Christus Jesus war ein außergewöhnlicher Heiler. Was verlieh ihm diese Fähigkeit? Viele Menschen weichen einer wirklich klaren Antwort auf diese Frage aus, indem sie entweder behaupten, daß Jesus Gott war oder daß Gott die Gabe, zu heilen, vor allem dem Meister vorbehalten hat.
Christus Jesus war nicht Gott, vielmehr verkörperte er den Christus, die göttliche Idee von Gott. Er verstand klarer als je ein anderer, daß der Mensch das vollkommene Kind Gottes ist. Diese erleuchtete Erkenntnis stellte sein ganzes Leben auf eine Grundlage, die sich von der jener völlig unterschied, die glaubten, der Mensch sei das Kind eines Sterblichen. Letzten Endes war es Jesu Verständnis, daß er, ja jeder einzelne, eine makellose Beziehung zu Gott hat, das es ihm ermöglichte, zu heilen. Doch einfach zu behaupten, Jesus wußte, daß Gott vollkommen und der Mensch Sein vollkommener Ausdruck ist, ist nur eine starke Verallgemeinerung der Wahrheit.
Welches sind nun einige spezifische Tatsachen? Die Christliche WissenschaftChristian Science (kr’istjən s’aiəns) erschließt uns die Bibel und zeigt nicht nur, warum Jesus fähig war, Krankheit und Sünde zu zerstören, sondern auch, auf welcher Grundlage er andere die Fähigkeit lehrte, christliches Heilen zu praktizieren. Eine der vielen Möglichkeiten, das Wirken des Christus besser zu verstehen, wäre, mehr davon zu lernen, was Jesus befähigte, durch Gemüts-Lesen zu heilen.
Als er der Frau am Brunnen in Samaria begegnete, erkannte er z. B. ihren Gedankenzustand. Später, als sie Freunde dazu überreden wollte, mit ihr zu kommen, sagte sie: „Kommt, sehet einen Menschen, der mir gesagt hat alles, was ich getan habe, ob er nicht der Christus sei!“ Joh. 4:29. Als ein Gichtbrüchiger zu Jesus gebracht wurde, trat die Heilung schnell ein, nachdem er die Gedanken derer, die sich der Heilung widersetzten, erkannt und bloßgestellt hatte (s. Mark. 2).
Es gibt zwei Möglichkeiten, die Gedanken, oder das menschliche Gemüt, zu lesen. Die eine birgt viele Gefahren — sie schadet, selbst wenn sie zu helfen scheint. In diesem Fall glaubt das eine endliche Gemüt so stark an seine eigene Wirklichkeit und Macht, daß es die Gedanken und Erfahrungen eines anderen begrenzten, körperlichen Gemüts sieht. Dies könnte man sterbliches Gemüts-Lesen nennen.
Die andere, die von Christus Jesus angewandt wurde, ist das göttliche Gemüts-Lesen. Es ist himmelweit entfernt von den Gefahren, die damit verbunden sind, wenn ein sterbliches Gemüt eine andere materielle Mentalität beeinflußt oder zu beobachten oder zu erkennen sucht. Mary Baker Eddy schreibt: „Jesus konnte durch sein Gemüts-Lesen niemandem Schaden zufügen. Die Wirkung seines Gemüts war immerdar Heilen und Erretten; und dies ist die einzige echte Wissenschaft, mit deren Hilfe man das sterbliche Gemüt liest.“ Weiter erklärt sie: „Paulus sagte: ‚Geistlich gesinnt sein ist Leben.‘ Wir nähern uns Gott, oder Leben, im Verhältnis zu unserer Geistigkeit, zu unserer Treue gegen Wahrheit und Liebe; und in demselben Verhältnis erkennen wir alle menschliche Not und sind imstande, die Gedanken der Kranken und Sündigen zu erkennen, um sie zu heilen. Kein Irrtum irgendwelcher Art kann sich vor dem Gesetz Gottes verbergen.“ Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 94, 95.
