Die Heiltätigkeit der Christlichen WissenschaftChristian Science (kr’istjən s’aiəns) könnte man als die Wiederherstellung der Einheit des Menschen mit Gott bezeichnen. Denn alle unsere Probleme entstammen der Annahme von Trennung — unserer Trennung von Gott, dem unendlich Guten! Und die Lösung der Probleme ergibt sich aus der Erkenntnis, daß der Mensch tatsächlich geistig ist, die unendliche, individualisierte Idee Gottes, die ewiglich von Seiner Liebe umgeben ist und sie zum Ausdruck bringt.
Gott und Seine Schöpfung, der Mensch und das Universum, sind eins — eins im Sein, wenn auch unterschiedlich als Ursache und Wirkung, Gemüt und Idee. Wäre Gott auch nur zum Teil von Seinem Ausdruck, dem geistigen Menschen und dem geistigen Universum, getrennt, dann wäre Er unvollkommen. Gottes Allheit liegt in Seiner Einheit und Universalität; Geist schließt alles in sich, was wirklich existiert. Durch die Erkenntnis, daß wir selbst und unsere Mitmenschen als Gottes Ideen mit dieser Unendlichkeit eins und folglich vollständig sind, kommt der umherirrende, suchende, sehnsuchtsvolle Sinn des menschlichen Herzens zur Ruhe.
„Wiederherstellung der Einheit mit Gott“ ist allerdings ein unzulänglicher Begriff. Er bezeichnet das Erwachen des menschlichen Bewußtseins zu dem geistigen Zustand der Einheit mit Gott, der immer bestanden hat — zu dem Zustand der Widerspiegelung von Gottes unteilbarer Ganzheit und Vollkommenheit, in dem wir stets unversehrt sind und nie von dem Sein, das unendliches Gemüt ist, getrennt sind. Wenn wir unsere Einheit mit Gott wiederherstellen, geben wir lediglich unseren Glauben an das Sterbliche zugunsten des Verständnisses vom Göttlichen auf. In diesem Sinne kehren wir in das Haus unseres Vaters zurück, wir vereinigen uns wieder mit der Wirklichkeit oder dem Himmel, wir unterwerfen uns unter das göttliche Bewußtsein, in dem alles als geistig und harmonisch erkannt wird. Verdammung und Schuldgefühle verschwinden durch die Erkenntnis, daß der Mensch als Gottes eigenes Kind, als das unbefleckte Bild des Geistes, unschuldig ist. Hier finden sowohl der verlorene wie der zu Hause gebliebene Sohn ihre von Gott erschaffene, geistige Identität, und beide erfreuen sich an dem Segen des Vaters: „Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist dein.“ Luk. 15:31;
Wenn wir uns unserer Einheit mit Gott bewußt werden, weicht aller Glaube an die Materie und ihre Mängel der Erkenntnis, daß das wahrhaft Gute geistig und unendlich ist. Geistig gesehen, sind Angebot und Nachfrage eins. Sie existieren nicht getrennt voneinander. Die bewußte Vereinigung des Menschen mit der wahren Substanz, Geist, schließt Mangel aller Art und jeden Grades aus. Und das Verständnis dieser Tatsache versorgt uns mit allem, was wir menschlich gesehen benötigen.
Im Hause unseres Vaters, in dem geistigen Bewußtsein des unendlich Guten, sind begrenzende Messungen unbekannt. Mary Baker Eddy, die die Christliche Wissenschaft entdeckt und gegründet hat, schreibt: „Wäre es nicht wegen des Irrtums, der alles Gute und Schöne abmißt und begrenzt, der Mensch würde mehr als siebzig Jahre genießen und dabei seine Kraft, seine Frische und Verheißung bewahren.“ Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 246; Wollten wir Gott, Leben, oder eine Seiner Eigenschaften — Intelligenz, geistigen Reichtum, Freude, Stärke, Fähigkeit — messen, versuchten wir, ihnen eine materielle und daher begrenzende Dimension zuzuschreiben. Die Annahme, daß das Gute meßbar sei, läßt uns Mangel leiden, verarmt und begrenzt uns.
Da alles Wirkliche geistig ist, ist es unendlich. Geist hat nur ein Maß — die Unendlichkeit — ohne Anfang und ohne Ende. „Allheit“, heißt es in Wissenschaft und Gesundheit, „ist das Maß des Unendlichen, und nichts Geringeres kann Gott ausdrücken.“ ebd., S. 336; Was für eine geistige Idee oder Eigenschaft durch menschliche Nahrung, Energie oder andere Weise verkörpert werden mag, wir können gewiß sein, daß sie unteilbar und unendlich und überall in der Welt vorhanden und demonstrierbar ist, weil sie geistig ist. Die Erkenntnis dieser Tatsache ist Gebet — ein Gebet, das uns von Mangel befreit, angefangen beim einzelnen bis zur ganzen Menschheit.
