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Mehr als bloße Worte

Aus der September 1979-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Wenn jemand in das abgedunkelte Zimmer von Markus gegangen wäre, hätte er annehmen können, daß Markus ganz einfach auf dem Bett eingeschlafen sei, ohne sich auszuziehen. Weit gefehlt. Mit eisernem Willen versuchte er, sich auf die „Astralprojektion“ oder „Seelenreise“ zu konzentrieren. Er hatte diese Technik aus einigen Büchern gelernt, die er gelesen hatte — angeblich waren es die autobiographischen Erlebnisse eines tibetanischen Lamas. (Später erfuhr er, daß sie von einem in Kanada lebenden Schwindler geschrieben worden waren.)

Anfangs waren die Bücher eine willkommene Abwechslung von der Eintönigkeit des Internatslebens. Es wäre bestimmt unterhaltsamer, dachte er, über mystische okkulte Mächte, über Flüge in menschengesteuerten Drachenmaschinen, über die halsbrecherische Flucht aus der chinesischen Armee zu lesen, als sich auf den Biologieunterricht vorzubereiten und die Teile des Baumes auswendig zu lernen. Aber in letzter Zeit hatte sich Markus gefragt, ob nicht doch etwas Wahres daran sei — ob er tatsächlich mystische Kräfte entwickeln könnte, die keiner, ganz gewiß nicht seine Klassenkameraden, in ihm vermuten würden.

Obwohl Markus’ Bemühungen, in seinem unsichtbaren Astralleib ferne Ziele anzusteuern, fehlschlugen — letzten Endes schlief er darüber ein —, begann er doch, alles zu studieren, was er über Zen und den tantrischen Buddhismus, über Taoismus, Astrologie, das Unbewußte und über Traumdeutung finden konnte. Er las alles, was ihm die Existenz einer mystischen Welt versprach, in die er sich vom gewöhnlichen Trott des Unterrichts, Sports und der Hausaufgaben zurückziehen konnte.

Später, als Markus das College besuchte, brachte ihm ein Freund aus der Skimannschaft bei, wie man meditiert. Dieser hatte es bei einem richtigen Zen-Meister gelernt. Markus ging nun jeden Morgen um halb sechs in den Aufenthaltsraum im Gebäude der Fakultät für Kunst, setzte sich im Türkensitz auf ein Kissen und versuchte, die Gedanken, die an ihm vorüberzogen, unbeschwert zu beobachten. Nach einer Stunde kam meistens der Hausmeister, und Markus genierte sich, länger zu bleiben.

Obwohl Markus früher die christlich-wissenschaftliche Sonntagsschule besucht hatte, war er vor seinem zwanzigsten Lebensjahr zu dem Entschluß gekommen, daß man die Wahrheit nicht in Worte fassen könne. Mrs. Eddys prägnante Feststellung: „Gott ist unkörperliches, göttliches, allerhabenes, unendliches Gemüt, Geist, Seele, Prinzip, Leben, Wahrheit, Liebe“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 465; erschien ihm offensichtlich und prosaisch. Und war nicht auch das biblische Gebot „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ Mark. 12:31; ein bißchen zu vereinfacht? Markus gelangte zu der Überzeugung, daß Wahrheit etwas Rätselhaftes und Unerklärbares sei, dem man nur näherkommen kann, wenn man jahrelang Schüler eines Zen-Meisters war oder sein Leben als Einsiedler irgendwo in einer Höhle in den Himalajas verbringt.

Was Markus jedoch unsicher machte, war die Tatsache, daß ihm keines der Bücher, die er über den östlichen Mystizismus las, irgend etwas gab, woran er sich klammern konnte. Nach seinen Meditationsübungen war er mehr oder weniger ruhig, doch kaum war der Morgen halb vorüber, fühlte er sich wieder gelangweilt, niedergeschlagen, oder er machte sich Sorgen wegen seines Studiums. Er brauchte Richtlinien, mit deren Hilfe er die täglichen Probleme erfolgreich bewältigen konnte; beispielsweise wenn er und seine Freundin scheinbar gar nicht miteinander auskamen oder wenn er, was nur zu oft der Fall war, abends einfach nicht lernen konnte. Tatsächlich machte ihm sein Studium schwer zu schaffen. Das Leben schien für Markus unbefriedigender denn je, und er hatte gewiß nicht das Gefühl, auf dem Weg zur Erleuchtung vorangekommen zu sein.

