Individualität ist eine geschätzte Tatsache des menschlichen Seins. Wie wichtig ist es daher, daß wir sie richtig verstehen!
Nach allgemeiner Ansicht besteht die Welt aus vielen Menschen — Millionen von Menschen —, von denen jeder eine kleine endliche Einheit darstellt, die darauf aus ist, sich durchzusetzen, und erklärt: „Ich bin ein Individuum. Ich werde für meine Rechte kämpfen.“ Der Erfolg des einen wirkt sich oft zum Nachteil für den anderen aus, und schon gibt es Streit zwischen einzelnen Menschen, der sich zum Streit zwischen Völkern, zum Streit zwischen Rassen auswächst — Streit, Streit, Streit. Ist nicht diese falsche Auffassung von Individualität die Grundlage des Krieges? Alle Übel der Welt — Armut, Verbrechen, Nichtachtung der Rechte anderer, Neid, Haß, Undankbarkeit — erwachsen aus dieser falschen Auffassung. Unwissenheit über die tatsächliche Beziehung des Menschen zu Gott ist die Wurzel für die Versklavung der Menschheit. Allein die Wissenschaft des Christentums enthüllt die Individualität und das Wesen des Menschen.
Wir werden Individualität nie verstehen, solange wir mit einem kleinen endlichen Ich beginnen. In der Wissenschaft kann es nur einen Ausgangspunkt geben, nämlich Gott, den großen Ich bin, das eine Ego oder die unendliche Individualität, die der Mensch widerspiegelt. Ein korrektes Folgern, was Individualität anbetrifft, muß von dieser Basis ausgehen. Das Wort „individuell“ bedeutet in seinem ursprünglichen Sinn nicht teilbar, daher untrennbar, nicht in Einzelteile zerlegbar. Der individuelle Mensch ist nicht ein Teil von Gott; er ist die Widerspiegelung oder Idee, die die wahre Natur und das Wirken Gottes offenkundig macht. Das Prinzip und seine Idee sind nicht zwei. Sie sind eins. Mary Baker Eddy verwendet in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift das Verb sogar in der Einzahl, wenn sie schreibt: „Prinzip und seine Idee ist eins, und dieses eine ist Gott, allmächtiges, allwissendes und allgegenwärtiges Wesen, und Seine Widerspiegelung ist der Mensch und das Universum.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 465
Sogar menschlich gesprochen kann man zwischen Gemüt und der Idee, die es ausdrückt, keinen Trennungsstrich ziehen. Man kann nicht eine Idee aus dem Gemüt, das sie entwickelt, herausheben und sagen: „Ich werde jetzt diese Idee ganz getrennt von dem Gemüt betrachten.“ In dem Moment, wo man das versucht, hat man weder die Idee noch das Gemüt, denn eins besteht nicht ohne das andere. Ein Gemüt ohne Idee wäre unausgedrückt — eine Nicht-Wesenheit, kein Gemüt; eine Idee ohne Gemüt ist unmöglich.
Die absolute Einheit des göttlichen Prinzips und seiner Idee ist Gott, und Gott spiegelt sich in Seiner ganzen Herrlichkeit im Menschen und im Universum wider. Diese innige Beziehung zwischen Gott und Mensch, Gemüt und seiner Idee, ist die Wahrheit, der barmherzige Christus, der immer gegenwärtig ist, um die Leiden der Welt zu heilen. Die Offenbarung der Einheit ist der Kern der Christlichen Wissenschaft.
In dieser Einheit finden wir unsere Individualität. Die Individualität kann niemals verlorengehen. Sie ist göttliches Prinzip, das eine Ego, das seine Idee einschließt und umfängt, da es sich immerdar als der Ich bin erklärt.
