Wie man Integrität erlangen kann, ist verschiedenartig beschrieben worden; von der pragmatischen Weisheit in George Washingtons Abschiedsrede, daß „Ehrlichkeit immer die beste Politik“ sei, bis zu Shakespeares Worten in Hamlet: „Sei dir selber treu.“
Aber wie kann man ohne angeborene Integrität wirklich ehrlich sein? Und wie kann man ohne ein Verständnis seines wahren Selbst sich selber treu sein?
Tatsächlich bringen wir Integrität in dem Verhältnis zum Ausdruck, wie wir unser Selbst als Gottes Widerspiegelung anerkennen und Gott verstehen, den wir widerspiegeln. In diesem Sinne wird Integrität mit geistiger Vollkommenheit oder Vollständigkeit gleichgesetzt, wobei der Mensch alle Eigenschaften Gottes widerspiegelt. Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, erklärt, daß das wirkliche Sein des Menschen das vollkommene Ebenbild seines Schöpfers ist. Sie schreibt, indem sie einen Spiegel zum Vergleich heranzieht: „Nun vergleiche den Menschen vor dem Spiegel mit seinem göttlichen Prinzip, Gott. Nenne den Spiegel göttliche Wissenschaft und den Menschen die Widerspiegelung. Dann beachte, wie getreu, in Übereinstimmung mit der Christlichen Wissenschaft, die Widerspiegelung ihrem Urbild ist.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 515;
Wir sprechen von der Integrität eines Kunstgegenstandes oder eines von einem Architekten geschaffenen Bauwerks. Wir meinen damit, daß der Kunstgegenstand oder das Bauwerk seinem zweck oder Plan vollständig entspricht. In Wissenschaft und Gesundheit wird Gott als Leben, Liebe, Wahrheit, Gemüt, Geist, Seele und Prinzip bezeichnet — Begriffe, die in der Heiligen Schrift benutzt oder angedeutet werden. Unsere Integrität liegt darin, daß wir unserem Ziel treu bleiben — daß wir die Bezeichnungen oder das Wesen Gottes zum Ausdruck bringen. Die göttliche Liebe muß sich im Menschen ausdrücken, der lebhaft und tatkräftig ist. Das Gemüt muß sich durch die Schöpfung entfalten, die Intelligenz und Einsicht bekundet. Was aus Seele hervorgeht, muß Schönheit und Freude besitzen. Und da der Vater des Menschen sowohl Liebe als auch Prinzip ist, verbindet der Ausdruck des Prinzips unbeirrbares Gesetz mit zärtlicher Liebe. Kurz, Integrität ist nichts weniger als die Allheit Gottes, die sich in der Vollständigkeit des Menschen widerspiegelt.
Den Menschen als das Ebenbild Gottes zu sehen bedeutet, sich von der Auffassung der materiellen Sinne radikal abzukehren, nach der sich der Mensch aus Fleisch und Knochen und einem darin enthaltenen Gemüt zusammensetzt. Aber der geistige Begriff vom Menschen, den Christus Jesus hatte, befähigte ihn, sein Heilungswerk zu vollbringen. Und es steht jedem von uns frei, diesen Begriff zu akzeptieren, der den Christus, die Wahrheit, auch in unser Leben bringt. Mrs. Eddy schreibt: „In dem Maße, wie die Sterblichen die Täuschung aufgeben, daß es mehr als ein Gemüt, mehr als einen Gott gibt, wird der Mensch als Gottes Gleichnis erscheinen, und als dieses Gleichnis wird der ewige Mensch kein materielles Element in sich schließen.“ ebd., S. 191;
Wenn wir dies im Bewußtsein festhalten und im täglichen Leben praktizieren, offenbart sich die individuelle Vollständigkeit des Menschen, seine Integrität. Gott, der allmächtig und immer gegenwärtig ist, veranlaßt den Menschen, Seine Vollständigkeit stets in jedem Tätigkeitsbereich auszudrücken. Das Wissen, daß Integrität eine geistige Grundlage hat, schützt den einzelnen vor der Furcht, daß er irgendwann einmal seine Integrität verlieren könne. Der Psalmist sagte: „Herr, schaffe mir Recht, denn ich bin unschuldig! Ich hoffe auf den Herrn, darum werde ich nicht fallen.“ Ps. 26:1; Integrität ist in ihrem höchsten menschlichen Ausdruck ein Zustand des moralischen Charakters und der Geistigkeit, in dem der einzelne die göttlichen Eigenschaften, die den wirklichen Menschen ausmachen, so klar widerspiegelt, daß es ihm unmöglich ist, anderen gegenüber in einer Weise zu handeln, die von diesen Eigenschaften abweicht.
