Das christliche Heilen stellt hohe Forderungen an den Heiler. Nein, legen Sie den Artikel nicht beiseite! Interessanterweise macht es unser Leben nämlich nicht schwerer, wenn wir diese Forderungen akzeptieren. Es macht es vielmehr leichter.
Christi Jesu Jünger mußten offensichtlich mehr darüber lernen, was von ihnen gefordert wurde, und wir, die wir heute das christliche Heilen praktizieren wollen, können immer eindeutigere Heilungen und mehr geistige Freude erleben, wenn wir diese Forderungen akzeptieren und verstehen, warum sie nötig sind.
Als die Jünger ihren Meister fragten, warum sie einen bestimmten Fall nicht heilen konnten, erklärte Jesus ihnen den Grund — daß ihnen etwas fehlte, daß es ihr „Kleinglaube“ Matth. 17:20. war.
Mit anderen Worten, sie konnten nicht erwarten zu heilen, nur weil sie die Wahrheit über Gott und die frohe Botschaft von Seinem Reich gehört hatten. Was von ihnen verlangt wurde, war Umwandlung. Der „Kleinglaube“ mußte ausgemerzt werden, und sie mußten ganz und gar für den Christus, die Wahrheit, aufgeschlossen sein, und nicht eine materielle Daseinsauffassung. Christus nachzufolgen verlangte daher viel mehr als äußeren Gehorsam; es verlangte innere Umwandlung — geistige Wiedergeburt. Und das bedeutet es noch heute.
Das menschliche Bewußtsein umfaßt die sogenannte Wirklichkeit einer materiellen Welt mit Krankheit und Schmerz so lange, bis es umgewandelt ist. Deshalb schließt das christliche Heilen die Bereitschaft ein, unsere alte Auffassung vom Leben in der Materie gegen das neue Bewußtsein von Gott als Leben auszutauschen — ein Bewußtsein, das Gott selbst verleiht. Wir mögen in der Vergangenheit durch unser Gebet von Krankheit und anderen Schwierigkeiten geheilt worden sein. Aber um weiteren Fortschritt zu erleben, müssen wir unser Denken höher heben. Die göttliche Wahrheit fordert dies von uns, und deshalb sind wir fähig — von Gott befähigt —, dieser Forderung nachzukommen.
Die Frage ist: Wollen wir wirklich diese grundlegende Umwandlung unseres Bewußtseins? Oder wollen wir nur gerade so viel von den geistigen oder metaphysischen Wahrheiten verstehen, daß wir sie auf unsere Probleme anwenden können? Erwarten wir, unsere alte, allgemeine Lebenseinstellung und alles angenehme, zeitliche Gute, das sie uns verschafft haben mag, beizubehalten und gleichzeitig genug von der geistigen Wahrheit zu verstehen, um die Krankheit, mit der wir konfrontiert sind, zu heilen oder der mißlichen Lage, in der wir uns befinden, zu entgehen? Wenn ja, dann beugen wir uns nicht der obersten Forderung christlichen Heilens. Jesus sagte, daß wir Gott, unsern Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte lieben sollen. Siehe Matth. 22:37.
Da das menschliche Bewußtsein, das an eine materielle Welt mit viel Bösem und viel weniger Gutem glaubt, auf die weltlichen Suggestionen von der Natürlichkeit und Unvermeidbarkeit der Krankheit eingeht, verlangt die Fähigkeit zu heilen eine Umwandlung dieses Bewußtseins. Mary Baker Eddy, die unserer Zeit voraus ist, wenn sie darlegt, daß wahres Christentum Wissenschaft ist, erklärt: „Die Wirkung dieser Wissenschaft besteht darin, daß sie das menschliche Gemüt so aufrührt, daß es seine Grundlage verändert, von der aus es nun der Harmonie des göttlichen Gemüts Raum geben kann.“ Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 162.