Das Prinzip, oder Gemüt, hat unzählige Ideen, zahllose Begriffe von sich selbst, von seiner eigenen Vollständigkeit, Vollkommenheit, Schönheit, Erhabenheit, Intelligenz und Unversehrtheit. Jede Idee ist ausgeprägt, jedoch niemals von Gott getrennt. Eine Idee sagt niemals: „Ich bin eine Idee des Gemüts, und du bist auch eine.“ Aber Gemüt, das eine immerwährende und in seinen Ideen widergespiegelte Ego, erklärt: „Dies bin ich, und dies bin ich.“ Weil es nur ein Ego gibt, gibt es somit niemals Trennung noch ein Gefühl von Trennung unter seinen Ideen. In unserer gegenwärtigen Erfahrung bedeutet dies, daß das, was ich in dir wahrhaftig und geistig liebe, das ist, was ich wahrhaftig und geistig bin, und daher kann ich dich niemals verlieren. Und es ist Gott, der dies sagt, und zwar nicht in Begriffen eines endlichen, menschlichen Du, sondern stets in Begriffen des immerwährenden Ich, das die Liebe selbst ist.
Ja, das ist unsere Individualität, und das ist die Wahrheit, die den Tod und die Furcht vor Trennung besiegt. Wir müssen hierüber nachdenken, darüber beten, es erwägen, es sehen. Dies ist der eine unendliche Gott oder die Wahrheit, die Menschen und Völker vereinigt — das immerwährende Ego, das eine göttliche, unsterbliche Gemüt. Hat Christus Jesus nicht auf diese Wahrheit hingewiesen, als er sagte: „Ich kann nichts von mir selber tun“ Joh. 5:30; und: „Der Vater aber, der in mir wohnt, der tut seine Werke“ 14:10;? Und nochmals in seiner erhabenen Erklärung: „Ich und der Vater sind eins.“ 10:30;
Wie steht es nun aber mit der Identität? Eine Idee ist immer ausgeprägt, niemals vom Gemüt absorbiert, niemals ungenau, unbestimmt oder verschwommen. Daher sagt Mrs. Eddy: „Identität ist die Widerspiegelung des Geistes, die Widerspiegelung in mannigfaltigen Formen des lebendigen Prinzips, Liebe“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 477;, und den Menschen bezeichnet sie als „die bewußte Identität des Seins, wie wir sie in der Wissenschaft finden, in der der Mensch die Widerspiegelung Gottes oder des Gemüts ist und daher ewig ist“ S. 475.. Wir wollen uns daher fragen: „Wer besitzt Bewußtsein, die vom Gemüt getrennte Identität, oder Idee, oder das Gemüt selbst? Gibt es eine Vielfalt von Bewußtsein?“ Da es nur ein Gemüt gibt und dieses eine unendlich ist, kann es nur ein Bewußtsein geben. Dieses eine unendliche Ego drückt sich selbst in bewußter Identität aus, in der es keine Trennung, keine Unvollständigkeit, keine Teilung, keine Reibung, keinen Streit gibt.
Beim Lösen menschlicher Probleme macht die Christliche Wissenschaft Christian Science; sprich: kr’istjən s’aiəns. die Bedeutung einer richtigen Ausgangsposition und einer geistigen Grundlage des Folgerns klar. Die Wahrheit darf für uns nicht intellektuell sein, nicht aus schön klingenden Platitüden bestehen, die wir gelegentlich erklären, während wir das Gegenteil glauben. Es muß Überzeugung vorhanden sein. Für Jesus, für seine Nachfolgerin Mrs. Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, war die Wahrheit eine Überzeugung, handfeste Wirklichkeit, Gewißheit; sie war die greifbare Tatsache in jeder Situation. Wurde diese geistige Überzeugung von der absoluten Einheit von Gott und Seiner Idee auf die menschliche Situation angewandt, so verwandelte sie diese in Harmonie und Gesundheit.
Ein solches wissenschaftliches christliches Heilen ist das Zusammentreffen des Menschlichen und Göttlichen. In diesem Zusammentreffen verschwindet die Dunkelheit des Materialismus in dem Strahlenglanz der Göttlichkeit, das Wort wird Fleisch und offenbart jedem Menschen die geistige Erhabenheit seiner Individualität, die unsterbliche Herrlichkeit seiner Identität.
Es sind mancherlei Gaben; aber es ist ein Geist.
Denn gleichwie ein Leib ist und hat doch viele Glieder,
alle Glieder aber des leibes, wiewohl ihrer viel sind,
doch ein Leib sind: so auch Christus.
Ihr seid aber der Leib Christi und Glieder,
ein jeglicher nach seinem Teil.
1. Korinther 12:4, 12, 27