Ich gehe an das Studium der Lektionspredigt mit einer gebeterfüllten Haltung heran — einem Gebet, das Fürbitte und Bekräftigung einschließt. Ich bete demütig um Selbsterkenntnis, damit das Evangelium meines Wegweisers und die Inspiration des Lebens meiner Führerin durch mein eigenes Leben erzählt, wiedererzählt und mitgeteilt werde.
Die Lektion spricht individuell zu mir, meinem Bewußtseinszustand — meiner Demonstration der Wahrheit über einen vollkommen Gott und einen vollkommenen Menschen — entsprechend.
Die Lektionspredigt ist ein Ausdruck Gottes; sie spricht direkt und individuell zu mir durch die Propheten des Alten Testaments mit der Größe und Höhe reinen Monotheismus; durch unseren großen Beispielgeber, Christus Jesus, und seine Botschaft individueller Erlösung; durch Mrs. Eddy, die die Wahrheit offenbarte und das „Büchlein“ (Offenb. 10:2) schrieb, das uns die Heilige Schrift erschließt.
Die heilende Substanz der Lektion schließt für mich mehrere wichtige Faktoren ein. Zuerst ist da die Art und Weise meiner Vorbereitung. Ich gehe mit der Erwartung heran, daß ich den heilenden Vorsatz und den Wert dieser Erfahrung finden möge. Da ich ein inniges Verlangen nach Inspiration habe, überwinde ich den Widerstand des sterblichen Gemüts, das die Botschaft der Lektionspredigt zur abstumpfenden Routine und dem bloßen Buchstaben ohne Gesetz und Demonstration herabwürdigen möchte.
Der zweite Faktor ist das eigentliche Lesen. Was ich durch dieses Studium gewinne, beruht auf meinem bewußten Einssein mit Gott, dem Vater-Gemüt. Wenn ich mentale Entwicklung und Aufgeschlossenheit erlebe, dann bringe ich sie zu dieser heiligen Zeit des Studiums mit und empfange sie für mich und als Ausüber für meinen Patienten.
Es ist also wichtig, daß ich nicht nur aus den in der Predigt enthaltenen spezifischen Wahrheiten etwas gewinne, sondern auch etwas dazu beitrage. Ich bin mir bewußt, daß mein Geben nur nach dem Grad meiner Geistigkeit bemessen werden kann. Der heilende Beitrag muß im wesentlichen von der Qualität sein, die unsere Führerin für den Erfolg dieser Predigt vorgesehen hat — einer Predigt, die ihrer Meinung nach so sehr zum Gedeihen der Christlichen Wissenschaft beigetragen hat.
Der dritte Faktor stellt das dar, was jedesmal, wenn ich lese und studiere, stattfindet oder stattfinden sollte. Wenn ich genügend geistige Nahrung gefunden habe, muß ich diese Wahrheiten unbedingt sofort auf die menschliche Erfahrung anwenden. Ich halte mir vor Augen, daß die Substanz dessen, was in der Wahrheit besteht, praktisch in die Tat umgesetzt werden kann. Wenn wir von den erhabenen Höhen des Gebets und Lobes, die wir erklommen haben, Besitz ergreifen und andere dann daran teilhaben lassen, erfüllen wir das Gebot des Meisters: „Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium“ (Mark. 16:15). Die Predigt ist für mich nur dann kraftvoll und lebendig, wenn ihre Wahrheiten dadurch, daß ich sie weitergebe, verkörpert werden.
