Es ist fast halb neun. Es ist Mittwochabend, und wir sitzen in einer Kirche der Christlichen Wissenschaft. Der Erste Leser verliest gerade einige Bekanntmachungen.
Diese wöchentliche Versammlung begann mit einem Lied; danach wurden Stellen aus der Bibel und aus Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy verlesen. Wir vereinten uns im stillen Gebet, sprachen gemeinsam das Gebet des Herrn und sangen ein weiteres Lied.
Jetzt sagt der Leser: „Sie haben nun Gelegenheit, Erfahrungen, Zeugnisse und Bemerkungen über die Christliche Wissenschaft mit uns zu teilen.“
Was geschieht dann?
Wie viele von uns wissen, folgen spontane Bekundungen der Dankbarkeit und freiwillig abgegebene Berichte über Heilungen, die durch Gebet bewirkt wurden. Es ist wunderbar, erhebend. Zu hören, wie andere die Regeln der Christlichen Wissenschaft im täglichen Leben anwenden und dem Geist christlicher Liebe gemäß leben, ist sowohl lehrreich wie auch inspirierend.
Was veranlaßt die Besucher, aufzustehen und von diesen Beweisen zu sprechen und Zeugnisse zu geben?
Es ist Dankbarkeit, tiefempfundene Dankbarkeit. Die Kirche Christi, Wissenschafter, obliegt der Aufgabe, Christi Jesu Gebot „Macht Kranke gesund, weckt Tote auf, reinigt Aussätzige, treibt böse Geister aus“ Matth. 10:8. zu erfüllen. Als Gottes gehorsamer Sohn führte Jesus die Mission durch, mit der ihn sein Vater betraut hatte, nämlich andere zu lieben und zu heilen. Sein Leben, das den Christus, die Wahrheit, zum Ausdruck brachte, seine tröstenden und oftmals aufrüttelnden Worte und seine unübertroffenen Heilungswerke sind uns ein Vorbild, dem wir nacheifern müssen. Wir zeigen unsere Dankbarkeit für unseren Wegweiser, Christus Jesus, und für alles, was er uns gegeben hat, wenn wir ihm durch aktive Mitarbeit in einer Kirche, die sich dem Heilen verpflichtet hat, nachfolgen.
Und warum haben wir eine Kirche, die sich das Heilen zur Aufgabe gemacht hat? Nachdem Mary Baker Eddy jahrelang gekämpft, sich immer wieder an Gott gewandt, unermüdlich gearbeitet und gebetet hatte, entdeckte sie die Gesetze des Christus-Heilens und rief schließlich die christlich-wissenschaftliche Bewegung ins Leben. Ihre Offenbarung umfaßte die Gründung Der Mutterkirche und die Einrichtung von Zweigkirchen in aller Welt.
Wie könnte irgend jemand unter uns den Gottesdienst besuchen und unserer Führerin nicht dankbar sein für ihre selbstlose Hingabe? Wie wird doch unser Leben durch diese teuren Zweigkirchen gesegnet, wo wir gemeinsam Gott anbeten, Ihm individuell dienen und vereint unser Gemeinwesen und die Welt in unsere Liebe einschließen! Wenn wir an den Grundsätzen der Christlichen Wissenschaft festhalten, werden wir auf praktische und natürliche Weise Jünger Christi Jesu.
Was wäre unser Leben ohne die Kirche? Wie viele sind während eines Gottesdienstes geheilt worden? Oder während einer Komiteesitzung oder Mitgliederversammlung? Jede Kirchentätigkeit kann eine heilende Tätigkeit sein, weil sie uns daran erinnert, daß der Christus, die Wahrheit, stets und überall gegenwärtig ist und nur von uns anerkannt zu werden braucht.
Wenn die Liebe Christi unser Herz erfüllt, bekundet sich die Kirche in ihrem reinsten Wesen, ob wir nun in einer Wellblechbaracke sind oder in einem herrlichen Gebäude, ob drei oder zweihundertunddrei Menschen versammelt sind.
