Die Bibel lehrt, daß Gott unendlich ist, daß „der Himmel und aller Himmel Himmel ... ihn nicht fassen [können]” 2. Chr 2:5.. Er ist Geist und ist nicht in irgend etwas „gefaßt”, sondern wird im geistigen Menschen und dem geistigen Universum universell widergespiegelt oder ausgedrückt. Er ist der Ich bin — das allumfassende Wesen oder Leben, aus dem sich das Gute ewiglich in Überfülle ergießt. Die Psalmen sind erfüllt von Preis und Dank für die Barmherzigkeit, Güte und Freundlichkeit unseres Gottes, für Seine beschützende und errettende Macht, Geduld und zärtliche Fürsorge. Viele beliebte Bibelgeschichten führen uns vor Augen, wie sich diejenigen, die ihr Vertrauen auf Gott setzen, Seiner Hilfe sicher sein können. Nur die, die sich aus Zweifel, Unwissenheit oder Eigenwillen von Ihm abwenden und überall nach Erlösung suchen, nur nicht bei Ihm, schließen sich von Seinen Segnungen aus — wie jemand, der die Jalousien herunterzieht und so den Sonnenschein nicht hereinläßt. Gott teilt Gesundheit, Frieden, Stärke, Freude mit, und dadurch, daß wir uns bemühen, diese und andere göttliche Eigenschaften zum Ausdruck zu bringen, werden unsere täglichen Bedürfnisse gestillt. Wie unsere Lage auch aussehen mag: Nichts kann uns von Ihm und Seinen liebevollen Botschaften trennen. Das ist eine geistige Tatsache.
Der menschlichen Auffassung zufolge scheint jedoch alles von Quellen zu kommen, die außerhalb des Menschen liegen, und da es materiell ist, ist es begrenzt und veränderlich. Heute mag man gesund sein, morgen aber krank. Man mag viele weltliche Güter besitzen und sie über Nacht verlieren. Krankheit und Verlust — genauso wie andere menschliche Übel — gehen aus der Annahme hervor, daß Leben und Freude materiell seien. Eine solche Daseinsauffassung ist immer unzuverlässig, weil sie sich auf Quellen stützt, die endlich sind und die aller Wahrscheinlichkeit nach versiegen werden. Christus Jesus kam, um den Bann dieser Annahme oder dieses Traums zu brechen — um uns zu zeigen, daß sein Vater auch unser Vater ist und daß wir ebenfalls heilen können, wenn wir nur seinen Lehren und seinem Beispiel folgen.
In unserem wahren Selbst sind wir alle die Söhne und Töchter Gottes, sind wir immer bei unserem Vater, geliebt und gesegnet. Wir besitzen kein eigenes persönliches Gemüt, keine eigene persönliche Intelligenz, sondern wir drücken tatsächlich die unendlichen Möglichkeiten des göttlichen Gemüts aus. Unser Sehund Hörvermögen sind nicht in körperlichen Organen lokalisiert, die dem Verfall unterworfen sind, sondern sie sind die Kundwerdung des unendlichen Bewußtseins des Gemüts. Unsere Gesundheit ist ebenfalls keine Eigenschaft der Materie, sondern ein ungestörtes, beständiges Bewußtsein der Harmonie, mit dem die göttliche Liebe den Menschen beschenkt. Unsere Versorgung kommt nicht von begrenzten äußeren Quellen, die versiegen, sondern strömt uns unaufhörlich in Hülle und Fülle von Gott zu. Und da unser wahres Wesen Seine unendliche Güte zum Ausdruck bringt, haben wir schon jetzt alles, was wir je benötigen könnten. Unsere Liebe, die die Liebe widerspiegelt, die Gott ist, wird nicht aufgeteilt. Das bedeutet, daß unsere Lieben sich unsere Zuneigung nicht zu teilen brauchen, sondern daß wir jedes Familienmitglied, jeden Freund — ja sogar die gesamte Menschheit — von ganzem Herzen lieben können! Werden wir nicht unendlich gesegnet, wenn wir diese Wahrheiten durchdenken, verstehen und anwenden?