Mrs. Eddy empfahl systematisches Studium für den Lernenden als wertvoll, aber ich kann keine Stelle finden, wo sie die Methode des Studiums beschreibt, ausgenommen vielleicht durch die Reihenfolge in der Ordnung der Gottesdienste, wie sie im Handbuch Der Mutterkirche zu finden ist. Deshalb bemühe ich mich, keinen festgelegten Methoden des Studiums zu folgen. Richtiges Studium ist für mich auch spontanes Studium, unbeeinträchtigt durch Formeln. Artikel VIII Abschnitt 9 des Kirchenhandbuchs verbietet Formeln, und ich berücksichtige das sowohl beim Studium der Lektionspredigt wie auch bei anderen Studien. Durch diese Satzung lerne ich die Macht der Spontaneität und Inspiration verstehen sowie die Wirkung der intuitiven Auswahl der rechten Idee, die für die jeweilige Situation oder Schwierigkeit am besten geeignet ist. Echte Initiative schließt sicherlich die freie Wahl des Studiums mit ein! Zu wissen, was ich weiß — zu wissen, was ich durch mein eigenes inspiriertes Studium empfangen habe —, heißt, es aus erster Hand von dem Gemüt, meiner eigenen Intelligenz, zu wissen. Das ist ausgezeichnet, denn Abwechslung in mein Studium zu bringen und eingefahrene Methoden zu vermeiden bewahrt mich davor, meiner selbst und meiner Arbeit überdrüssig zu werden!
Ich betrachte die Lektion nicht als eine Reihe von sechs Abschnitten, die auseinandergenommen, analysiert und bewertet werden müssen, wenn man den Aufbau und die thematische Entwicklung erkennen will. Ich glaube, es ist gefährlich, die reine Christlichkeit der Erfahrung, in der jeder einzelne auf die stille sanfte Stimme der Wahrheit lauschen sollte, durch diese Art der Analyse zu ersetzen. Es muß eine individuelle Entfaltung sein. Ich glaube, daß, wenn wir uns allein damit befaßten, die Abschnitte zu prüfen, als ob wir eine literaturgeschichtliche Analyse vornähmen, dies gut zum kalten Buchstaben der Wissenschaft führen könnte. Ich schätze den Aufbau der Lektion sehr, die immer so geschickt und gebeterfüllt vom Bibellektionskomitee zusammengestellt wird. Aber das Element ihres Aufbaus darf nicht gegen das Wichtigste in meiner Erfahrung — mein eigenes geistiges Wachstum — eingetauscht werden.
Manchmal lese ich die Lektion schnell, zweimal hintereinander. Das ist sehr hilfreich, wenn ich sie schon einmal langsam gelesen und mir Notizen gemacht habe. Aber ein zügiges Lesen der Lektion, wenn es mit disziplinierter Aufmerksamkeit geschieht, gibt einem das Gefühl der Aktivität des Gemüts und läßt einen die vielen Definitionen von Gott und die vielen Beschreibungen Seiner Beziehung zu Seiner Schöpfung in einem schnell wechselnden Panorama geistiger Wahrheiten erkennen. Das kann dabei helfen, Interesselosigkeit oder lethargischen Mesmerismus zu brechen, was langsameres Lesen vielleicht nicht vermöchte. Langsameres, mehr analytisches Lesen hat jedoch seinen Platz.
Wenn ich jede Woche die Lektion lese, habe ich gewöhnlich ein Stück Papier für Notizen neben mir liegen, und aus jedem Abschnitt schreibe ich mir bestimmte Begriffe auf. Die Begriffe beziehen sich auf Tätigkeitswörter und zeigen, wie diese Tätigkeitswörter mit Gott, dem Mitmenschen, den täglichen Aufgaben usw. in Verbindung gebracht werden können. Eine Durchsicht dieser Notizen hilft, die Lektion schnell zu rekapitulieren und den Aufbau und Wirkungsbereich der Wahrheiten jener Woche ins Gedächtnis zurückzurufen. In manchen Wochen verbinden diese Notizen einen Abschnitt mit dem anderen; in anderen Wochen wieder steht jeder Abschnitt irgendwie für sich allein. Einmal drängte sich die Frage: „Was ist die größte Kraft in der Welt heute?“ so stark auf, daß ich noch zusätzliche Fragen stellte wie: Was, wo und wie nutzen wir sie? Und was tut sie? Und dann machte ich meine Notizen von jedem Abschnitt unter den verschiedenen Hauptfragen.
Dadurch, daß wir methodisch und systematisch, aber nicht stereotyp das Studium der Lektion in Angriff nehmen, wird unser Denken umgewandelt, und unsere Wachsamkeit, uns mit den Annahmen der Welt, die die Lektion aufdeckt, auseinanderzusetzen, wird erhöht. Notizen machen und analysieren diszipliniert das Denken, und wirksames Gebet geht mit diszipliniertem Denken Hand in Hand.
