Es war halb elf Uhr abends, als Theo schließlich todmüde auf sein Bett sank. Er hatte am Abend einige Stunden mit dem Rennrad trainiert, und nun fühlte er sich besonders wohl in seinem Bett. Plötzlich stürzte Martin herein und verkündete, daß eine Gebirgstour für den nächsten Morgen angesetzt war.
„Morgen! Bloß nicht!“ Theo stöhnte. „Ich bin zu müde! Warum konnten sie uns das nicht eher sagen? Was wollen die überhaupt von mir?“ Obwohl er sehr verdrossen war, schlief er doch schließlich ein.
Am nächsten Morgen waren Theo und seine Lagerkameraden besonders früh aufgestanden, um ihre morgendlichen Pflichten zu verrichten, ehe sie sich auf die Bergtour machten.
In der Regel war Theo immer unter den Ersten zu finden. Aber heute nicht. Bereits nach einigen hundert Metern steilen Aufstiegs war er erledigt. Hinterherzubummeln war für ihn furchtbar. Und der Gedanke, daß noch gut zehn Kilometer vor ihm lagen, zermürbte ihn. Theo hatte sich noch nie so erschöpft gefühlt.
Seine Kameraden redeten ihm immer wieder gut zu — und er war dankbar dafür. Keiner von ihnen hatte Theo jemals in solch einer Verfassung gesehen. Aber Theo hatte sich auch nie zuvor so gefühlt.
„Ich meinte, es nicht schaffen zu können. Ich habe niemals in meinem Leben so inbrünstig gebetet“, erzählte er später mit einem Lächeln. „Ich dachte an zwei Sätze Mrs. Eddys, die ich aus Wissenschaft und Gesundheit gelernt hatte: ‚Erhebe dich in der Stärke des Geistes, um allem zu widerstehen, was dem Guten unähnlich ist. Gott hat den Menschen dazu fähig gemacht, und nichts kann die dem Menschen göttlich verliehene Fähigkeit und Kraft aufheben.‘ Wissenschaft und Gesundheit, S. 393. Immer wieder dachte ich darüber nach. Es mag sein, daß ich nicht den genauen Wortlaut wußte. Doch was ich behalten hatte, reichte aus, um mir die Ideen zu geben, die ich benötigte. Ich erinnere mich, wie ich dachte: ‚Ich erhebe mich in der Stärke des Geistes, nicht in der Stärke der Materie. Und nichts — nicht einmal ein Berg — kann die Macht Gottes begrenzen. Gott verleiht mir Stärke. Ich schließe sie ein, und ich kann es beweisen!‘ Anstatt das Gefühl zu haben: ‚Das schaffe ich nicht‘, dachte ich nach einer Weile:, Ich kann es — mit Gott!‘ Dieser Gedanke trieb mich wirklich vorwärts.“
Theo erkannte in seinem Gebet an, daß Gott das eine Höchste Wesen und der Mensch geistig, Gottes Ausdruck ist. Als er sich klarmachte, daß er nicht ein von der Materie begrenzter Sterblicher, sondern Gottes göttliche Idee ist, die von Seiner Allmacht erhalten wird, gelangte er zu der Erkenntnis, daß alle wahre Stärke ihren Ursprung in Gott hat und daher immer gegenwärtig und unbegrenzt ist. Darum konnte Theo mit Überzeugung sagen: „Ich kann es — mit Gott!“
Er betete unablässig während des Aufstiegs, und so schaffte er es mit dem Rest der Gruppe bis zur Bergspitze. „Ich hatte das Gefühl, etwas Großes mit Gott vollbracht zu haben. Es war ein Erlebnis, das ich nie vergessen werde“, sagte Theo später, als sie über das Ereignis sprachen. „Am besten war jedoch die Erkenntnis, daß Gebet mir die Kraft gab, das zu tun, was ich tun mußte. Ich weiß nun: Wenn ich mich im Gebet an Gott wende, schaffe ich es — früher oder später.“
Zwei Tage später erfuhr Theo, daß er nicht nur den schwierigsten Teil der gleichen Tour mit einigen jüngeren Mitgliedern des Lagers wiederholen sollte, sondern auch zum Helfer ausersehen war! Diesmal sollten sie drei Tage und zwei Nächte unterwegs sein. Zweifel schlichen sich bei ihm ein. „Ich fragte mich, wie ich anderen helfen könnte, wo ich doch selbst so sehr der Hilfe bedurft hatte“, erinnerte sich Theo. „Was alles noch schlimmer machte, war, daß ich schreckliche Halsschmerzen und einen bösen Husten hatte. Das ganze Vorhaben setzte mich in Furcht und Schrecken.“
Der Gedanke, der ihm zuvor geholfen hatte: „Ich kann es — mit Gott!“, gab ihm den Mut, der neuen Herausforderung zu begegnen. Und das wollte er ganz entschieden tun; er wollte seine Aufgabe erfüllen und dazu beitragen, den Jüngeren im Lager Freude zu bereiten. Da Theo meinte, für diese Aufgabe zusätzliche Unterstützung zu benötigen, rief er eine Ausüberin der Christlichen Wissenschaft an. Sie sagte, sie werde ihm durch Gebet bei der Bewältigung dieser Herausforderung helfen, und erinnerte ihn an die folgenden Worte des Apostels Paulus in der Bibel: „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus.“ Phil. 4:13.
Das hörte sich gut an. Und ihm war die folgende Erklärung Mrs. Eddys in Wissenschaft und Gesundheit vertraut: „Christus ist die ideale Wahrheit, die da kommt, um Krankheit und Sünde durch die Christliche Wissenschaft zu heilen, und die Gott alle Kraft beimißt.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 473. Durch Christus, Wahrheit, heilte Jesus Krankheit und überwand alle Hindernisse. Wahrheit ist Gott; Christus ist die immergegenwärtige Macht der Wahrheit, die unaufhörlich wirkt, um jeden zu segnen. Theo erkannte, daß auch er, wenn er Gottes stete Gegenwart und Allmacht als die einzige Tatsächlichkeit akzeptierte, durch Christus handeln konnte, wie Jesus es gezeigt hat. Er wußte, daß er Gottes Gegenwart und die damit verbundene Stärke und Ermutigung fühlen würde.
Der Morgen kam, und die Gruppe machte sich auf zur Bergwanderung. Theo hatte gut geschlafen, und als er erwachte, fühlte er sich glücklich, voller Tatendrang und zuversichtlich. Er wußte, daß er als der Ausdruck Gottes diese Aufgabe durch Christus bewältigen würde. Diesmal gab es keine Hindernisse. Obgleich er einen schweren Rucksack trug und dabei noch anderen helfen mußte, legte er den ganzen Marsch ohne das Gefühl irgendeiner Last zurück — er empfand nur Freiheit und Freude. Und obendrein gab es noch eine Belohnung: Der Husten und die Halsschmerzen waren ganz schnell verschwunden.