Als unsere Familie in Übersee lebte, besuchten wir Mittwochabend-Zeugnisversammlungen, bei denen der Leser, der auch das Klavier spielte, und drei Besucher anwesend waren. Als einer der drei Besucher schätzte ich die Vollständigkeit eines jeden Gottesdienstes und betete um die Erkenntnis, daß sie alles in sich schlossen, daß ihnen nichts mangelte und sie von der göttlichen Liebe unterstützt wurden. Da ich den tiefen Wunsch hatte, zu jedem Gottesdienst etwas beizutragen, betete ich ernsthaft, um jede Woche ein Zeugnis geben zu können.
Die Woche über achtete ich auf Anzeichen des Christus in meinem Leben, über die ich dann in einem Zeugnis berichten konnte. Es gab immer etwas, wofür ich Dankbarkeit zum Ausdruck bringen konnte. Ich empfand es niemals als Last. Es war mir immer eine Freude, meine Liebe zur Kirche und meine Dankbarkeit für sie auf diese Weise mit anderen zu teilen.
Vielleicht veranlaßt uns die Verehrung für unseren Pastor — die Heilige Schrift und das Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit Siehe Vermischte Schriften 382:37–383:4. —, Zeugnis abzulegen. Unser Pastor — unser Freund und Berater — steht uns täglich vierundzwanzig Stunden zur Verfügung. Dieser Pastor, der uns Trost spendet und uns erhebt, bringt uns sofort Hilfe und Heilung.
Dankbarkeit für die Lesungen aus diesen Büchern mag ein weiterer Ansporn sein, Zeugnis abzulegen. Wie viele Stunden hingebungsvoller Arbeit werden der Vorbereitung dieser Lesungen für die Mittwochabendversammlung gewidmet! Die Botschaft ist immer inspirierend und praktisch anwendbar, sie bezieht sich auf jeden einzelnen und auf jede Situation, auf irgendein örtliches oder gegenwärtig weltweites Problem.
Oftmals mögen wir feststellen, daß diese Lesungen genau einem Gedanken entsprechen, der uns während der Woche durch unser Studium oder unsere Erfahrung gekommen ist, sei das Thema nun göttlicher Schutz, Führung im Beruf, Vertrauen auf Gottes Fürsorge oder Zufriedenheit durch das Verständnis von Gott, um nur einige zu nennen. Häufig hören wir in den Lesungen gerade den Wahrheitsgedanken, den wir brauchen, um eine Heilung zu vervollständigen.
Wie der Erste Leser dazu inspiriert wird, uns die Botschaft der Wahrheit und Liebe mitzuteilen, so können auch wir die Inspiration gewinnen, in unserem Zeugnis das darzubieten, was einem anderen helfen kann, und einen angemessenen Beitrag zum Gottesdienst zu leisten. Inspiriert bedeutet u. a. auch „vom Heiligen Geist beeinflußt und geführt“. Wenn wir empfänglich sind und demütig lauschen, werden wir von Geist, Gott, geführt und den rechten Gedanken erhalten.
Ich betete einmal an einem Mittwochnachmittag, um ein Zeugnis über Dankbarkeit geben zu können. Anfang der Woche hatte ich gelernt, wie wichtig Dankbarkeit ist. Eine häßliche Geschwulst hatte sich an meinem Nacken gebildet. Nachdem ich eine Ausüberin um Hilfe gebeten hatte, wandte ich mich an Gott, um für Seine Botschaft empfänglich zu sein. Dann wurde mir klar, was fehlte. Wo war meine Dankbarkeit?
Schwierigkeiten mit meinen Kindern waren überwunden worden, und ich hatte schöne körperliche Heilungen erlebt, die mir geistiges Wachstum brachten. Aber mir wurde klar, daß ich mehr Ärger über die Probleme empfunden hatte als Dankbarkeit für die Segnungen, die folgten. Jetzt zeigte sich diese Undankbarkeit am Körper. Als ich mein Denken mit Dankbarkeit zu Gott für all das Gute erfüllte, das ich empfangen hatte, und für das tiefere geistige Verständnis, daß in Wirklichkeit nur Gutes geschah, verschwand die häßliche Geschwulst in wenigen Stunden.
