Glauben Sie, vom Leben enttäuscht worden zu sein, weil niemand da ist, der Sie versteht und schätzt, niemand, der sich um Sie kümmert — weil in Ihrem großen Bekanntenkreis niemand den Wunsch nach engerer Freundschaft mit Ihnen durchblicken ließ? Interessanterweise schließen diese Klagen oft die Bemerkung ein, daß der Betreffende selbst niemals jemanden gefunden habe, der in ihm den Wunsch nach der Freundschaft eines anderen geweckt hätte.
Das menschliche Leben kann ziemlich trostlos und unbefriedigend werden, wenn in ihm der menschliche Umgang fehlt, der die natürliche Folge davon ist, daß man die Empfindungen und Ansichten eines anderen in gewissem Grade teilt. Solch eine innere Verwandtschaft kann die Genugtuung gegenseitigen Vertrauens, herzlichen Interesses und der Freundschaft in unser Leben bringen.
Doch warum sollte es uns je an dieser Befriedigung fehlen? Sicherlich ist es beglückend zu empfinden, daß andere uns schätzen und lieben, doch ist es nicht ebenso befriedigend, Freunde zu haben, die wir wirklich schätzen und lieben? Was kann dann der Entwicklung echter Kameradschaft und der Freude an ihr im Wege stehen?
Wer sich darüber beschwert, daß er allein sei, und den Grund dafür nicht weiß, sollte sich einige treffende Fragen stellen. Die eine lautet: Schätze ich selbst meine Mitmenschen und liebe ich sie wirklich, oder erwarte ich lediglich, mich in ihrer Liebe zu sonnen? Erkenne ich mit der uneingeschränkten Spontaneität der Intelligenz der Liebe die guten Eigenschaften an, die einen anderen anziehend und liebenswert machen? Oder bin ich nur dann bereit, zuzugeben und auch freudig zum Ausdruck zu bringen, daß ich den Charakter eines anderen schätze, wenn er meinen zu würdigen weiß? Kurz, warte ich damit, das Gute, das ich in einem anderen sehe, sogar auch nur mir selbst gegenüber einzugestehen, bis mein Ausdruck desselben nur eine dürftige Erwiderung, ein bloßes schwaches Echo auf die spontane Hochherzigkeit seiner Einstellung mir gegenüber wird?
Ein ehrliches Studium der Christlichen WissenschaftChristian Science; sprich: kr’istjən s’aiəns. wird zu einer solchen Selbstprüfung anspornen. Auf diese Weise lernen wir verstehen, daß das geistige Erkennen des wahren Guten, wo immer es zu finden ist, eine Fähigkeit ist, die wir alle besitzen, denn sie ist ein Teil unserer Widerspiegelung des unendlichen Gemüts, der göttlichen Liebe. Unsere Bereitschaft, das Gute, das ein anderer ausdrückt, uns selbst gegenüber einzugestehen, und unsere Willigkeit, zu zeigen, daß wir es anerkennen, ist ein Zeichen dafür, daß wir die wissenschaftliche Tatsache über das Wesen des Menschen — über unser eigenes und das anderer — als der Widerspiegelung Gottes akzeptiert haben. Durch diese Haltung haben wir selbst Anteil an den vielfältigen Segnungen der Liebe in unserem täglichen Leben. Doch die Initiative zur Beibehaltung einer solchen Einstellung liegt bei uns.
Wenn wir andererseits zulassen, daß uns der berechnende persönliche Sinn mit seiner übertriebenen Vorsicht und Furcht davon abhält, die Demonstration der Güte und Großmut eines anderen freudig anzuerkennen, so wird uns dies der Segnungen berauben, die eine spontane, offene Anerkennung der Wirklichkeit des Guten für uns bereithält. Mary Baker Eddy hat uns diese wichtige Lehre in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift erteilt, wo sie schreibt: „In der Christlichen Wissenschaft ist ein Leugnen der Wahrheit verhängnisvoll, während eine gerechte Anerkennung der Wahrheit und dessen, was sie für uns getan hat, eine wirksame Hilfe ist. Wenn Stolz, Aberglaube oder sonst irgendein Irrtum ein Hemmnis für die ehrliche Anerkennung empfangener Wohltaten ist, so wird dies ein Hindernis für die Genesung der Kranken und für den Erfolg des Schülers sein.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 372;
Die Antwort auf die Frage, warum jemand mit seinem Leben unzufrieden ist, mag daher sehr wohl auf folgendes hinauslaufen: Trägt er dazu bei, daß andere in ihrem Leben zufrieden sind? Wenn das zutrifft, wird er selbst an jener Zufriedenheit in Überfülle teilhaben. Dieses Geben sollte jedoch niemals emotionell oder gedankenlos erfolgen, sondern stets auf Veranlassung und unter der Kontrolle des göttlichen Gemüts. Weder rein menschliche Impulsivität noch die Feindschaft des fleischlichen Gemüts gegen das Gute werden dann die wunderbar befriedigenden Wirkungen beeinträchtigen oder vereiteln, die unsere geistige Bereitschaft mit sich bringt, das geistige Gute zu erkennen und zu begrüßen und auf diese Weise an ihm teilzuhaben.
