Solange wir sehen, hören und fühlen, schmecken und riechen, sind wir uns der materiellen Welt bewußt, sind von ihr beeindruckt und halten uns selbst für einen Teil davon. Wir können auch nicht umhin, uns der Befürchtungen und Hoffnungen bewußt zu sein, die das Denken der Welt an die Materie gefesselt halten, wir können nicht umhin, physische Bewegung fälschlicherweise als Leben und sogenannte biochemische Vorgänge als die Quelle der Intelligenz anzusehen. Die ganzen Sinnesbeobachtungen, die allgemein blindlings akzeptiert werden, lassen es natürlich erscheinen, den Glauben der Menschheit an eine allumfassende materielle Wirklichkeit zu teilen.
Von dieser materiellen Auffassung von Leben und Ursächlichkeit rührt der Schluß her, daß jeder Körper sein eigenes Gemüt enthält, dessen Eigenschaften und Fähigkeiten weitgehend von der Gestalt und dem Funktionieren seines fleischlichen Gehäuses abhängen. Die Menschen halten an dieser Auffassung fest und versuchen die Macht zu lenken, die sie dem Materie-Körper zuschreiben, nämlich die Macht, als Ursache zu handeln und als Wirkung zu reagieren. Wer mit dieser allgemeinen Auffassung nicht übereinstimmt, wird unvernünftig, unpraktisch, ja sogar ein Phantast genannt.
Im Gegensatz zu dieser Einstellung akzeptiert die Christliche Wissenschaft das bloße Sinnenzeugnis nicht als wirklich vernünftig. Sie vertritt vielmehr die Ansicht, daß nur eine Beweisführung, die von bloßen Sinneseindrücken unabhängig ist, zu absolut wahren Schlüssen führen kann, die nicht rein theoretische, abstrakte Begriffe, sondern Wirklichkeiten sind, die einer praktischen Prüfung unterzogen werden können.
Richtiges Folgern in bezug auf das Wesen des Lebens kann in der Christlichen Wissenschaft mit der Anerkennung der einfachen Tatsache beginnen, daß eine Maschine sich wohl bewegt, aber nicht lebt, denn sie hat kein Bewußtsein. Da der Mensch ein bewußtes oder lebendiges Wesen ist, besteht der Beweis des Lebens nicht in einer materiellen Bewegung, sondern im Bewußtsein, das heißt in der Fähigkeit der Intelligenz. Bewußtsein ist geistig; daher kann es nicht in einem materiellen Gehäuse eingeschlossen sein, noch kann es darin seinen Ursprung haben. Der Mensch kann keine Intelligenz erzeugen, noch kann er sie in seinem Körper haben, und doch drückt er sie aus! Woher stammt also die Intelligenz?
Da Intelligenz, ebenso wie Wahrheit, geistig und universal ist, kann sie ihren Ursprung nicht in einer örtlich begrenzten Quelle haben. Das allumfassende, unwandelbare Wesen der Wahrheit und die allumfassende, obwohl unsichtbare gegenwärtige Fähigkeit, sie zu erkennen, weisen auf die unendliche, zeitlose Natur ihrer Quelle hin, die in der Christlichen Wissenschaft göttliches Gemüt, Geist, genannt wird. Sie ist das eine unendliche Bewußtsein, das das Leben oder die Seele von allem ist. Sie ist Geist, Gott, allwissend, ewig, allgegenwärtig. Sie ist Wahrheit, und ihr Ausdruck ist geistige Wirklichkeit.
Da Gemüt, Gott, die unendliche Quelle und der beständige Spender von Leben, Intelligenz und Wahrheit ist, ist Er göttliche Liebe, das Prinzip oder der Urquell aller Wirklichkeit. Der Apostel Paulus unterscheidet zwischen dem Materiellen — dem Sichtbaren, aber Unwirklichen — und dem Geistigen — dem Unsichtbaren, aber Wirklichen —, wenn er schreibt: „Wir ... sehen [nicht] auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.“ 2. Kor. 4:18;
Hier mag der Neuling in der Christlichen Wissenschaft fragen: Wenn Leben und Intelligenz nicht in der Materie sind, sind sie dann vom Körper unabhängig? Was ist aber dann der materielle Körper, was ist seine Gesundheit und Krankheit, was formt den Charakter eines Menschen, was macht den einen in hohem Maße fähig und den anderen unintelligent?
Wenn auch die Antwort, die die Christliche Wissenschaft darauf gibt, den auf die Materie gegründeten Annahmen und Theorien genau entgegengesetzt ist, wird sie doch mit der klaren Logik wissenschaftlichen Verständnisses und von der Grundlage eines Jahrhunderts praktischer Beweise aus gegeben. Sie legt dar, daß Krankheit, obwohl sie am Körper in Erscheinung tritt, kein Erzeugnis des Körpers ist. Auch der menschliche Charakter und die menschlichen Fähigkeiten sind dies nicht.