Es ist hilfreich, wenn wir begreifen, daß eine Veränderung der Grundlage — von der Materie weg und zur Allheit des Gemüts oder Geistes hin — tatsächlich eine wesentliche Rolle bei jeder geistigen Heilung spielt. Sind wir uns darüber im klaren, dann werden wir weder versucht sein, uns zu fragen, ob irgend etwas mit dem Grundkonzept des Heilens durch Gebet nicht stimmt, noch werden wir die Qualität unseres Gebets in Zweifel ziehen, sollte der materielle Augenschein unserer Erwartung einer Heilung widersprechen. Vielmehr werden wir wissen, daß Heilung eine innere Umwandlung des Denkens erfordert, und wir werden mit dem „Beten und Fasten“ Matth. 17:21. fortfahren, d. h., wir werden unser Denken berichtigen, unsere Beweggründe läutern, in der Gnade wachsen, wir werden weiter studieren und ringen, was dazu führt, daß sich uns beständig ein neues Bewußtsein von Gottes erhabener Wirklichkeit und Seiner vollkommenen Regierung des Menschen entfaltet.
Wenn wir aufrichtig arbeiten und beten, bleiben wir nicht dieselben. Das ist unmöglich. Wir stehen sozusagen nicht unbeteiligt im Hintergrund und schießen geistige Behauptungen wie Pfeile auf eine Krankheit. Während wir um das Verständnis beten, daß sich alles Leben und Sein bereits unter Gottes Herrschaft befindet, alles Gute ein- und alles Böse ausschließt, geschieht etwas mit uns — und dieses „Etwas“ ist eine Umwandlung des Bewußtseins. Mrs. Eddy stellt folgende Fragen: „Ist unser Bewußtsein in der Materie oder in Gott? Haben wir irgendein anderes Bewußtsein als das des Guten?“ Und sie erklärt: „Wir gehen fehl, wenn unser Bewußtsein von Sünde, Krankheit und Tod erfüllt ist. Das ist das alte Bewußtsein.“ Vermischte Schriften, S. 179.
Das menschliche Gemüt kann die heilende Kraft nicht ohne weiteres begreifen, die schon durch einen Augenblick wahren geistigen Bewußtseins in der menschlichen Erfahrung freigesetzt wird. Die freudige Erkenntnis, daß die geistige Wirklichkeit bereits besteht, reicht aus, um die scheinbar äußerst überzeugenden menschlichen Schwierigkeiten in das aufzulösen, was sie sind — lediglich falsche Vorstellungen, die der Wahrheit weichen werden.
Glücklicherweise teilt der Christus sich dem menschlichen Bewußtsein mit, und wenn wir bereit sind, zu lauschen und uns umwandeln zu lassen, ändern wir uns tatsächlich. Dann entdecken wir neue Bahnen, in denen wir denken können — Ideen von Gottes Herrlichkeit und von der uneingeschränkten Vollkommenheit des Menschen als Gottes Geschöpf. Wir erkennen, daß diese Ideen gültig und wahr sind — geistige Einsicht anstelle von Kleinglauben —, und darüber hinaus erkennen wir, daß es unsere eigenen Gedanken sind.
Unsere Bemühungen, an der geistigen Wahrheit festzuhalten, mögen, verglichen mit der Schwere der Situation, der wir uns gegenübersehen, gelegentlich kläglich erscheinen. Aber das wunderbare ist, daß nicht wir der Ursprung der geistigen Wahrheit sind. Gott ist die Quelle, und deshalb steht jederzeit genügend Wahrheit zur Verfügung. Mrs. Eddy deutet die unbegrenzte Kapazität dieser Quelle, der Wahrheit, an, wenn sie schreibt: „Das Licht des geistigen Verständnisses gewährt nur einen Schimmer des Unendlichen, geradeso wie Nebelflecke die Unermeßlichkeit des Raumes andeuten.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 509.
Wir beginnen zu erkennen, daß die Auffassung von einer materiellen Welt und einem materiellen Körper eine falsche Vorstellung ist. Sie verliert ihren Einfluß auf uns, hat weniger Herrschaft über unser Denken. Wir verstehen, daß wir uns nicht in der Materie befinden und uns nicht aus ihr befreien müssen. Wir leben im unendlichen Reich Gottes, und wenn wir uns dieser Tatsache bewußt werden, erfolgt Heilung. Mrs. Eddy schreibt: „Das wahre Bewußtsein ist die wahre Gesundheit.“ Verm., S. 298.
Wer würde nicht Forderungen, die so außerordentliche Wirkungen zeitigen können, willkommen heißen — Forderungen, die zu Heilung und dem neuen Bewußtsein führen können, das versteht, daß Gott unser Leben ist!