Als eine Christliche Wissenschafterin im Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft die Lektionspredigt der Woche las, kam sie zu der Bibelstelle, die von der Auferweckung der Tochter des Jairus berichtet. Die Wissenschafterin dachte: „Ich habe diese Geschichte alle Tage vorher gelesen. Ich kenne sie ja gut.“ Und so griff sie nach dem Lehrbuch Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy. Aber sofort kam ihr der Gedanke: „Wenn die Bibelstelle hier steht, so sollte ich sie auch lesen.“ Und dann las sie die ihr so vertraute Erzählung mit Aufmerksamkeit und Einfühlung, als ob sie ihr ganz neu wäre.
Sie dachte an den verzweifelten Vater, der dem Mesmerismus der Furcht so stark ausgeliefert war und der sich an den Meister um Hilfe für sein krankes Kind wandte. Dann meinte sie die Stimme Jesu und seinen liebevollen, tröstlichen Rat zu hören: „Fürchte dich nicht, glaube nur!“ Mark. 5:36; Sie hielt im Lesen inne. Ja, „Fürchte dich nicht!“ Und wovor soll man sich auch fürchten? Gott ist Liebe und Leben; das steht unumstößlich fest, das ist die Wahrheit. Wir lesen im Lehrbuch: „Nur wenn man sich absolut auf Wahrheit verläßt, kann einem die wissenschaftlich heilende Kraft zur Wirklichkeit werden.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 167; Dann stellte sich die Wissenschafterin vor, wie Jesus in den Raum trat, wo das Kind lag. Sie spürte förmlich, wie seine Liebe und strahlende Reinheit den ganzen Raum erfüllten, wie liebevoll er das kleine Mädchen ansah, das da lag, wie er seine Hand faßte, mit ihm sprach und das Kind dann vollkommen gesund seinen Eltern zuführte. Eine tiefe Liebe und Dankbarkeit für alles, was Gott durch Seinen Christus für Seine geliebten Kinder getan hat und noch tut, durchströmten das Bewußtsein der Wissenschafterin.
Sie las dann die Lektion weiter aufmerksam zu Ende und dachte noch über vieles nach. Ja, dachte sie, die Menschen, die zu Jesu Zeit und in seiner Nähe lebten, hatten es leichter als wir heute. Sie brauchten nur zu Jesus zu gehen und ihn um Hilfe zu bitten, und sie wurde ihnen zuteil. Aber hatten sie es wirklich so leicht? Mußten sie nicht vorbehaltlos bereit und willig sein zu glauben, daß Jesus ihnen helfen würde? Sagte er nicht mehr als einmal: „Dein Glaube hat dir geholfen“ Matth. 9:22;?
Als er den Mann mit der verkrüppelten Hand sah und ihn aufforderte: „Strecke deine Hand aus!“ Luk. 6:10;, gehorchte der Mann augenblicklich der zwingenden Aufforderung, streckte seine Hand aus und war geheilt. Offenbar kam ihm nicht einen Augenblick lang der Einwand, daß er sie nicht ausstrecken könne, weil sie lahm war. Als der Christus sein Bewußtsein berührte, war jeder Glaube an die Symptome, die das sterbliche Gemüt ihm aufdrängte, ausgelöscht. Der Mann konnte gar nichts anderes tun, als sich dem Christus zu ergeben.
Oder der Gichtbrüchige. Als Jesus sagte: „Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben“ Matth. 9:2;, hatte der Kranke sicherlich nur die geistige Liebe gespürt, die aus Jesu Worten sprach, obwohl man ihn zu Jesus gebracht hatte, damit er geheilt würde, nicht, um von seiner Sündenlast befreit zu werden. Jesu christusgleiches Bewußtsein muß so klar, so unwiderstehlich, so ausströmend gewesen sein, daß sich das materielle Denken des Mannes mitsamt der Sündenlast in nichts auflöste und er geheilt war.
Als Jesus auf dem Wasser wandelte, sprach er beruhigend zu den Jüngern, die vor Furcht schrien: „Ich bin's; fürchtet euch nicht!“ 14:27; In Wirklichkeit sagte er ihnen damit, daß der Christus zu ihnen käme, um sie zu trösten und daran zu erinnern, daß sie die geliebten Kinder seines Vaters wären. Dann folgte Petrus der Aufforderung, auf dem Wasser zu Jesus zu kommen. Er glaubte sich stark genug dazu, aber sowie er den heftigen Wind spürte, ergriff ihn die Furcht, und er fing an zu sinken. Jesus ergriff ihn und wies seinen Zweifel zurecht. Sein Glaube war nicht stark genug gewesen.
Die Wissenschafterin dachte lange über dieses Ereignis nach, und wieder kamen ihr die Worte in den Sinn, die Jesus an Jairus gerichtet hatte: „Fürchte dich nicht, glaube nur!“ Dann dachte sie an Mrs. Eddys Erklärung in The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany: „Denke daran, du kannst in keine Lage gebracht werden, sei sie auch noch so ernst, wo die göttliche Liebe nicht schon vor dir gewesen ist und wo ihre liebreiche Lektion dich nicht erwartet.“ My., S. 149;
Sie erinnerte sich auch daran, wie sie früher, als sie noch Anfängerin im Studium der Christlichen Wissenschaft gewesen war, manchmal gedacht hatte, wenn ein schwieriges Problem unlösbar schien: „Wenn Jesus jetzt zur Tür hereinkäme, würde ich sofort zu ihm gehen, den Saum seines Gewandes berühren und ihn bitten, mir zu helfen. Dann würde ich frei sein.“ Sie erkannte aber bald, daß nicht die Persönlichkeit Jesu, sondern der heilende Christus, den er verkörperte, die Erlösung bewirkte — und sie auch jetzt, zu dieser Stunde, und in alle Ewigkeit bewirken konnte. Sie erkannte, daß sie durch ihr tägliches Studium der Lektionspredigt das Gewand Christi berührte.
Gilt nicht dieselbe Forderung: „Fürchte dich nicht, glaube nur!“ auch für uns? Laßt uns wissen, daß der liebende, heilende Christus immer gegenwärtig ist, daß Gottes allumfassende, zärtliche Liebe sich nie erschöpfen kann. Mrs. Eddy schreibt: „Die göttliche Liebe hat immer jede menschliche Not gestillt und wird sie immer stillen. Man sollte nicht denken, Jesus habe die göttliche Kraft zu heilen nur für eine auserwählte Anzahl oder für einen begrenzten Zeitabschnitt demonstriert, denn die göttliche Liebe gibt der ganzen Menschheit und zu jeder Stunde alles Gute.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 494.
Die Wissenschafterin fühlte sich erhoben, dankbar und glücklich. In Liebe und Verehrung gedachte sie Mrs. Eddys, die so vorausschauend war, daß sie wußte, ihre Nachfolger würden weiterhin das tägliche Brot brauchen, das ihnen in der wöchentlichen Lektionspredigt dargereicht wird.
