„Was denkt ein Christlicher Wissenschafter über Behinderte?“ fragte meine Freundin. Sie kam gerade von einem Sommerlager für körperlich und geistig Behinderte zurück, in dem sie gearbeitet hatte, und wir verbrachten einige Tage zusammen, bevor die Schule anfing.
Diese Frage beschäftigte mich sehr, und einige Zeit später fiel mir ein Vergleich ein, der mit einem anderen Thema zusammenhing, über das wir diskutiert hatten. Meine Freundin hatte gerade ihr vorletztes Jahr in der Sekundarschule beendet und überlegte sich, bei welchem College sie sich bewerben sollte. Obwohl sie eine begabte Schülerin war und immer gute Leistungen erzielt hatte, zögerte sie, sich bei den Hochschulen zu bewerben, die sie für die besten hielt, weil sie fürchtete, abgelehnt zu werden. Mangelndes Selbstvertrauen schien ihre Möglichkeiten zu begrenzen.
Wer hatte ihre Fähigkeit, ihre Intelligenz und ihre akademischen Leistungen für unzureichend erklärt, fragte ich mich. Die für die Zulassung der Studenten verantwortlichen Verwaltungsabteilungen hatten es nicht getan. Sie hatten sie noch nie abgelehnt, sie noch nie zurückgewiesen, ihr noch nie gesagt, sie sei nicht gut genug. Offensichtlich wurde sie von einer falschen Einschätzung ihrer Fähigkeiten gehemmt.
Dann kam mir der Gedanke, daß auch die Frage über die Behinderten von einer falschen Bewertung ausging. Keine menschliche Unzulänglichkeit kann legitimerweise für endgültig gehalten werden. Jede Art von Begrenzung ist letztlich eine Lüge über den Menschen. Gott hat den Menschen weder zur Schwäche noch zum Versagen verurteilt. Gott sieht uns als Seine intelligenten, vollkommenen Ideen. Das ist alles, was Er sieht, denn Er hat uns vollkommen gemacht, weil Er vollkommen ist. Die Wahrheit des Seins ist tatsächlich gut verständlich. Gott ist Liebe. Geradeso wie eine Mutter ihr Kind liebt und niemals wünscht, es krank zu machen, liebt Gott uns und würde niemals veranlassen oder auch nur erlauben, daß wir leiden, verkrüppelt oder behindert sind. Und Gottes Liebe zu uns ist viel größer als die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind, weil Seine Liebe unendlich ist.
Sie mögen fragen: „Wie kommt es dann aber zu all der Häßlichkeit, Krankheit, dem Tod und Haß, die ich in der Welt sehe?“ Nun, wie kommt es dazu? Die für die Zulassung der Studenten verantwortlichen Personen an den Hochschulen haben meiner Freundin noch nie gesagt, daß sie eine schlechte Schülerin sei, und ebensowenig sagt Gott uns, daß wir begrenzte, leidende, verkrüppelte oder behinderte Menschen sind. Im Gegenteil, die Christliche Wissenschaft zeigt, daß ein geistiges Verständnis von Gottes wahrer Schöpfung diese Lügen zu zerstören beginnt.
Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit: „Wenn wir in der materiellen Selbstheit aufgehen, erkennen wir die Substanz des Lebens oder des Gemüts nur schwach und spiegeln sie nur schwach wider. Das Verneinen der materiellen Selbstheit verhilft zu der Erkenntnis der geistigen und ewigen Individualität des Menschen, und es zerstört das irrige Wissen, das wir von der Materie oder durch das, was die materiellen Sinne genannt wird, erworben haben.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 91;
Wenn wir „in der materiellen Selbstheit aufgehen“, sind wir von der weltlichen Annahme hypnotisiert, der Mensch sei ein materieller Körper und sein Leben sei ein begrenztes, irdisches, von Gott getrenntes Dasein. Um diesen Bann zu brechen, müssen wir alle irrigen Vorstellungen zurückweisen, die wir über uns selbst und alle anderen Menschen akzeptiert haben, und Gottes Menschen, Seine fehlerfreie Schöpfung, wahrnehmen.
Selbst diejenigen, die man als „zurückgeblieben“ oder „geistig behindert“ bezeichnet, werden schließlich lernen, daß sie, genauso wie alle, die Fähigkeit haben, sich selbst als vollkommene Idee des göttlichen Gemüts zu erkennen. Dieses Wahrnehmungsvermögen ist völlig geistig, denn was es erfaßt, ist geistig. Es geht von der Seele aus, nicht vom menschlichen Gehirn, und kann daher weder beeinträchtigt werden noch mangelhaft sein. Paulus bekräftigte dies, als er an die Christen in Korinth schrieb: „Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, daß wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist.“ 1. Kor. 2:12; Niemandem kann diese Gabe vorenthalten werden.
Geistige und körperliche Unzulänglichkeiten werden oft für hoffnungslos und unheilbar gehalten, aber Christus Jesus nahm einen solchen Urteilsspruch niemals an. Er wußte, daß Empfänglichkeit für die Wahrheit nicht von den körperlichen Sinnen abhängt. Hätte er geglaubt, sie hinge von ihnen ab, wären die Blinden, Tauben, Stummen und Geistesgestörten niemals von ihm geheilt worden. Selbst wenn die Sehkraft, das Gehör, die Sprache und die mentale Kapazität beeinträchtigt oder ganz verloren schienen, zeigte Jesus, daß die geistigen Sinne, mit denen wir das wahre Selbst erkennen und zum Ausdruck bringen, immer unversehrt sind.
Jesus heilte Mißbildungen, weil er verstand, daß der Mensch der harmonische Ausdruck Gottes ist. Nichts kann uns unserer Fähigkeit berauben, die Freiheit des geistigen Selbst zu beweisen. Jesus wußte dies; er befahl dem Mann mit der verdorrten Hand: „Strecke deine Hand aus!“ Matth. 12:13; und stellte sie wieder her. Keine falschen Vorstellungen, die von diesem Mann oder sonst jemandem gehegt wurden, hatten wahre Macht. Jesus wußte dies und bewies es. Er sah, daß diese Vorstellungen keine Ursache, keine Grundlage hatten — sie waren einfach nicht wahr, weil sie nicht von Gott kamen. Mrs. Eddy erklärt in ihrer Antwort auf die Frage „Was ist der Mensch?“ u. a.: „das, was keine einzige Eigenschaft hat, die nicht der Gottheit entlehnt ist; das, was weder Leben, Intelligenz noch schöpferische Kraft aus sich selbst besitzt, sondern alles seinem Schöpfer Zugehörige geistig widerspiegelt.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 475.
Der Mensch spiegelt immerwährend die Intelligenz wider, die Gott gehört, dem Gemüt, das weder getrübt noch beeinträchtigt werden kann. Je besser wir diese Tatsache verstehen und für uns selbst beweisen, desto sichtbarer wird sie in der Welt werden.
