Das Kapitel über die Ehe im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy, beginnt mit einem Hinweis auf die Taufe Jesu und auf die Tatsache, daß Johannes der Täufer erstaunt war, daß der Meister zu diesem Zweck zu ihm gekommen war. Dann heißt es: „Jesu Zugeständnisse an materielle Methoden (in gewissen Fällen) dienten zur Förderung des geistig Guten.“ Anschließend sagt Mrs. Eddy: „Die Ehe ist die gesetzliche und moralische Vorkehrung für die Zeugung unter den Menschen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 56;
Wenn die Menschen einen Schimmer von der geistigen Wirklichkeit, wie sie in der Christlichen Wissenschaft gelehrt wird, zu erfassen beginnen, nämlich daß Geist, Gott, Alles und der Mensch Gottes vollkommene, geistige Idee ist, werden sie oft ungeduldig und wollen für alle ihre menschlichen Handlungen sofort den vollen Segen des Geistes beanspruchen. Zuzugeben, daß etwas, was wir in dem ehrlichen Bemühen tun, aufrichtig zu sein und zu handeln, weniger als geistig ist, scheint uns schwerzufallen. Doch dies wird von uns verlangt, wenn wir weiterhin der geistigen Wirklichkeit näherkommen wollen.
Der von Gott erschaffene unsterbliche, geistige Mensch ist die vollständige Idee des göttlichen Gemüts. Jeder einzelne spiegelt in Wirklichkeit die Vollständigkeit des Vater-Mutter-Gemüts wider, einschließlich männlicher und weiblicher Eigenschaften. Aber die Menschen nähern sich dieser vollständigen Individualität nur insoweit, wie ihr Bewußtsein vom Sein geistig ist. Was an sterblichen materiellen Eigenschaften im Denken zurückbleibt, trennt das menschliche Wesen von seiner wahren Identität als göttliche Idee. Durch die Christliche Wissenschaft kann der einzelne lernen, daß er eine geistige Identität hat, und die ihm von Gott gegebene Macht erkennen, alles zu verwerfen, was nicht seinem wahren Selbst entspricht. Während wir zwar wünschen mögen, dieses Verwerfen wäre auf der menschlichen Ebene bereits vollzogen, ist dies in der Tat noch nicht der Fall, denn unsere menschliche Existenz ist nicht unsere wirkliche Existenz, sondern nur eine Annäherung an sie.
Eine Eheschließungszeremonie ist eine menschliche Begebenheit. Sie ist „gesetzlich und moralisch“, aber nicht geistig. Das Schöne einer Eheschließung wird aber dadurch keineswegs beeinträchtigt. Im Gegenteil, es zeigt, daß eine Eheschließung ein wunderbarer Schritt auf dem himmelwärts gerichteten Pfad zweier Menschen ist. Jeder sucht auf seine Weise seine vollständige Selbstheit, und der andere ist dabei eingeschlossen. Die Erklärung, den anderen mit einzuschließen, ist ehrlich, wenn demütig anerkannt wird, daß der Gipfel noch vor einem liegt und daß es bis dorthin ein weiter Weg ist, ein Weg, der durch die Gemeinsamkeit, die gegenseitige Zuneigung und Hilfsbereitschaft um so wunderbarer wird.
Die Christliche Wissenschaft tritt für individuelle Freiheit ein, aber sie übersieht nicht das moralische Gesetz. Wenn wir die Christliche Wissenschaft als das Gesetz Gottes, das heilt und der Menschheit Frieden bringt, praktisch betätigen wollen, brauchen wir den Schutz des moralischen Gesetzes, während wir in der bestmöglichen Weise unsere geistige Identität ausarbeiten. In der Ehe brauchen beide den Schutz dieses Gesetzes, der Mann wie die Frau, damit es ihnen ohne die Gefahr einer Einmischung von außen möglich ist, die Probleme auszuarbeiten, die in Zusammenhang mit der Gründung einer Familie auftreten, und besonders solche, die sich auf das Sexuelle beziehen. Wer das Ehegelübde ehrlich, bereitwillig und öffentlich ablegt, stellt sich unter den Schutz der Ehe und gibt zu, daß auch sein Ehepartner diesem untersteht. Und beide Partner unternehmen einen wichtigen Schritt zu der freiwilligen Selbstdisziplin hin, die auf dem ganzen Weg zur schließlichen Demonstration der geistigen Selbstheit, Gottes vollständiger Idee, erforderlich ist.
Angesichts der heutigen Sex-Popularisierung wird häufig die Frage gestellt: „Wenn sich zwei Menschenkinder wirklich lieben, warum sollten sie dann bis zu einer Zeremonie warten, bevor sie ihre gegenseitige Zuneigung in sexueller Intimität zum Ausdruck bringen?“ Worauf wir antworten: „Wie sehr lieben sich diese beiden wirklich? Ist ihre Liebe nur für den Augenblick oder für immer? Und wenn sie für immer ist, ist es dann nicht ein Zeichen größerer Liebe, wenn man miteinander die Freude teilt, unter dem Gesetz zu leben, das einem hilft, geistig zu wachsen?“ Es geht hier nicht darum, ob eine Tradition überholt ist oder nicht, sondern es geht darum, die Freiheit des anderen, seine Identität als die Idee Gottes auszuarbeiten, zu respektieren.
Die weitverbreitete Mißachtung des moralischen Gesetzes ist in erster Linie ein Mißverständnis des Gesetzes. Es ist wahr, daß das Gesetz nur zu oft als Schleier für eine heuchlerische Lebensweise hinhalten muß. Wenn aber der Geist des Gesetzes ehrlich in Betracht gezogen wird, so sieht man, daß eine beiderseitige Entscheidung, sich aus Liebe zu Gott und Liebe zum Menschen an dasselbe zu halten, den Weg bahnt für die größte Freiheit auf beiden Seiten und für das schnellste Herauswachsen jedes menschlichen Wesens aus den sterblichen Begrenzungen und sterblichen Befürchtungen, hin zur Demonstration der grenzenlosen, furchtlosen, unsterblichen Identität.
Was die Ehe betrifft, so ist eine Anerkennung der Tatsache, daß unser menschliches Leben noch nicht göttlich ist, ein großer erster Schritt zu einem befriedigenden Leben des beständigen und freudigen Fortschritts — zu einem Leben, in dem den Dingen der Erde der Wert beigemessen worden ist, der ihnen angesichts der geistigen Wirklichkeiten zukommt. Christi Jesu Seligpreisung faßt es so zusammen: „Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.“ Matth. 5:5.
