Bei einem Besuch in einem Museum war ich besonders von einer großen Ausstellung fasziniert, die sich ausschließlich mit der Kunst befaßte, den ursprünglichen Zustand berühmter Gemälde wiederherzustellen. Um zu zeigen, was durch eine Restaurierung erreicht werden kann, hatte man jedes Bild nur zur Hälfte wiederhergestellt. Auf der einen Hälfte war der Staub und Ruß — der Schmutz von Jahren — belassen worden, wodurch das Bild trübe und uninteressant wirkte und Einzelheiten fast nicht mehr zu erkennen waren. Die andere Hälfte war offensichtlich einer liebevollen, geduldigen und mühsamen Behandlung durch den Restaurator unterzogen worden. Dieser Teil des Gemäldes war lebhaft, frisch, farbenfreudig, praktisch genauso scharf und deutlich wie an dem Tag, wo es gemalt worden war. Die Schönheit des Gemäldes hatte schon die ganze Zeit über bestanden. Sein Wert mußte jedoch erst einmal erkannt werden. Dann mußte die Leinwand gesäubert und die fremde Materie Schicht für Schicht beseitigt werden, ehe seine Schönheit in Erscheinung treten konnte.
Ich war von dieser Ausstellung besonders beeindruckt, da sie mir einen Hinweis darauf gab, was der Christliche Wissenschafter tun muß, der seine geistige Identität, sein wahres Selbst, seine ursprüngliche Individualität, ans Licht bringen möchte. Bis zu einem gewissen Grade sieht er sich einem verzerrten Bild von sich selbst gegenüber — einem Bild, das von den materiellen Annahmen getrübt wird, deren Anhäufung er zugelassen hatte. Er weiß und erkennt an, daß es ein schönes Selbst gibt, das es zu entdecken gilt. Und er ist bereit, mit jener Liebe und Geduld daran zu arbeiten, die der Restaurator auf ein Gemälde verwendet. Der Christliche Wissenschafter macht sich daran, mental die angesammelten Schichten von Unreinheiten zu entfernen, und jeden Tag kann er etwas mehr von seinem vollkommenen Selbst als dem Kind Gottes erblicken.
Er betrachtet diesen Vorgang nicht als Restaurierung, sondern vielmehr als Vergeistigung oder Läuterung. Er weiß, daß er sein Bewußtsein vergeistigen muß, um das vollkommene Selbst, das immer da ist und nur enthüllt zu werden braucht, zum Vorschein zu bringen. Dies tut er, indem er seine Neigungen läutert. Mrs. Eddy bezieht sich darauf, wenn sie schreibt: „Ich hatte verstehen gelernt, daß das Denken vergeistigt werden muß, um Geist erfassen zu können. Es muß ehrlich, selbstlos und rein werden, um auch nur im geringsten ein Verständnis von Gott in der göttlichen Wissenschaft zu erlangen. Das Erste muß das Letzte werden. Unser Vertrauen auf materielle Dinge muß zu einer Wahrnehmung der geistigen Dinge und einem Verlaß darauf umgewandelt werden. Wenn Geist sich in unserer Beweisführung als aller-haben erweisen soll, muß er in unseren Neigungen die erste Stelle einnehmen, und wir müssen mit göttlicher Macht angetan sein.“ Rückblick und Einblick, S. 28;
Bitte anmelden, um diese Seite anzuzeigen
Sie erlangen vollständigen Zugriff auf alle Herolde, wenn Sie mithilfe Ihres Abonnements auf die Druckausgabe des Herold ein Konto aktivieren oder wenn Sie ein Abonnement auf JSH-Online abschließen.