Das wahre Gemüts-Lesen beruht auf dem grundlegenden Verständnis, daß der Mensch das Gesetz Gottes, des göttlichen Gemüts, darstellt und genau zum Ausdruck bringt. Wir können heute wirksamer heilen, wenn wir lernen, wie wir echte Gemüts-Leser sein und so heilen können, wie Christus Jesus heilte.
Wir wenden diese wissenschaftliche Grundlage des Heilens an, wenn wir aufhören zu glauben, wir besäßen ein endliches, begrenztes Bewußtsein. Es gibt ein einziges Gemüt, und dieses Gemüt ist Gott. Je gründlicher wir verstehen, daß wir die Widerspiegelung dieses einen Gemüts sind, um so umfassender werden wir das allwissende Wesen des Gemüts zum Ausdruck bringen. Ja, wir fangen an, das Wissen Gottes widerzuspiegeln. Wir stellen fest, daß wir fähig sind, die Identität des Patienten mehr von dem Gesichtspunkt des einen göttlichen Gemüts aus zu sehen als aus dem Blickwinkel dessen, was beansprucht, entweder seine oder unsere endliche Mentalität zu sein.
Gott weiß, daß der von Ihm erschaffene Mensch rein und intelligent ist, geistig und furchtlos. Wenn wir uns Gott zuwenden, Ihn als unser vollkommenes Gemüt, als den Ursprung aller unserer Gedanken akzeptieren, werden wir die Gesundheit und Unversehrtheit unserer Mitmenschen wahrnehmen. Durch die Wirkung dieses GemütsLesens wird etwas von dem gottähnlichen Wesen des Menschen offenbart. Und mehr noch: Das individuelle Bewußtsein wird so stark von der Wahrheit erhellt, daß alles, was unwahr ist, scharf hervortritt. Im Lichte der Wirklichkeit werden Aspekte sterblicher Annahmen, wie z. B. Groll, Furcht oder Neid, als falsch aufgedeckt. Dadurch, daß die Wahrheit erkannt und der Irrtum bloßgestellt wird, kommt die Heilung zustande.
Sollte aber jemand in den Irrtum sterblichen Gemüts-Lesens verfallen, würde er praktisch nur mühsam durch den Sumpf sterblicher Annahmen waten, verschiedene Übel als wirklich bezeichnen und dadurch gerade die Übel bekräftigen, die berichtigt werden sollten. Eine solche Behandlung, die von verschiedenen Richtungen mentaler Therapie ausgeübt wird, ist wohl kaum etwas anderes als Mesmerismus. Im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft nimmt Mrs. Eddy des öfteren Bezug auf den Gebrauch des göttlichen Gemüts-Lesens und den Mißbrauch des sterblichen Gemüts-Lesens (siehe z. B. Wissenschaft und Gesundheit 83:31 bis 87:20 und 94:30–22). Sie erklärt u. a.: „Die Wissenschaft verleiht die Fähigkeit, das menschliche Gemüt zu lesen, aber nicht wie ein Hellseher. Sie verleiht die Fähigkeit, durch Gemüt zu heilen, aber nicht wie ein Mesmerist.“ Ebd., S. 87.
Jemanden durch Gebet zu behandeln ist ein heiliges Vermächtnis. Es ist kein Vorgang, bei dem der andere seine Mentalität der Ihrigen unterordnet. Im Gegenteil. Sie geben jeglichen Sinn von einer sterblichen Mentalität so vollständig auf, daß Sie Ihren Patienten durch die vollkommenen Fähigkeiten des Gemüts wahrnehmen, durch die Linse des geistigen Sinnes. Und diese geistige Kraft, die es Ihnen ermöglicht, Ihren Patienten von diesem Standpunkt aus zu sehen, vernichtet die falsche Auffassung, die er von sich selbst hat. Dann werden Sie beide die Wahrheit des wirklichen Seins klarer wahrnehmen.