Wir alle sind bestrebt, besser zu heilen und Probleme besser zu lösen. Und wir sind dazu imstande. Unser Erfolg wird mitunter dadurch aufgehalten, daß wir uns von dem eigentlichen Problem ablenken lassen.
Nehmen wir einmal an, wir seien knapp an Geld. Eine oberflächliche Untersuchung mag ergeben, daß die Schwierigkeit einerseits in unserem Geldmangel und andererseits in den Forderungen unserer Gläubiger besteht. Wenn wir an diesem Punkt haltmachten, könnten wir leichthin folgern, daß wir uns irgendwie der Christlichen Wissenschaft bedienen müssen, um mehr Geld auf unser Bankkonto zu bekommen, damit wir unsere Rechnungen bezahlen können. Der Konflikt beruht jedoch nicht auf unserem Mangel und den an uns gestellten finanziellen Forderungen. Er besteht immer zwischen dem göttlichen Geist und der Materie. Und da Geist Alles ist, beruht der Konflikt auf einer Annahme.
Wenn wir dies erkennen, haben wir eine grundlegende geistige Untersuchung über die Situation angestellt und sind gerüstet, die fundamentale geistige Lösung zu demonstrieren. Der gemeinsame Faktor aller Schwierigkeiten ist der, daß wir die Wirklichkeit einer materiellen Welt akzeptieren, in der es anscheinend nicht genügend Gutes gibt und zuviel von dem, was nicht gut ist. Die materielle Welt und alles, was zu ihr gehört, ist endlich. Aber im Reich des göttlichen Geistes fehlt es niemals an Substanz und Gutem, sie sind nie am falschen Platz und niemals unerreichbar. Das grundlegende Problem in diesem Fall ist nicht finanzieller Art — es ist nicht die Geldknappheit und die Forderung eines anderen, das zu haben, was wir haben —, sondern es ist unser Glaube an die Materie, der uns davon zurückhält, den grenzenlosen Geist von ganzem Herzen anzuerkennen.
Wenn wir uns krank fühlen, mögen wir einerseits Schmerzen, Unbehagen, Übelkeit oder sonst etwas empfinden. Andererseits aber sehen wir unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Zwischen unserem körperlichen Unbehagen und unserer physischen Gesundheit scheint ein Krieg zu toben. Haben wir jene oberflächliche Untersuchung angestellt, dann lassen wir uns vielleicht von dem eigentlichen Problem ablenken, und wir mögen versuchen, mit Hilfe unserer Religion unsere körperlichen Schmerzen in körperliches Wohlbefinden umzuwandeln. Wir übersehen somit den springenden Punkt in dem Problem und verfehlen den wichtigen heilenden Punkt. Es geht eigentlich um Leben, Gott, und die sich widersetzenden Ansprüche der Körperlichkeit. Die Lösung liegt in unserer tiefen Erkenntnis der uneingeschränkten Allheit des ersteren und der absoluten Unwirklichkeit der letzteren.
Wenn wir Probleme auf eine gesunde Weise lösen wollen, können wir es uns nicht leisten, durch Scheinfaktoren abgelenkt zu werden. Das grundlegende Problem in diesen Beispielen ist nicht der Geldmangel oder das körperliche Unbehagen, sondern der Umstand, daß wir das Bild der persönlichen Sinne akzeptieren. Und der fundamentale Ausweg besteht nicht darin, daß das sterbliche Gemüt oder die Materie wieder in Ordnung gebracht wird, sondern daß sich das sterbliche Gemüt dem Leben, Gott, unterstellt — was es ganz gewiß tun wird, wenn es der absoluten wissenschaftlichen Wahrheit ausgesetzt wird. Mary Baker Eddy erklärt in ihrem Buch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Der grundlegende Irrtum ist das sterbliche Gemüt.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 405 ; Und als natürliche Folge ist die grundlegende Lösung im göttlichen Gemüt zu finden.
Wir sind vielleicht zu denken, daß die drückenden geistigen Forderungen nachlassen würden, wenn wir nur von einem besonderen lästigen Problem frei werden könnten. Wir sollten uns aber niemals durch den Gedanken an Erleichterung von der Offenbarung ablenken lassen. Die benötigte Offenbarung eines Aspekts des wirklichen Seins, die einzelnen zuteil wird, ist nämlich der Schlüssel zur Ausarbeitung menschlicher Disharmonien mit Hilfe der Christlichen Wissenschaft. Erleichterung ist nicht das Ziel, obwohl sie ganz gewiß ein berechtigtes Nebenprodukt erhöhter Geistigkeit ist, die die Folge unseres Gebets oder unserer Behandlung ist.
