Heidi half gern ihrer Mutti bei der Arbeit, vor allem wenn sie Brot backte. Heute sollte es für Heidi ganz besonders interessant werden, denn die Mutter wollte ihr erklären, wie man es macht. Die Mutter band ihr eine Schürze um — sie mußte die Bänder zweimal um Heidis Taille wickeln —, zog einen Stuhl an den Küchentisch heran, auf dem Heidi stehen konnte, und dann begann das Abenteuer.
Schritt für Schritt folgten sie dem Rezept im Kochbuch. Heidi fand eine der Zutaten besonders interessant, die, wie die Mutter sagte, in dem Teig nicht fehlen durfte — die Hefe. Die Mutter erklärte Heidi, daß die Hefe den Teig zum Gehen bringe, der Teig aber an einem warmen Platz stehen müsse, um aufgehen zu können. Sie deckte die Schüssel, in der der Teig lag, mit einem Tuch zu und stellte sie in das sonnige Küchenfenster.
In diesem Augenblick krachte eine Planierraupe durch den Zaun und riß Pflanzen und Bäume um. Der Fahrer entschuldigte sich sehr und schlug vor, sie sollten mit seinem Vorgesetzten über den Schaden sprechen. Aber der Vorgesetzte wollte nicht darüber sprechen. Er wollte überhaupt nichts besprechen und legte einfach den Hörer auf.
Vati war böse. Er sagte, sie sollten einen Rechtsanwalt anrufen. Die Mutter meinte, es wäre besser, den Mann noch einmal anzurufen. Aber Heidi war verwundert und sagte, sie sollten beten. Das war die allerbeste Idee, und so beteten sie.
Dann erinnerten sie sich an den Brotteig. Obwohl draußen vor dem Fenster, in dem er stand, großer Schaden angerichtet worden war, ging er ruhig auf. Die Trümmer dort draußen schienen die Hefe nicht im geringsten zu beeinflussen. Sie arbeitete einfach weiter.
Dies erinnerte Heidi und ihre Eltern an eine Stelle, die sie in Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy gelesen hatten: „Die Zeiten gehen dahin, aber dieser Sauerteig der Wahrheit wirkt immerdar. Er muß die ganze Masse des Irrtums zerstören und also in der geistigen Freiheit des Menschen ewiglich verherrlicht werden.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 118; Die Mutter erklärte, daß Hefe wie der Sauerteig ein Treibmittel sei und daß auch Wahrheit in gewissem Sinne ein Sauerteig ist. Beide wirken im stillen, und beide bewirken eine Veränderung. Sie erkannten, daß sie ein Treibmittel hatten, mit dessen Hilfe sie die Situation heilen konnten. Ihr Treibmittel war die Wahrheit. Christus Jesus sagte: „[Ihr] werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ Joh. 8:32;
Welche Wahrheit mußten sie erkennen? Nun, welche Lüge glaubten sie? Sie glaubten, jemand handle unbesonnen, und das hatte sie furchtsam, ärgerlich und ungeduldig gemacht. Sie wußten, was sie zu tun hatten; sie mußten sich die Wahrheit über den Menschen klarmachen, wie sie es in der Christlichen Wissenschaft gelernt hatten. Sie mußten erkennen, daß der Mensch Gottes Zeuge und daß Gott Liebe ist. Sie beteten nicht, daß sich der Vorgesetzte ändern möge; vielmehr beteten sie, um ihn so zu sehen, wie er in Wirklichkeit war, wie Gott ihn geschaffen hat. So macht man sich die Wahrheit über den Menschen klar.
Es war nicht leicht. Weißt du warum? Ab und zu erinnerten sie sich daran, was geschehen war, und sie wurden wieder ärgerlich. Dies zeigte ihnen, daß sie sich die Wahrheit nicht wirklich klarmachten, sondern sie nur vor sich hin sagten. Dann dachten sie daran, was der Teig brauchte, um gehen zu können. Weißt du noch, was es war? Der Teig hätte im Kühlschrank nicht hochgehen können, nicht wahr? Er brauchte Wärme. Welche Wärme mußten sie wohl ihren Wahrheitserklärungen hinzufügen? Was erfüllt dich mit einer inneren Wärme? Ist es nicht das Gefühl, daß Gott dich liebhat?
Heidi und ihre Eltern mußten ihren Wahrheitserklärungen Liebe hinzufügen! Sie wandten sich an die Bibel und Wissenschaft und Gesundheit um Führung und stellten fest, daß wirklich liebevolles Denken ihren Ärger, ihre Furcht und ihre Ungeduld vertreiben würde, weil Gott Liebe ist.
In der Bibel lasen sie, wie sie die Furcht überwinden konnten. Dort heißt es: „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die völlige Liebe treibt die Furcht aus.“ 1. Joh. 4:18; Wie konnten sie einen Menschen fürchten, den sie liebhatten — einen Menschen, über den sie sich die Wahrheit klarmachten? Ihre Furcht verschwand ganz einfach. Und was verschwand mit ihr? Der Ärger! Als sie sich bemühten, über diesen Menschen, den Gott geschaffen hat, liebevoll zu denken, konnten sie nicht mehr ärgerlich sein. Die Hefe der Wahrheit war jetzt tatsächlich am Wirken. Ihre Gedanken über den Menschen wurden umfassender, geradeso wie der Teig aufging!
Nur eines mußte noch geheilt werden — ihre Ungeduld. Sie wollten, daß etwas mit dem Zaun genauso schnell geschehen würde wie mit ihrem Denken. Es erschien nicht richtig, ihn in dem gegenwärtigen Zustand zu lassen. Deshalb nahmen sie wieder die Bücher zur Hand und suchten nach weiteren Anweisungen.
Was brauchten sie wohl, um ihre Ungeduld zu heilen? Wiederum war es Liebe! In Wissenschaft und Gesundheit fanden sie den Rat: „Warte geduldig, bis die göttliche Liebe auf den Wassern des sterblichen Gemüts schwebt und den vollkommenen Begriff bildet. Geduld ‚aber soll ihr Werk tun bis ans Ende‘.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 454. Dies sagte ihnen, daß ihre Hefe, die Wahrheit, in jenem Augenblick auf ihre Weise im stillen am Wirken war und sie nur Vertrauen haben mußten, daß die Wahrheit die notwendige Änderung bewirken würde.
Jetzt hätten sie doch beinahe vergessen, nach dem Brotteig zu sehen. Sie nahmen das Tuch von der Schüssel — der Teig war aufgegangen! Die Mutter wollte das Brot in den Ofen schieben, als das Telefon klingelte. Am Apparat war einer der Männer, mit dem sie zuvor gesprochen hatten. Er teilte ihnen mit, daß sie den Schaden beheben würden. Das Problem war gelöst. Der Sauerteig der Wahrheit und Liebe hatte in ihrem Denken gewirkt wie die Hefe im Brotteig.
Alle drei, Vati, Mutti und Heidi, hatten an jenem Tag mehr gelernt, als Brot zu backen.
