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Selbstrechtfertigung überwinden

Aus der Dezember 1982-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Den größten Sieg, den jeder von uns erringen kann, ist der Sieg über das sterbliche Selbst. Das heißt jedoch nicht, daß wir unsere wirkliche Identität aufgeben, sondern daß wir nicht länger an der materiellen, persönlichen Vorstellung vom eigenen Ich und dessen Selbstrechtfertigung festhalten.

Da das sterbliche Selbst eine unbegrenzte Fähigkeit zu haben scheint, sich selbst zu rechtfertigen, ist es nicht immer leicht, die Gedanken aufzudecken, die zur Ichbezogenheit und zum Egoismus führen. Stolz, Eitelkeit, Dünkel, Neid, Selbstsucht treten auf, als seien sie unsere eigenen Gedanken — durch uns veranlaßt und gerechtfertigt. In unserem Kampf, die Selbstrechtfertigung zu überwinden, mag uns deshalb Tadel von anderen zur rechten Zeit erkennen lassen, welche Gedanken wir zurückweisen und welche Einstellung wir aufgeben müssen. Mrs. Eddy schreibt: „Viele Jahre hinduruch ist die Verfasserin für verdienten Tadel sehr dankbar gewesen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 9.

Wenn wir also getadelt werden, sollten wir nicht augenblicklich mit Selbstrechtfertigung reagieren. Vielmehr sollten wir uns ehrlich prüfen, um festzustellen, inwiefern der Tadel ein Körnchen Wahrheit enthalten könnte. Was immer an dem Verweis oder der Kritik berechtigt ist, läßt einen falschen Anspruch des sterblichen Selbst erkennen, der nicht zu unserem wirklichen, geistigen Selbst gehört. Wappnen wir uns mit Selbsterkenntnis und einem christusgleichen Verständnis, daß der Mensch als Gottes Ausdruck eine geistige Identität hat, können wir den falschen Ansprüchen entgegentreten und sie überwinden.

Selbst wenn der Tadel anderer sehr übertrieben ist, kann doch etwas daran sein, was uns bei unseren Bemühungen hilft, uns von Selbstrechtfertigung zu befreien. Und sollte die Rüge völlig ungerechtfertigt sein, brauchen wir uns dennoch nicht beleidigt zu fühlen, denn wenn sie sich nicht gegen einen echten Fehler richtet, stellt sie ja eine falsche Auffassung eines anderen über uns dar. Diesen falschen Begriff sollten wir zweckmäßigerweise erst berichtigen, wenn wir nicht mehr beleidigt oder voller Groll sind.

Was das betrifft, so sollten wir in unserem Umgang mit anderen die Sünde verdammen, nicht aber die Person. Wir sollten die wirkliche Identität eines jeden Menschen verteidigen, nicht aber die sterbliche Fälschung. Irrtum und Böses müssen wir von unserer Vorstellung vom Menschen trennen. Christus Jesus sagte: „... mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welcherlei Maß ihr messet, wird euch gemessen werden.“ Matth. 7:2. Wenn wir einen anderen als sündigen, sterblichen Menschen sehen, lassen wir dann nicht dieselbe Einstufung — und Verdammung — auch für uns gelten? Wenn wir aber über das Beweismaterial eines sich selbst rechtfertigenden Sterblichen hinausschauen, fällt es uns leichter, die eigene geistige Identität zu erkennen.

Ferner müssen wir lernen, in den Leistungen eines anderen den Ursprung des Guten anzuerkennen. Alles wirklich Gute, das zum Ausdruck gebracht wird, spiegelt Gott wider. Der Mensch ist immer der Ausdruck des Guten, nicht dessen Urheber. Selbst Jesus entgegnete, als er mit „guter Meister“ angeredet wurde: „Was heißest du mich gut? Niemand ist gut als allein Gott.“ Mark. 10:18.

Wir sollten danach streben, alles zur Ehre Gottes zu tun. Unternehmen wir etwas, um unser persönliches Ansehen als „guter Mensch“ zu untermauern, dann fallen wir auf einen anderen Trick der Selbstrechtfertigung herein. Wenn uns jemand lobt, so sollte das uns nicht zu dem Glauben verleiten, wir könnten ohne Gott etwas Gutes vollbringen: Wie Paulus schreibt: „Nicht daß wir tüchtig sind von uns selber, etwas zu erdenken als von uns selber; sondern daß wir tüchtig sind, ist von Gott.“ 2. Kor. 3:5.

Eine Erfahrung während des Zweiten Weltkriegs zeigte mir, wie Selbstrechtfertigung auf hinterlistige Weise das Denken beeinflussen möchte. Ich befand mich in vorderster Front. Das hielt ich für ungerecht, denn wenn jeder so dächte wie ich, hätte es keinen Krieg gegeben. (Und diejenigen, die mit ihrem Denken den Krieg verursacht hatten, würden wahrscheinlich nicht in den vordersten Reihen zu finden sein!)

Ich hatte eine Taschenausgabe von Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy bei mir. Sooft es mir möglich war, las ich darin einen Satz und versuchte, mich auf einige Wahrheitsgedanken zu besinnen und über sie nachzudenken. Dann wurde mir klar, daß ich Selbstrechtfertigung und Groll überwinden mußte. Es dauerte volle drei Monate, bis ich ehrlich sagen konnte, daß ich keinen Groll mehr empfand. Ich versuchte nicht länger, diesen Groll wegen der unfairen Situation, in der ich mich befand, zu rechtfertigen.

Eines Tages hatte ich dann eine wunderbare Vision von Gottes steter Gegenwart. Ich war bereit, dort zu bleiben, wo immer Gott mich hinstellen wollte, denn Er würde bei mir sein. Ich hörte auf, mir auszumalen, was meiner Ansicht nach geschehen sollte. Ich war bereit, alles zu tun, was Gott von mir verlangte, und Ihm zu dienen, ganz gleich, unter welchen Umständen.

Zwei Tage später wurde ich — wie aus heiterem Himmel — hinter die Front in eine Dolmetscherkompanie abkommandiert. Ich hatte dann nichts mehr von den Grausamkeiten des Krieges miterlebt.

Manchmal erscheint Selbstrechtfertigung berechtigt. Aber wenn wir ihr nachgeben, gestehen wir dem Bösen gewissermaßen Wirklichkeit zu. Und obgleich das Böse nicht wirklich ist, so erlangt es doch den Anschein der Existenz, wenn wir durch Furcht, Groll oder Selbstrechtfertigung unser Einverständnis dazu geben.

In der absoluten Wahrheit ist der Mensch der Ausdruck Gottes, des höchsten Guten. Er ist ohne Schuld — unschuldig, aufrecht und rein. Das ist die wahre Idee vom Menschen als dem Kind Gottes, die Jesus so vollkommen zum Ausdruck brachte.

Wenn wir unsere Gotteskindschaft beanspruchen — unsere wahre Identität, wie sie die Christliche Wissenschaft erläutert —, suchen wir uns nicht zu rechtfertigen. Wahrheit und Gutes, wenn sie ausgedrückt werden, rechtfertigen sich selbst. Verstehen wir unsere wahre Beziehung zu Gott, dann vergeht schließlich in der aufdämmernden Erkenntnis des wirklichen Menschen die Versuchung, ein persönliches, von Gott getrenntes Selbst zu rechtfertigen.

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