Während des Zweiten Weltkriegs und danach wurde mir in reichem Maße bewiesen, daß ein Gefühl materieller Unsicherheit und Unzulänglichkeit berichtigt werden kann, selbst wenn man nur ein geringes Verständnis von Gottes unendlichen Quellen hat.
Während des Krieges zeigte sich in Deutschland fast jeder Mangel und jede Gefahr; Mächte, die außerhalb unserer Kontrolle standen, schienen entfesselt zu sein, und niemand konnte wissen, ob er noch am nächsten Tag am Leben sein würde. Doch da war noch immer Gott, der Fels der Zeiten, unser Vater und unsere Mutter, Gott, der Sein Volk in biblischen Zeiten immer gestärkt hatte, wenn es sich Ihm von ganzem Herzen zuwandte.
Um mein Denken auf eine geistige Grundlage zu stellen, studierte ich jeden Morgen sehr früh die Bibellektion Im Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft.. Dieses Studium war unerläßlich. Es gab mir Sicherheit und stärkte mein Vertrauen auf Gott. Die Lektion enthielt immer einen hilfreichen Gedanken, an dem ich tagsüber festhalten konnte.
Wie konnten wir uns bedroht fühlen, wenn wir um die Wahrheit des folgenden Verses aus den Psalmen wußten: „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt, der bleibt unter dem Schatten des Allmächtigen... Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und Zuflucht wirst du haben unter seinen Flügeln.” Ps 91:1 [n. der engl. King-James-Ausgabe], 4.? Wir befanden uns „unter dem Schirm des Höchsten”, „unter seinen Flügeln”. Dieses kostbare Wort des Psalmisten war eine Stütze für alle — auf beiden Seiten —, die auf Gott vertrauten. Gott machte da keine Unterschiede!
Ich erinnere mich noch sehr lebhaft an eine Nacht, in der ein heftiger Angriff mit Phosphorbomben erfolgte. Als wir aus dem Luftschutzkeller herauskamen, brannte es auf unserer Straße und hinter den Häusern, aber kein Haus war beschädigt worden. Die Bomben brannten einfach aus. Wir hatten das Gefühl, in einem Heiligtum zu sein. Gott war da. Das ist nur ein Beispiel — eins von vielen — für den Schutz, der uns gewährt worden war.
Könnten Gottes Nachfolger je hungern? Derselbe Gott, der Manna vom Himmel regnen ließ, versorgte auch uns mit dem Brot des Lebens — im übertragenen und im buchstäblichen Sinn. Im 23. Psalm finden wir die liebevolle Zusicherung: „Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.” Ps 23:5. Wir hatten immer etwas Zusätzliches, um unseren Speisezettel zu bereichern: zunächst ein zusätzliches Stück Land, auf dem wir etwas anbauten, und später die Pakete von Christlichen Wissenschaftern aus Übersee, deren liebevolle und aufmerksame Geschenke niemals in Vergessenheit geraten werden. In unserer Notlage waren sie für uns ein Sinnbild für Gottes unendliche Quellen.
Natürlich wählt Gott nicht einige Leute aus, um ihnen Vorteile gegenüber anderen zu verschaffen. Seine Gaben strömen unparteiisch der ganzen Menschheit zu. Damit wir uns jedoch diese Gaben zunutze machen können, müssen wir erkennen und begreifen, daß sie zur Verfügung stehen, weil materielle Begrenzungen nur durch geistige Erkenntnis überwunden werden können. Aus diesem Grunde ermahnte Christus Jesus, unser lieber Meister, seine Zuhörer weise; „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.” Mt 6:33. Das ist das ewige, unveränderliche Gesetz von Angebot und Nachfrage.