Es ist eine geistige Tatsache, daß eine einzelne Identität oder Identitäten das Unendliche nicht beschränken und das Unteilbare nicht teilen können, sondern daß alle alles haben. Es gibt nur einen unendlichen, unteilbaren Vorrat, ein Glück, eine Liebe, eine Vortrefflichkeit, die jeder einzelne widerspiegelt; eine Gesundheit, eine Vitalität, eine belebende Kraft. Alles geistig Gute ist in unendlichem Maße in jeder geistigen Identität vorhanden. Mrs. Eddy erklärt: „In der wissenschaftlichen Beziehung von Gott zum Menschen sehen wir: was einen segnet, segnet alle, wie Jesus es an den Broten und den Fischen zeigte — da Geist und nicht die Materie die Quelle aller Versorgung ist.“ ebd., S. 206;
Wenn ich, wissenschaftlich ausgedrückt, als Widerspiegelung des Geistes Verständnis besitze, besitzen auch Sie es — das eine unendliche Verständnis, unermeßlich und ewig, das in Ihrem und meinem und jedermanns wahrem Selbst unendlich individualisiert wird. Geistige Ideen und Eigenschaften sind unerschöpflich. Ja, wir besitzen sie immer. Wenn wir dies erkennen, wird in unseren menschlichen Angelegenheiten das Gute in reichem Maße und in sichtbarer, konkreter Form in Erscheinung treten.
Alles Heilen — ob es den Geldbeutel, den Körper, die Kirche, den Beruf oder das Heim betrifft — ist eine Wiederherstellung der Einheit mit Gott oder ein Erwachen zu dieser Einheit. Vollständigkeit, Integrität oder Gesundheit ist ein geistiger Zustand, und dieser wird durch körperliche Gesundheit demonstriert, und zwar in dem Maße, wie wir die Gegenwart wahrer Gesundheit und ihre Vollkommenheit im Gemüt erkennen und akzeptieren.
Die Annahme von Zerfall wird durch ein Verständnis der Gegenwart und Wirksamkeit des göttlichen Gesetzes der Kohäsion zerstört, das jede geistige Identität unversehrt und vollständig erhält. Das Verständnis dieses Gesetzes ist auch der heilende Balsam für den einzelnen, für Familien und Länder, die unter der Lüge der Zersplitterung leiden.
Wenn unsere Überzeugung wächst, daß das göttliche Gesetz der Kohäsion unaufhörlich im Himmel wirkt, tragen wir dazu bei, daß dieses Gesetz hier auf Erden an Einfluß gewinnt. Gott regiert Sein Universum — das einzig wirkliche Universum. Und unter Seiner Regierung — der einzig wirklichen Regierung — sind die „Exekutive“, die „Legislative“ und die „Justiz“ nicht drei voneinander getrennte Wesen, sondern drei Aspekte des einen alles regierenden Prinzips. Der Prophet Jesaja wies auf die Einheit und Kohärenz dieser drei Aspekte der göttlichen Herrschaft hin, als er verkündete: „Der Herr ist unser Richter, der Herr ist unser Gesetzgeber, der Herr ist unser König.“ Jes. 33:22 [n. der engl. King-James-Ausgabe]; Diese drei Aspekte der Regierung Gottes können nicht miteinander im Streit liegen. Und die getreue und verständnisvolle Anerkennung dieser Tatsache stützt und stärkt eine gute Regierung.
Was ist beglückender, als Gottes Gesetz der Kohäsion unter unserem eigenen Dach anzuwenden, und wo finden wir reichlicher Gelegenheit dazu als hier? Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß Erfahrung subjektiv ist, daß die Welt um uns her in Wirklichkeit die Welt in unserem Denken ist. Wie wunderbar, daß wir uns unsere Gedanken selbst aussuchen können! Wie wunderbar, daß es völlig in unserer Hand liegt, eine wachsende, ständig reifer werdende Beziehung zu denen zu erlangen, die wir lieben, ja, eine geistige Einheit mit ihnen zu erreichen!