Die Integrität des Menschen beruht auf seiner vollständigen Widerspiegelung Gottes. Es gibt nichts, was diese vollkommene Beziehung beeinträchtigen oder aufheben könnte. Geistig betrachtet, ist Integrität nicht eine menschliche Verhaltensweise, die man willkürlich ändern kann. Sie ist unwandelbar in ihrem Ausdruck. Wir mögen oft von unserer „persönlichen Integrität“ sprechen, aber persönlich könnte etwas bezeichnen, was mit einem Sterblichen beginnt und ihm allein gehört. Integrität ist im geistigen Sinn weltumfassend, obwohl sie individuell bewiesen wird.
Wahres Sein drückt die Allheit Gottes aus. Der Mensch ist niemals dumm, da er die göttliche Intelligenz widerspiegelt. Er ist niemals apathisch, weil zum Ausdruck gebrachtes Leben ständig neu ist. Er ist niemals gefühllos, da Seele allem Mitgefühl Ausdruck verleiht. Wenn wir diese Wahrheiten erkennen, sehen wir die Wechselbeziehung zwischen individueller Integrität und Ehrlichkeit. In dem Maße, wie wir verstehen, daß Prinzip nur einen ehrenhaften und gesetzestreuen Menschen schafft, werden wir wirklich ehrlich sein. Wir sind niemals ohne die höchsten Normen, nach denen wir uns in unserer ganzen moralischen Haltung richten können, da wir das unbeirrbare göttliche Prinzip zu demonstrieren haben.
Integrität, die beständig zum Ausdruck gebracht wird, beschützt uns außerdem davor, durch diejenigen geschädigt zu werden, die in ihrem Verhalten uns gegenüber nicht ganz ehrlich zu sein scheinen. Die Erkenntnis, daß unsere Ehrlichkeit unter das Gesetz der ungebrochenen Beziehung Gottes zum Menschen fällt, wird die scheinbare Wirkung jeder Handlung auslöschen, die sich auf etwas gründet, was nicht ganz ehrlich ist. Die Bibel sagt uns: „Ihre Unschuld wird die Frommen leiten; aber ihre Falschheit wird die Verächter verderben.“ Spr. 11:3.
Die Welt braucht unsere Unschuld. Sie braucht sie nicht nur als persönlichen Ausdruck menschlicher Tugend, sondern als individuellen Beweis unserer Treue zu uns selbst — nicht zu einem vergänglichen materiellen Begriff vom Selbst, der sich aus unvereinbaren Eigenschaften zusammensetzt, sondern zu einem geistigen Selbst, das mit Gottes Eigenschaften bekleidet ist. Integrität, die in unbeirrbarer Ehrlichkeit, beständiger Vitalität, Intelligenz, Fröhlichkeit und Herzlichkeit zum Ausdruck kommt, wird von anderen als die Stärke des christlichen Charakters empfunden. Und das ist sie auch; denn Integrität bringt in die Leere eines Lebens, das nicht vom Prinzip getragen wird, die Erfüllung, die das wirkliche Menschentum kennzeichnet — den Menschen, der in Übereinstimmung mit seinem göttlichen Prinzip, Gott, lebt.
