und Liebe“, zu erbringen.
Bei dem oben erwähnten Problem hatte ich einen wichtigen Auftrag auszuführen, über den es viele unterschiedliche Meinungen gab. Es bestanden viele entschiedene Auffassungen darüber, wie diese Angelegenheit gehandhabt werden sollte, und auch über meine Fähigkeit, die Arbeit durchzuführen.
Das einzige, was ich anfänglich zu tun wußte, war, mich von den widerstreitenden persönlichen Meinungen abzukehren und dem Christus, der Wahrheit, zuzuwenden. Es wurde mir bald klar, daß die Art und Weise, die mir anvertraute Aufgabe durchzuführen, der Forderung dessen entsprechen mußte, was „auf dem göttlichen Prinzip beruht und von ihm ausgeht“. Vor allem mußte ich lieben. Aber die Frage blieb bestehen: „Wie kann ich diese Menschen lieben?“
Bald begann ich einzusehen, daß meine Aufgabe darin bestand, zu lieben, was die göttliche Liebe, das unendliche Prinzip, geschaffen hatte. Es schien wichtig, mehr über das Wort „Bau“ zu erfahren, und ich zog verschiedene Wörterbücher zu Rate. Eine Definition war typisch: „Die Wechselbeziehung von Teilen, die von dem allgemeinen Charakter des Ganzen beherrscht werden.“ Ich erkannte, daß „der Bau der Wahrheit und Liebe“ von Wahrheit und Liebe beherrscht und überwacht wird und das Wesen von Wahrheit und Liebe bekundet.
Das sanfte Wesen jedes einzelnen, das der Wahrheit und Liebe zugehört und von ihr beherrscht wird, war nun leicht zu erkennen, wenn ich an die Mitglieder dachte oder wenn wir zusammen waren. Ich sah, daß, ebenso wie die Sonne auf alles scheint, was von ihrem Licht erreicht wird, auch ich meine Liebe zu Gott und Seiner Kirche auf jeden scheinen lassen konnte, mit dem ich zu tun hatte. Der Gedanke an die Menschen und wie sie handelten verschwand und schüchterte mich nicht mehr ein; statt dessen beherrschte die Liebe zu dem, was Gott erschafft, mein Denken.
Ich erkannte klar jeden Schritt, den ich in Erfüllung meiner Aufgaben tun mußte, und er wurde von den Mitgliedern brüderlich und bereitwillig akzeptiert. Wir fanden eine neue Verbundenheit in der Erfüllung unserer Pläne, und die persönlichen Unstimmigkeiten gehörten der Vergangenheit an. Wir freuten uns der Einheit in der Liebe, und wir trugen alle dazu bei und verteidigten sie, anstatt unsere widerstreitenden Standpunkte zu verteidigen. Kirche bedeutete mehr für uns als je zuvor, und wir demonstrierten die Tatsache, daß wir wahrlich auf dem göttlichen Prinzip beruhten und von ihm ausgingen, um noch einmal Mrs. Eddys Definition von Kirche anzuwenden. Mit anderen Worten, wir demonstrierten alle unseren Platz in der Kirche, und die Wahrheit über das, was Kirche ist, beherrschte unser gemeinsames Vorgehen in der Einrichtung, die sie veranschaulicht.
Liebe in der Kirche ist die unvermeidliche und unwiderstehliche Folge der Tatsache, daß die Kirche der göttlichen Liebe zugehört. Die Kirche ist das vereinte Wirken, das das Wohlwollen, die Herzensgüte, den moralischen Mut, das Aufrütteln, das Heilen und die Erlösung der Menschheit mit größerem Nachdruck vorantreibt, als es dem einzelnen möglich wäre.
Wir schließen uns der Kirche an, um zu geben. Mit dem Beginn der Mitgliedschaft hören wir auf, für uns selbst zu leben, und wir fangen an, für die ganze Menschheit zu leben.
Ebenso wie wir die Sonne an dem Licht und der Kraft erkennen, die sie aussendet, und wie wir eine Quelle an dem Wasser erkennen, das sich aus ihr ergießt, so erkennen wir eine Kirche an der Liebe, die sie ausströmt. Jede Phase der Kirchenarbeit hat einen bleibenden Zweck: zu geben — etwas zu geben, was bereits in diesem Augenblick die Erkenntnis der Gegenwart, Macht und Güte der Wahrheit und Liebe, des göttlichen Prinzips, vermehrt.
Die Kirche fordert Liebe und Einmütigkeit von ihren Mitgliedern, denn nichts Geringeres drückt Wahrheit und Liebe aus; nichts Geringeres kann aus dem göttlichen Prinzip, das Gott ist, hervorgehen. Mrs. Eddy bringt in einem Abschnitt ihres Buches Pulpit and Press wunderbar und voll Zartheit zum Ausdruck, was Liebe in der Kirche bedeutet. Der Abschnitt beginnt mit den Worten: „Die Christlichen Wissenschafter, ihre Kinder und Enkelkinder bis in die jüngsten Generationen lieben einander unvermeidlich mit der Liebe, mit der uns Christus liebt; mit einer selbstlosen, anspruchslosen, unparteiischen, universalen Liebe, die nur liebt, weil sie Liebe ist.“ Pul. S. 21.