In was für einer Zeit leben wir Ihrer Meinung nach? In einer mehr oder weniger beschaulichen Übergangszeit zwischen bedeutenden Ereignissen? Viele empfinden es so.
Es ist aber erwiesen, daß sich die Menschen in einer Epoche, die im Rückblick als außerordentlich wichtig eingestuft wurde, der historischen Bedeutung ihrer Zeit kaum bewußt waren.
Wenn wir uns darüber im klaren sind, daß wir an einer historischen Wende stehen, so kann das dazu führen, daß wir sehr viel härter für das Gemeinwohl arbeiten wollen. Und wenn wir die Problemherde der Zeit geradewegs angehen, so können sie dazu beitragen, daß persönliche Zügellosigkeit und weltliche Überheblichkeit ausgemerzt werden. Läuterung, mehr Geistigkeit und größere Einheit können dann die Folge sein.
Die Menschheit scheint in der Tat vor einem besonderen Wendepunkt zu stehen. Historiker mögen einwenden, daß sich eigentlich niemals etwas drastisch ändert — daß vielmehr ein Ereignis fast unmerklich mit dem nächsten verschmilzt. Doch unser Gefühl sagt uns da etwas anderes. Und Christus Jesus entgegnete den skeptischen Pharisäern und Sadduzäern: „Ihr Heuchler, über das Aussehen des Himmels könnt ihr urteilen; könnt ihr dann nicht auch über die Zeichen der Zeit urteilen?“ Mt 16:3 [n. der engl. King-James-Ausgabe]. Wenn wir uns selbst etwas mehr vom Festhalten an Konventionen lösen und auf den geistigen Sinn vertrauen, werden wir in Umrissen Ziele wahrnehmen, die wir zuvor nicht gesehen haben.
Offensichtlich ist etwas Bemerkenswertes im Gange. Es ist noch lange nicht abgeschlossen, doch wer von einem anderen Jahrhundert aus auf unsere Zeit zurückblicken wird, mag sehr wohl zu dem Schluß kommen, daß sich in dieser Zeit ein grundlegender Wandel auf der Welt vollzog — daß sich die Menschheit anschickte, die materielle Grundlage ihres Denkens für eine geistige aufzugeben.
Der Materialismus scheint zwar in vieler Hinsicht aggressiver als je zuvor zu sein. So werden in den Medien des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts viele überzeugende Argumente — medizinische, biologische und anthropologische — für die komplizierte materielle Natur des Menschen dargelegt. Mehrere Autoren haben festgestellt, daß die Menschheit geradezu um ihre „Seele“ ringt. Mit der Leugnung eines göttlichen Ursprungs werden auch die Wertvorstellungen verneint, die die Menschheit seit Generationen gestärkt und inspiriert haben. Um nur einen Punkt zu erwähnen: Zweifellos haben sich die Menschen beharrlicher dem christlichen Heilen verschrieben und sind dafür unerbittlicher verfolgt worden als in den letzten fünfundsiebzig Jahren. In den Vereinigten Staaten von Amerika hat die Regierung Gerichtsverfahren eingeleitet — derzeit drei in Kalifornien und eins in Florida —, in denen entschieden werden soll, daß unter bestimmten Umständen eine strafbare Handlung vorliegt, wenn man sich wegen der Heilung von physischer Krankheit völlig auf Gebet und auf geistige Behandlung verläßt.
Doch zur gleichen Zeit mehren sich die Zeichen dafür, daß der Materialismus die Menschen verunsichert und ernüchtert. Hier und da scheint ein neuer Idealismus aufzukeimen, der nach neuen Wegen des Ausdrucks sucht. Immer mehr verlangt es die Menschen danach, anderen Menschen in größerem Maße als je zuvor zu helfen. Und sie sind tief gerührt, wenn ihnen das gelingt — ob es sich hierbei um die Hungersnot in Afrika oder um die notleidenden Landwirte in Amerika handelt. An den jüngsten Versuchen auf dem Gebiet weltweiter Kommunikation beeindruckt einen nicht so sehr die neue Technik, sondern die beharrliche Macht jener uralten Botschaft von Liebe und menschlicher Solidarität.
Auf allen Wissensgebieten, angefangen bei der Literaturtheorie bis hin zur neuen Physik, gehen die Bemühungen dahin, daß man sich von den nervtötenden Beschränkungen des intellektuellen Materialismus zu lösen sucht. Im amerikanischen Erziehungswesen bemüht man sich auf breiter Front darum, wieder die moralischen Wertvorstellungen stärker zu betonen. Auf der ganzen Welt wächst die Unzufriedenheit über die Unterdrückung der Menschenrechte.
Viele Menschen hungern heute förmlich nach geistigen Erfahrungen. Die Menschheit drängt nach ihrer eigenen Erfüllung. Wir leben in einem Zeitalter geistiger Pioniere. Die Menschen scheinen weniger denn je gewillt zu sein, hinzunehmen, daß geleugnet wird, was ihnen ihre geistige Eingebung sagt — daß sie ihrem ureigensten Wesen nach Gottes Kinder sind. Ungeachtet des großen Meinungsdrucks, der von den materiellen Wissenschaften ausgeht, beten sie unbeirrt und auf intelligente Weise und forschen nach geistiger Sinngebung.
Worauf läuft das alles hinaus? In einem Artikel mit der passenden Überschrift „Ausblick“ schrieb Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen WissenschaftChristian Science (kr´istjən s´aiəns): „Die Zeit naht, wo göttliches Leben, göttliche Wahrheit und Liebe als das einzige Heilmittel für Sünde, Krankheit und Tod erkannt werden, wo Gott, das erlösende Prinzip des Menschen, und Christus, die geistige Idee Gottes, offenbart werden.“ Vermischte Schriften, S. 2.
Mrs. Eddy macht deutlich, daß dies kein utopischer Traum ist. Sie spricht von den Umwegen, die die Menschheit einschlägt, und schreibt: „Die Zeichen der Zeit deuten auf eine lange und feste Entschlossenheit der Menschheit hin, sich an die Welt, das Fleisch und das Böse zu klammern, und hierdurch entsteht eine große geistige Verdunkelung.“ Ebd. Und doch ist ihre Vision erstaunlich — daß die Menschheit künftig immer mehr über Gott herausfinden wird. Nicht die alten abergläubischen Vorstellungen und primitiven Gottesbegriffe, die erwiesenermaßen so sehr begrenzen und unzuverlässig sind, sondern die neue, wichtige Erkenntnis, daß die falschen Vorstellungen von der Materie Gott nicht länger einengen und Ihn so erscheinen lassen, als bewirkte Er nichts.
Dieses neue Verständnis, daß Gott, Geist, alles ist, was wirklich existiert, befreit das menschliche Denken, wie nichts anderes es vermag. Es versetzt die Menschheit in die Lage, etwas über das göttliche Prinzip, über Liebe und die Wissenschaft des Seins zu erfahren. Es kann, auf sehr praktische Weise, zumindest einen Teil der Menschheit, schließlich aber alle Menschen erwecken und sie vor ihrem Verderben bewahren.
In was für einer Zeit leben wir unserer Meinung nach? Unsere Antwort hängt von unserer geistigen Erkenntnis ab. Und diese Erkenntnis wird neue Energien in uns freisetzen und unsere Überzeugung stärken, daß wir eine geistige Bestimmung haben, die über all das hinausgeht, was wir je zuvor erkannt haben.
Selig sind, die da hungert
und dürstet nach der Gerechtigkeit;
denn sie sollen satt werden.
Matthäus 5:6