Wenn wir unseren Ehepartner oder jemanden, den wir kennen, nicht als einen Sterblichen betrachten, sondern lernen, ihn als einen individuellen Ausdruck aller Eigenschaften und Ideen Gottes zu sehen, erhalten wir einen Schimmer von der universalen Bedeutung der Worte Christi Jesu: „Wer mich sieht, der sieht den Vater!“ Joh. 14:9; Wer die geistige Identität von Ehemann, Ehefrau, Nachbar oder Geschäftspartner sieht, der sieht, wie Gottes eigenes Wesen zum Ausdruck kommt, wie sich Gemüt in Weisheit widerspiegelt, Seele in Schönheit und Güte, Prinzip in Zuverlässigkeit, Geist in der Fähigkeit zu wachsen, Leben in Frische und Lebensfreude, Wahrheit in Wahrhaftigkeit, Liebe in Zärtlichkeit, Wärme und Großzügigkeit.
Wir entdecken, daß unsere Einheit mit Gott als Sein Ausdruck, unsere Einheit mit dem göttlichen Ursprung alles dessen, was lieb, sanft, rein, verständnisvoll, edel, erhaben, stark und lieblich ist, den Kern und das Endziel aller befriedigenden zwischenmenschlichen Beziehungen darstellt. Und unsere Demonstration dieser Einheit hängt nur davon ab, daß wir sie verstehen, daß wir die unendliche Liebe und ihre individualisierte Idee, den geistigen Menschen, erkennen. Die Emanzipation der Frau — und des Mannes — wird in dem Maße erreicht werden, wie wir lernen, uns hinsichtlich der Bedürfnisse des Herzens nicht auf einander, sondern auf Gott zu verlassen.
Solch eine Freiheit von gegenseitiger Abhängigkeit verschont uns auch von Schmerz, wenn wir aus dem einen oder anderen Grund von denen, die wir lieben, getrennt werden. Wenn wir uns bewußt mit Gott und Seinen Eigenschaften verbinden, wissen wir, daß wir niemals allein sein können, daß uns niemals all das, was uns teuer ist, genommen werden kann. Und wenn wir alle, die wir lieben, immer mehr als Beweis der Gegenwart Gottes, als den eigentlichen Ausdruck Seiner Eigenschaften und Ideen sehen, stellen wir fest, daß wir weiter nichts verlieren können als die Annahme von Verlust, die Annahme von Trennung. Gottes Mensch ist niemals allein, isoliert, entfremdet, verlassen, unerwünscht oder nutzlos, weil er ja untrennbar mit Gott vereint ist. In diesem geistigen Einssein wird das tiefe Sehnen des Herzens gestillt, wenn wir diese eine göttliche Beziehung erkennen und demonstrieren, auf die sich alle befriedigenden zwischenmenschlichen Beziehungen gründen.
Die Wiederherstellung unserer Einheit mit Gott bringt uns in jeder Hinsicht mit dem ersten Gebot in Einklang. Wenn wir danach streben, diesem allumfassenden Gesetz oder dieser allumfassenden Wahrheit — vom vollkommenen Gott und vollkommenen Menschen und nichts anderem — immer mehr Gehorsam zu leisten, kommen wir nach und nach zu der Erkenntnis, daß es nicht zweierlei Dasein gibt, ein wirkliches und ein unwirkliches. Wir spüren immer mehr die Wahrheit der einen geistig vollkommenen Wirklichkeit und erkennen, daß sie genau da ist, wo wir sind, und zwar in diesem Augenblick. Wir sehen, daß der Himmel genau da ist, wo wir uns befinden, und daß er überall ist; daß der Gott, in dem wir „leben, weben und sind“ Apg. 17:28., uns umgibt, unser Wesen ausmacht und uns mit allem erfüllt, was Er ist. Die Wiederherstellung der Einheit enthüllt die göttliche Koinzidenz — Gott, Geist, und Seinen Ausdruck, den Menschen —, die hier und jetzt demonstriert wird, gerade da, wo es Sterbliche zu geben scheint. Alles Gute, das völlig geistig ist, alles, was uns je fehlen könnte oder was wir uns je zu Recht wünschen könnten, steht uns an genau diesem Ort und überall, jetzt und für immer zur Verfügung und wird im menschlichen Bewußtsein fühlbar wahrgenommen. Kein Sehnen mehr nach einem fernen Land! Nur die freudige Erkenntnis der einen unendlichen, heiligen Gegenwart, nämlich Gott — Gott, der Seine geliebten Kinder, all Seine prächtigen Ideen, in einem glücklichen, zusammenhängenden Ganzen umfaßt!