Auf dem Weg zur Kirche war ich von Freude erfüllt; ich sang Lieder und dachte über Zitate aus der Bibel und aus Mrs. Eddys Schriften nach, die mit Dankbarkeit zu tun hatten. Das erste Lied, das wir an jenem Abend sangen, begann mit den Worten „Ein dankbar’ Herz ein Garten ist“ Liederbuch der Christlichen Wissenschaft, Nr. 3., und das Thema der Lesungen war Dankbarkeit. Sie können sich wohl vorstellen, wer als erster aufstand und ein Zeugnis gab!
Tatsächlich ist Dankbarkeit zu Gott der höchste Ansporn, ein Zeugnis zu geben. Eine Heilung ist erst dann vollständig, wenn sie als solche bestätigt und voller Dankbarkeit anerkannt wurde — entweder in stiller Gemeinschaft mit Gott oder in der Kirche. In der Hitze des Gefechts denke ich oft, daß das, was ich durch die jeweilige Erfahrung lerne, ein gutes Zeugnis abgeben würde. Andere Christliche Wissenschafter sagen dasselbe. Manchmal beschleunigt dieser Wunsch, anderen mitzuteilen, wie das Gute in unserem Bewußtsein triumphierte, die Heilung.
Dankbarkeit für das Handbuch Der Mutterkirche ist ein weiterer Beweggrund, zu den Gottesdiensten beizutragen. Mrs. Eddy gibt im Kirchenhandbuch die Ordnung der Versammlungen am Mittwoch an. Siehe Handb., S. 122. Diese Versammlungen wären ohne die „Erfahrungen, Zeugnisse und Bemerkungen“, die sie vorgesehen hat, ebensowenig vollständig, wie sie es ohne die Lesungen wären, die ebenfalls im Kirchenhandbuch festgelegt sind. Die Verantwortung für die Vollständigkeit der Versammlung liegt ebenso bei der Gemeinde wie beim Leser. Im Kirchenhandbuch heißt es: „Zeugnis in bezug auf das Heilen der Kranken ist äußerst wichtig.“ Ebd., Art. VIII Abschn. 24.
Mrs. Eddy schrieb einmal bezüglich der Zeugnisversammlungen: „Ladet alle herzlich und unentgeltlich zu diesem Gastmahl der Christlichen Wissenschaft ein, zu diesem Fest und Ausströmen der Seele. Bittet sie mitzubringen, was sie an Liebe und Licht besitzen, um zu helfen, daß Euer Brot durchsäuert und Euer dürftiger Vorrat aufgefüllt werde. Nachdem dann die verschiedenen Gaben dargebracht wurden und einer nach dem anderen seinen Mund aufgetan hat, um zu berichten und mitzuteilen, was Gott ihm an Erfahrung, Hoffnung, Glauben und Verständnis geschenkt hat, sammelt die Brocken und zählt die Körbe voll von Gaben, die den Reichtum Eurer Liebe vermehren, und sehet zu, daß nichts verlorengehe.“ Verm., S. 149.
Es wird uns schwerfallen, zu schweigen, wenn Freude und Dankbarkeit für alles, was Gott getan hat, unser Herz erfüllen. Vielleicht haben wir eine Heilung erlebt, einen negativen Charakterzug überwunden, ein Geschäftsproblem gelöst oder mehr von Gottes Liebe wahrgenommen. Die Liste ist lang. Wenn unser Herz von Dankbarkeit überfließt, vergessen wir den falschen, sterblichen Begriff vom Selbst. Freude erfüllt unser Sein, ein großes Verlangen, unseren geliebten Vater zu preisen, durchdringt unser Bewußtsein, und wir können nicht umhin, davon Zeugnis abzulegen.
Warum stehen wir also auf? Manchmal ist es unmöglich, sitzen zu bleiben!