Die Christliche Wissenschaft enthüllt und beweist, daß der physische Körper tatsächlich der äußere Ausdruck des sterblichen Begriffs vom Menschen ist, und so erscheint er dem, der diesen Begriff hegt, als Wirklichkeit. Da der Körper nur ein Phänomen des sterblichen Gemüts ist, besitzt er keine eigene Entschlußkraft; er reagiert nur auf die wechselnden Annahmen des sterblichen Gemüts, und er tut dies in einem solchen Ausmaß, daß man diese Annahmen teilt. In ähnlicher Weise sind die mentalen Fähigkeiten eines Sterblichen nur durch seine eigenen Annahmen in bezug auf sein intellektuelles Rüstzeug begrenzt.
Unsere Führerin, Mary Baker Eddy, schreibt: „Weil der sogenannte materielle Körper ein mentaler Begriff ist und vom sterblichen Gemüt regiert wird, offenbart er nur das, was dieses sogenannte Gemüt ausdrückt.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 376; An anderer Stelle gibt sie das Heilmittel an: „Wenn die Sterblichen über das sterbliche Gemüt recht Wache halten wollten, dann würde die Brut des Bösen, die es quält, ausgetrieben werden. Wir müssen mit diesem sogenannten Gemüt den Anfang machen und Sünde und Krankheit daraus entfernen, sonst werden Sünde und Krankheit niemals aufhören.“ S. 234;
Logischerweise besteht daher das Heilmittel für Krankheit, mentale Begrenzungen und moralische Unzulänglichkeiten darin, den Glauben an ihre Wirklichkeit durch das Verständnis von dem Christus aus dem Bewußtsein der Sterblichen auszutreiben. Mrs. Eddy lehrt: „Das christusgleiche Verständnis vom wissenschaftlichen Sein und vom göttlichen Heilen umfaßt als Grundlage des Gedankens und der Demonstration ein vollkommenes Prinzip und eine vollkommene Idee einen — vollkommenen Gott und einen vollkommenen Menschen.“ S. 259;
Durch das Verständnis von der Wissenschaft des Christus sind wir nicht länger dem falschen Glauben an die Wirklichkeit lebendiger, intelligenter Materie dienstbar, und dies nimmt die verschiedenen Begrenzungen hinweg, die diese Illusionen für die menschliche Erfahrung als ein Gesetz aufzustellen beanspruchen. Dies ist das Verständnis, das die Christliche Wissenschaft denjenigen verleihen kann, die willens sind, ihre Netze des materialistischen Denkens zu verlassen, durch die sie in der Knechtschaft der Drohungen und Versprechungen der Materie gefangengehalten wurden.
Während wir studieren und beten müssen, um die Grundwahrheiten dieser Wissenschaft wirklich zu erfassen, war es für Christus Jesus ganz natürlich, sie völlig zu verstehen. Der Christus war sein Charakter, seine göttliche Natur, die Gottseligkeit, die ihn inspirierte. Er war daher unabhängig von der Materie und ihren bösen Ansprüchen und konnte anderen helfen, davon frei zu werden. Wenn sein Denken einen Menschen erreichte, wurde dessen Bewußtsein augenblicklich im reinen Licht des Christus, der Wahrheit, gebadet, und er wurde sich seiner eigenen gottgegebenen Vollkommenheit klar bewußt. Dies bewirkte, daß die irrige Annahme augenblicklich aus seinem Denken und die physischen Symptome — oder das Echo des Irrtums — aus seinem Körper verschwanden.
Jesus erklärte selbst, daß es seine Absicht war, andere die Wahrheit des Seins zu lehren, so daß sie sie beweisen und so der Menschheit den Weg der Erlösung von dem versklavenden Glauben an das Böse freilegen könnten. Die Christliche Wissenschaft, die Offenbarung und das Werk Mrs. Eddys, ist die Neufassung der Lehren des Meisters in ihrer ursprünglichen Reinheit, in ihrer vollen wissenschaftlichen Kraft und praktischen Wirksamkeit, jedoch in den Worten des zwanzigsten Jahrhunderts. Wirklich an Christus Jesus zu „glauben“ heißt seine Lehren zu verstehen und sie zu leben, indem wir inspiriert und eifrig den Lebensregeln folgen, die er für uns in der Bergpredigt zusammengefaßt hat. Dies wiederum erfordert nicht bloßes intellektuelles Verständnis, sondern ein aufrichtiges, intelligentes Vertrauen darauf, daß der Meister genau das gemeint hat, was er sagte, als er uns verhieß: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue.“ Job. 14:12.