Das grundlegende Problem — Geist gegen Materie — bleibt dasselbe, bis dieser falsche Konflikt im Denken jedes einzelnen völlig gelöst ist. Wir müssen uns weiterhin von der Materie zum Geist, vom Schatten zur Substanz hinwenden, ob wir nun unter heftigem Feuer stehen oder nicht.
Christus Jesus war sich beständig der metaphysischen Wahrheiten bewußt, die das Problem des Seins lösen, und er schenkte keinem der ablenkenden Faktoren seine Aufmerksamkeit. Als seine Jünger ihn bezüglich eines speziellen Falles fragten: „Meister, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, daß er ist blind geboren?“, ließ sich Jesu geistige Schau durch solch eine engstirnige Betrachtung der Möglichkeiten nicht beeinflussen. Seine Jünger hätten sich wahrscheinlich mit der Erklärung zufriedengegeben, daß die Blindheit auf einer materiellen Ursache beruhe, die mit Vererbung oder der Bestrafung des Unschuldigen durch einen rächenden, persönlichen Gott zu tun hat — was das Problem immer noch als Wirklichkeit bestehen ließe. Im Gegensatz dazu wußte der Meister, der sich der erhabenen Wahrheiten des Seins bewußt war, daß der tatsächliche geistige Daseinsgrund für den Blinden der war, für sein schöpferisches Gemüt zu zeugen. Jesus antwortete: „Es hat weder dieser gesündigt, noch seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes offenbar werden an ihm.“ Joh. 9:2, 3 ; Jesus ließ den Blinden nicht mit einem oberflächlich analysierten Problem zurück, sondern er heilte ihn dadurch, daß er bis zum Kernpunkt vordrang.
Ebenso läßt sich der aufmerksame Ausüber der Christlichen Wissenschaft beim Umgang mit Patienten nicht von dem grundlegenden Problem ablenken. Die Schwierigkeit ist nicht das, was sie zu sein scheint: durch eine Muskelzerrung verursachte Schmerzen, ein unharmonisches Familienleben oder sonst irgend etwas. Der Ausüber wird daher nicht versucht sein, sich zu bemühen, geistig einen schmerzfreien Muskel oder ein friedliches Zuhause zu schaffen. Noch wird er darüber nachdenken, ob sich die Frau von ihrem Mann scheiden lassen sollte. Er wird auch keinen menschlichen Rat erteilen. Das grundlegende Problem ist, daß die Materie und die materielle Gesinnung Anspruch auf Wirklichkeit, Macht und Gegenwart erheben, und der Ausüber läßt sich durch den äußeren Anschein der Dinge nicht ablenken. Was schließlich jedes Problem löst, ist die göttliche Tatsache der Allheit und unveränderlichen Gegenwart des Gemüts. Sie schließt die Möglichkeit aus, daß ein Zustand damit nicht übereinstimmen könnte; und unsere heilenden Bejahungen und Verneinungen müssen mit dieser Tatsache in Zusammenhang gebracht werden.
Wenn wir unsere Demonstration in der Christlichen Wissenschaft ständig verbessern wollen, müssen wir unser Verständnis immer mehr vertiefen. Dies ist ein sicheres Mittel gegen den Versuch des sterblichen Denkens, uns irrezuführen. Es mag uns zu überreden suchen, uns mit einem oberflächlichen Verständnis der Probleme zufriedenzugeben. Wir gehen sicher, wenn wir Mary Baker Eddys Rat folgen: „Wir können das Wesen und die Beschaffenheit von Gottes Schöpfung nicht dadurch ergründen, daß wir in die Untiefen der sterblichen Annahmen tauchen. Wir müssen unserem schwachen Flattern — nämlich unseren Versuchen, Leben und Wahrheit in der Materie zu finden — die entgegengesetzte Richtung geben und uns über das Zeugnis der materiellen Sinne, über das Sterbliche zu der unsterblichen Idee Gottes erheben.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 262.