Die getreue Widerspiegelung der göttlichen Liebe entwickelt eine Wertschätzung des Guten und die Bereitwilligkeit, sie auszudrücken. Da Liebe immer aktiv ist, sollte ihr menschlicher Ausdruck niemals von der Erwartung, etwas dafür zu empfangen, abhängig sein. Menschliche Klugheit und eigensüchtige Berechnung halten manchmal den spontanen Ausdruck der Liebe auf und berauben ihn damit seiner Wärme und der Befriedigung, die er sowohl dem Geber als auch dem Empfänger gewähren würde. Mrs. Eddy versichert uns: „Liebe ist unparteiisch und allumfassend in ihrer Anwendbarkeit und in ihren Gaben. Sie ist der offene Quell, der da ruft:, Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommet her zum Wasser.‘ “ S. 13;
Wir müssen allerdings gern bereit sein, zu jenen Wassern der Wahrheit und Liebe zu gehen und davon zu trinken — an ihnen teilzuhaben —, indem wir das, was wir empfangen haben, in der rechten Weise gebrauchen. Wir dürfen nicht abgeneigt sein, es mit anderen zu teilen, denn das hätte zur Folge, daß die heilenden Wasser für uns versiegten. Wenn wir nicht dazu bereit sind, dann sollten wir uns angesichts des unendlichen Guten der Liebe nicht über die Leere in unserem Leben beklagen.
Hat das Leben jemandem in geschäftlichen Angelegenheiten die Erfüllung versagt? Könnte es nicht darauf zurückzuführen sein, daß sein Denken allein darauf gerichtet war, etwas für sich zu gewinnen? Eine derartige Einstellung zur Arbeit wird sehr leicht — vielleicht unbewußt — von denen empfunden, die mit ihm zu tun haben, und sie widersetzen sich ihr unwillkürlich. Die Geschäftstätigkeit wird dann zu einer Übung im gegenseitigen Vorenthalten, wohingegen sie in ihrem wahren oder geistigen Sinn gegenseitiges Geben durch gegenseitige Dienstleistungen bedeutet, wobei beide Partner zur beiderseitigen Zufriedenheit geben und empfangen.
Eine kühle, sich abkapselnde Einstellung anderen gegenüber ist oft mit einer Neigung zu harter Kritik und Verurteilung verbunden. Sollte jemand versucht sein, an einer solchen Einstellung zu seinen Mitmenschen festzuhalten, dann möge er daran denken, daß das Unheil, das sie bewirkt, auf ihn selbst zurückfällt. In der Bergpredigt, die ja tatsächlich die Grundlage der christlichen Ethik und eines wahrhaft erfolgreichen und befriedigenden Lebens ist, lehrte Christus Jesus: „Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebet, so wird euch vergeben. Gebet, so wird euch gegeben. Ein voll, gedrückt, gerüttelt und überfließend Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messet, wird man euch wieder messen.“ Luk. 6:37, 38. Wie wahr ist doch dann die alte Warnung, daß derjenige, der eine Schlange in seinem Hause duldet, als erster von ihr gebissen wird.
Wer wahre, tätige Güte mit ihrem liebevollen Interesse und Wohlwollen gegen seinen Bruder empfindet und zum Ausdruck bringt, kann sich auch der Liebe seines Bruders erfreuen. Er wird sich niemals allein oder verlassen fühlen, wird niemals das Empfinden haben, daß sein gegenwärtiges Leben leer und seine Zukunft wenig verheißungsvoll sei. Er wird in seinem Leben nie ohne die tiefe Befriedigung herzlicher Kameradschaft sein.
