Nach menschlicher Ansicht besteht Gehorsam streng genommen darin, einer Forderung zu entsprechen, und in diesem Zusammenhang bedeutet er Unterwerfung unter den Willen eines anderen. Dies schließt die freie Betätigung der Initiative des einzelnen aus, und er kann seinen persönlichen Neigungen nicht nachgehen, die durch seinen eigenen Geschmack, sein eigenes Urteil und durch seine besondere Vorliebe bestimmt werden. Dieser Gehorsam hat daher wenig mit der Betätigung der Intelligenz gemein, die normalerweise die Entscheidungen und Handlungen des einzelnen regieren sollte.
Von klein auf wird ein Kind gelehrt zu gehorchen; es wird ihm gesagt, daß Gehorsam eine Tugend sei. Aber diese Unterweisung ist nicht oft genug mit dem verständnisvollen Bemühen verbunden, dem Kind den Gedanken einzuschärfen, daß es lernen muß, so schnell wie möglich festzustellen, welcher Art das ist, was seinen Gehorsam fordert, daß es lernen muß, zwischen den unendlich gütigen Gesetzen Gottes und den tyrannischen Einflüsterungen und dem knechtenden Zwang der Materie oder des fleischlichen Gemüts zu unterscheiden. Nicht blinder Gehorsam gegen eine Anordung, sondern das wissenschaftliche Vertrauen auf deren wohlwollende Ursache macht den Gehorsam des Kindes zu einem Akt der Intelligenz, zu einer Tugend, die es segnen wird.
Die Fähigkeit, zwischen der Stimme des göttlichen Gemüts und dem Drängen des persönlichen Sinnes zu unterscheiden, erlangen wir durch das geistige Verständnis von der göttlichen Liebe und von uns selbst als dem Ausdruck von Gottes schöpferischer, erhaltender Intelligenz. Ohne dieses Verständnis kann Gehorsam leicht zu einer bloßen Unterwerfung unter die Forderungen des sterblichen Gemüts werden.
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