Benutzen wir manchmal das Alter als eine Entschuldigung — als einen Vorwand, widerstandslos Begrenzungen hinzunehmen, die den Menschen durch die Annahme zu vieler oder zu weniger Jahre auferlegt werden? Die Welt schreibt allgemein dem fortgeschrittenen Alter gewiß viele Schwächen zu und entschuldigt auf diese Weise viele Unzulänglichkeiten. Am anderen Ende der Skala begrenzt die weltliche Annahme häufig junge Menschen mit der Behauptung, sie seien zu einem reifen Urteil oder einer verantwortungsbewußten Handlung nicht fähig.
Die Christliche Wissenschaft weist beide Annahmen zurück. Sie lehrt, daß der Mensch die Widerspiegelung Gottes ist, daß er immerdar vollständig und vollkommen ist und daß seine Reife oder Lebenskraft nicht von der Anzahl der Jahre abhängt. Außerdem zeigt sie, daß die Wahrheit über den Menschen, wenn sie erkannt wird, auch in unserer menschlichen Erfahrung durch den Nebel des sterblichen Trugbildes hindurchscheint und die falschen Annahmen von Begrenzung, die dem Alter zugeschrieben werden, zunichte macht.
Im Laufe der Geschichte haben Menschen große Dinge vollbracht, nachdem sie schon längst das Alter überschritten hatten, das normalerweise dem Ruhestand vorbehalten ist. Sie haben bewiesen und beweisen auch fernerhin, daß das Alter kein bestimmender Faktor ist, wenn es darum geht, Intelligenz und Lebenskraft zum Ausdruck zu bringen und die verschiedenartigsten Verpflichtungen zu erfüllen. Wenn wir etwas anderes glaubten und in unseren Bemühungen aufgrund sinkender Erwartungen nachließen, würde dies bedeuten, das Alter als eine Entschuldigung dafür zu benutzen, daß wir nicht die gottverliehenen Fähigkeiten des Menschen demonstrieren.
In Wissenschaft und Gesundheit schreibt Mrs. Eddy: „Jede weitere Stufe der Erfahrung entfaltet neue Ausblicke der göttlichen Güte und Liebe.“ . Wissenschaft und Gesundheit, S. 66; In jungen Jahren wie auch im Pensionsalter können wir die beständige Entfaltung rechter Ideen, die auf unsere Situation zutreffen und uns jeden Tag die volle Genüge geben, erwarten und erleben.
In Übereinstimmung mit dem jüdischen Gesetz wartete Jesus, bis er dreißig Jahre war, ehe er mit seiner öffentlichen Heilarbeit begann; doch als zwölfjähriger Junge hatte er sich bereits mit den Lehrern des Gesetzes im Tempel zu Jerusalem unterhalten, „und alle, die ihm zuhörten, verwunderten sich seines Verstandes und seiner Antworten“ Luk. 2:47;. Wir wissen sehr wenig über Jesu Kindheit oder Jugend, aber es wird uns berichtet, daß er nach dieser Erfahrung im Tempel mit Maria und Joseph nach Nazareth zurückkehrte und „ihnen untertan“ war und daß er zunahm „an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen“ V. 51, 52;. Gewiß mangelte es Christus Jesus niemals an geistigem Verständnis und geistiger Fähigkeit; doch gemäß den Worten der späteren Ermahnung des Paulus an die Korinther ließ er „alles ehrbar und ordentlich zugehen“ 1. Kor. 14:40;.
Mrs. Eddy schreibt: „Ich will nicht das Kind auf einmal in einen erwachsenen Menschen umgestalten, noch will ich, daß der Säugling lebenslang ein kleines Kind bleibe. Ich verlange nichts Unmögliches, wenn ich auf den Ansprüchen der Christlichen Wissenschaft bestehe; aber weil diese Lehre der Zeit voraus ist, sollten wir unser Bedürfnis nach ihrer geistigen Entfaltung nicht leugnen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 371;
Wenn wir die zeitlose Vollkommenheit des Menschen geltend machen, die nicht von der Anzahl der Jahre abhängig ist, leugnen wir dadurch keineswegs die fortwährende Notwendigkeit, diese Vollkommenheit durch geistigen Fortschritt in den noch folgenden Stadien unserer Erfahrung zu beweisen. In dem Verhältnis, wie wir erkennen, daß das echte geistige Selbst zugleich mit Gott besteht, niemals stirbt, durch Jahre gemessen, begrenzt oder definiert wird, legen wir die Einschränkungen der sterblichen Annahme ab, und die menschliche Kundwerdung entspricht dann eher der göttlichen Wirklichkeit.
Wenn wir die heimtückische Suggestion akzeptieren, daß fortgeschrittenes Alter die Notwendigkeit — oder die Entschuldigung — mit sich bringe, untätig oder unproduktiv zu werden, würden wir das Alter als Vorwand benutzen. Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit: „Wäre es nicht wegen des Irrtums, der alles Gute und Schöne abmißt und begrenzt, der Mensch würde mehr als siebzig Jahre genießen und dabei seine Kraft, seine Frische und Verheißung bewahren.“ ebd., S. 246.
Kraft, Frische, Verheißung — sie schließen weder Stagnation noch Resignation in sich. Sie beschränken sich nicht auf ein gewisses Alter oder einen bestimmten Lebensabschnitt.
Jedes Stadium stellt offenbar unterschiedliche Anforderungen. Und nicht alle Menschen machen auf dieselbe Art und Weise Fortschritte. Tatsache und absolut wahr ist aber, daß der Mensch Gott, das unendliche, göttliche Gemüt, ewiglich zum Ausdruck bringt. Wenn wir dies wissen, werden wir erkennen, daß wir alle jene Eigenschaften besitzen, die wir brauchen, um jede Verpflichtung zu erfüllen und jede Situation zu meistern. Dann besteht keine Notwendigkeit für eine Entschuldigung.