In einer schier ausweglosen Situation, als ich meine Familie zu ernähren hatte, es so gut wie keine Versorgung gab und zudem eine Arbeitsstelle unerreichbar schien, ging ich einmal mit bedrücktem Herzen in den Wald, in dessen Nähe ich damals wohnte. Ich betete innig um Hilfe, und sie kam auf wunderbare Weise.
Dort im Wald standen die höchsten Bäume meiner Heimat vor mir — es waren Buchen. Ich hatte sie oft betrachtet, aber nun sah ich etwas völlig Neues. Als ich an den hohen, schlanken Stämmen hinaufblickte, mußte ich an ihr Alter denken. Sie waren hundertachtzig bis zweihundert Jahre alt. Aber gleichzeitig erkannte ich etwas, was mich faszinierte. Diese herrlichen Bäume hatten nie einen Schritt in irgendeine Richtung getan, um versorgt zu werden. Sie waren immer versorgt worden, genau dort, wo sie standen.
Sollte ich nicht ein tiefes Vertrauen haben, und sollte ich nicht wissen können, daß Gott mich versorgen würde, genau dort, wo ich war? Mir fiel ein, was Christus Jesus einst gesagt hatte: „Sorget nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet ... Ist nicht das Leben mehr als die Speise ... ?“ Und im nächsten Vers: „Sehet die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?“ Matth. 6:25, 26;
Das war ein wunderbarer Gedanke, an den ich mich halten konnte. Voll Dankbarkeit und Vertrauen wollte ich schon umkehren. Nachdem ich aber diesen Gedanken einmal aufgegriffen hatte, wollte ich noch etwas tiefer forschen. Es kam mir plötzlich in den Sinn, daß Hunderttausende von unterschiedlich geformten Zellen zusammenwirkten, um den Saft von der Wurzel in die Blätter zu treiben. Mir wurde klar, wie jede einzelne der vielen Zellen an ihrem Platz die ihr zustehende Arbeit zum Wohle des Ganzen tat.
War nicht auch ich Teil eines Ganzen — nämlich Teil der Schöpfung Gottes, und hatte ich nicht meinen Platz und meine Arbeit und meine Versorgung? Und so wie keine Zelle der anderen den Platz streitig machen kann — wie keine sich vordrängen kann —, verhält es sich in Wahrheit auch mit den geistigen Ideen. Was sich uns als Mangel, Ungerechtigkeit, Übervorteilung, Verdrängtwerden darbieten mag, ist nicht die Wirklichkeit. Solche Suggestionen scheinen nur dann wirklich zu sein, wenn wir Gott und den Menschen noch nicht richtig verstehen. Wie das wundervolle Zusammenwirken der verschiedenen Zellen und Funktionen in den Bäumen — unhörbar und unsichtbar für uns — vor sich geht, so ist in Gottes Reich alles vorhanden, alles an seinem Platz und wirkt in vollkommener Harmonie zusammen. Jede Idee hat ihren Platz, ihre Aufgabe, ihre Versorgung.
Wieder wollte ich dankbaren Herzens umkehren. Und wieder mußte ich innehalten; diesmal, um die mächtigen Baumkronen zu betrachten. Ich wußte, daß alle Blätter so angeordnet sind, daß sie sich gegenseitig nicht behindern; ich wußte, daß die Äste, Zweige und Zweiglein so wachsen, daß sich die Blätter ungehindert entfalten können. Ich wußte auch, daß die Blätter vor allem zwei Aufgaben haben: Kohlendioxydgas in Sauerstoff umzuwandeln und das Regenwasser in die Wurzeln zu leiten. Aber nun fiel mir besonders auf, wie sich die Zweige ausstreckten, um Sonne und Regen zu empfangen, die sie für die Erfüllung ihrer Aufgabe benötigen. Mit Tränen der Freude und einem Herzen voller Dankbarkeit wußte ich plötzlich, daß ich nur meine Arme nach dem Segen ausstrecken mußte, den Gott schon für mich bereitet hatte. Wie die Bäume, mußte auch ich für den Segen bereit sein, der unausweichlich zu mir gehörte. Mein Denken mußte auf die Quelle der Versorgung, d. h. auf Gott, gerichtet sein; von Ihm — und von Ihm allein — würde ich alles empfangen, was ich benötigte.
Ich schämte mich meines Kleinmutes, meiner Sorgen, meiner Ängste! Ich erkannte die Wahrheit von dem, was Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit, dem Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, sagt: „Für alle, die sich auf den erhaltenden Unendlichen verlassen, ist das Heute reich an Segnungen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. vii;
Wenige Tage später wurde mir eine Arbeit angeboten, die nach einiger Zeit zu einer Beschäftigung in meinem Beruf führte. Das war vor mehr als fünfundzwanzig Jahren; Gottes Segen blieb bei mir.
Wie in der Natur jeder einzelne Baum und jede einzelne Pflanze ordnungsgemäß versorgt sind, so ist es auch mit den einzelnen Ideen, die die Gesamtidee Mensch ausmachen. Es lohnt sich wirklich, darüber nachzudenken!
Die Bäume lehrten mich, dankbarer anzuerkennen, daß unsere Abhängigkeit von Gott unser Schutz ist und unser Wachstum fördert. Das Lehrbuch sagt uns: „Die Natur verkündet das natürliche geistige Gesetz und die göttliche Liebe; die menschliche Annahme aber mißdeutet die Natur. Die Polarregionen, die sonnigen Tropen, die riesenhaften Berge, die beschwingten Winde, die mächtigen Wogen, die grünenden Täler, die heiteren Blumen und die herrlichen Himmel — sie alle weisen auf Gemüt hin, auf die geistige Intelligenz, die sie widerspiegeln.“ ebd., S. 240.