Zuerst war ihm nicht bewußt, daß er Heimweh hatte — Heimweh nach den klaren, einfachen Wahrheiten, die er in der Sonntagsschule gelernt hatte. Mit der Zeit kamen ihm einige dieser Gedanken wieder in den Sinn, obwohl er anfangs versuchte, sie auszuschalten. Es waren grundlegende Dinge, beispielsweise daß Gott gut ist und den Menschen gut geschaffen hat, ohne Komplexe und Unsicherheit.

Markus’ Trainer war ein Christlicher Wissenschafter und schien immer fröhlich und freundlich zu sein. Wenn auch Markus es nicht eingestehen wollte, so wußte er doch, daß die Religion diesen Mann zu dem machte, was er war. Beinahe zögernd begann Markus, zwischen Meditation und Frühstück die Bibellektion aus dem Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft zu lesen. Dabei suchte er zunächst nach Ideen, die dem Buddhismus gleichen könnten.

Er sah, daß die Christliche Wissenschaft tatsächlich lehrt, daß das materielle Leben eine Illusion ist. Aber anstatt das Untertauchen in die Leere zu predigen, gibt diese Wissenschaft praktische, anwendbare Ideen über Gott und den Menschen. Er erkannte, daß die falschen Annahmen, die er über sich selbst akzeptiert hatte, sein Leben unglücklich machten — z. B. die Annahmen, daß er Schwierigkeiten habe, weil er ohne Vater aufgewachsen war, und daß er keine Selbstdisziplin üben könne. Er begann diese Annahmen in Frage zu stellen und war bemüht, sich mehr des Guten bewußt zu werden, und das Gute anzuerkennen, das die Menschen um ihn her zum Ausdruck brachten. Und dann begann er — obgleich er gegen den Schlaf ankämpfen mußte —, sein Lesepensum zu schaffen und Referate nicht bis zur letzten Minute aufzuschieben. Noch war er aber nicht sicher, ob die Christliche Wissenschaft wirklich die Wahrheit war und ob sie ihn wirklich heilen konnte. Er konnte sich nicht daran erinnern, in seiner Kindheit je einen überzeugenden Beweis davon erhalten zu haben. Aus der Bibel wußte er, daß Christus Jesus heilte, aber tat das auch die Christliche Wissenschaft?

Einige Monate nachdem er das Meditieren aufgegeben hatte, bot sich ihm die Gelegenheit, die Christliche Wissenschaft zu beweisen. Eines Morgens erwachte er mit starken Halsschmerzen. Furcht überkam ihn. Er zog sich anscheinend jeden Winter eine Erkältung zu, die meistens zwei Wochen dauerte und immer so anfing. Doch diesmal wußte er, daß er beten mußte. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und versuchte ruhig zu sein.

Zuerst wußte Markus nicht, wie er anfangen sollte. Doch er erkannte bald, daß Furcht der eigentliche Feind war. Er erinnerte sich an folgenden Bibelvers: „Die völlige Liebe treibt die Furcht aus“ 1. Joh. 4:18; und sagte immer wieder: „Gott ist Liebe.“ Aber es war wie das Hornberger Schießen. Die Furcht wollte einfach nicht weichen. „Wenn ich diese Furcht nicht loswerde“, murmelte er vor sich hin, „wird sie auch weiterhin Macht über mich haben.“ Ein anderer Bibelvers kam ihm in den Sinn: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Zucht.“ 2. Tim. 1:7. Und wie die Sonne, die plötzlich durch die Wolken bricht, so erleuchtete die folgende Erkenntnis sein Denken.

„Das bedeutet, daß Gott mir kein Gemüt gegeben hat, das Furcht empfinden kann. Furcht ist nichts anderes als die Annahme, daß es ein von Gott, Liebe, getrenntes Gemüt gebe. Sie ist eine Lüge, ein Nichts, und solange ich sie nicht akzeptiere, kann sie mich nicht berühren.“ Jetzt war er sich der Gegenwart der göttlichen Liebe wirklich bewußt. Plötzlich empfand er weder Ungewißheit noch Sorge — nur noch völligen Frieden. Nachdem er sich einige Minuten lang dankbar diesem Bewußtsein hingegeben hatte, spürte er, daß er frei atmen konnte und die Halsschmerzen vollständig verschwunden waren.

Als Markus später bei strahlend blauem Winterhimmel zum Frühstück in die Mensa lief, erfüllte ihn eine Freude, die er nie zuvor gekannt hatte. Die Christliche Wissenschaft, das wußte er jetzt, bestand nicht aus bloßen Worten. Sie war die Macht der Wahrheit selbst, und sie heilte.

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