Dieses Gesetz erfüllte sich für uns dadurch, daß wir uns unerschütterlicher Gesundheit und Stärke erfreuten und so dem mit harter Arbeit und schlaflosen Nächten verbundenen Streß standhalten konnten. Stärke ist von Schlaf oder Kost unabhängig; sie kommt von Gott her und ist jeden Morgen neu.
Eine andere Eigenschaft, die niemals zur Neige gehen kann, ist Mut. Wir brauchten sie ständig. Gefahr drohte uns nicht nur auf dem Schlachtfeld und aus der Luft, sondern auch von unseren eigenen Landsleuten, für die Nonkonformisten verdächtig waren. Wir wußten, daß wir nicht hassen und uns nicht fürchten durften, sondern anerkennen mußten, daß Liebe in Gottes Kindern die einzige Macht und der einzige Beweggrund ist. Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit: „ ... Gott läßt den Reichtum Seiner Liebe in das Verständnis und in die Neigungen hineinströmen und gibt uns Stärke für einen jeglichen Tag.” Wissenschaft und Gesundheit, S. 5.
Als sich die Truppen der Alliierten unserer Stadt näherten und bevor die Kampfhandlungen aufhörten, mußten wir vor den letzten Verzweiflungstaten unserer Landsleute fliehen. Wir packten unsere wenigen Habseligkeiten auf ein Fahrrad und erreichten nach einem langen Fußmarsch durch die Wälder sicher einen Bauernhof, wo man uns Unterschlupf versprochen hatte. Als die alliierten Streitkräfte das Dorf erreichten, kapitulierte die Gemeindeverwaltung nach kurzem Artilleriebeschuß. Dann öffneten die befehlshabenden Offiziere die dortigen Lagerhäuser und verteilten allerlei gute Sachen, die wir schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatten und die uns über eine lange Zeit hinweghalfen.
Schließlich konnten wir sicher in unser Haus zurückkehren, das — wie auch all die anderen in unserer Straße — von den Besatzungstruppen benutzt worden war. Alles war in Ordnung. Im Zimmer unserer kleinen Tochter lag sogar ein Zettel, auf dem geschrieben stand: „Vielen Dank für dein Zimmer.”
Da es bei Kriegsende keine Arbeit gab und alles in Trümmern lag, wurden wir dazu geführt, eine Zeitlang nach Frankreich zu ziehen. Die Begegnung mit einer anderen Nationalität und Kultur war außerordentlich bereichernd. Sie legte auch den Grundstein für den späteren Beruf unserer Tochter. So verwandelt Gott Widrigkeiten in Segnungen. Wir mögen zu Beginn eines Abenteuers nicht wissen, wie es ausgehen wird, aber unter Gottes Führung kann der Ausgang nur gut sein.
Schließlich zogen wir nach Kanada. Anfangs hatten wir große Schwierigkeiten, denn man ging davon aus, daß Einwanderer kein Englisch sprachen. Eines Tages sagte ich bei einem Einstellungsgespräch mit der Sicherheit, die mir mein Glaube an Gott verlieh: „Sie sehen, daß ich mit Ihnen spreche und Sie verstehe, und was immer ich auch für diese Stelle brauche, die Sie mir anbieten, kann ich sicherlich lernen. Doch jemand muß mir die Möglichkeit geben, mich zu bewähren.” Der Personalchef sah mir ins Gesicht und sagte: „Sie setzen wohl alles auf eine Karte?” Ich antwortete: „Oh nein, aber ich bin ganz sicher, daß ich dieser Arbeit gewachsen bin.” Da erwiderte er: „Nun gut, ich will Ihnen die Chance geben. Kommen Sie Montag früh.” Ich arbeitete dort sechzehn Jahre lang, bis die Firma ihre Geschäftszentrale in die Vereinigten Staaten verlegte.
Mir hatte sich ein völlig neues Leben aufgetan. Neue Möglichkeiten kamen auf mich zu, nachdem die erste vorüber war. Durch meine Tätigkeit im Geschäft und in der Kirche traten Fähigkeiten und Talente zu Tage, die ich besaß, ohne es zu wissen. Das half mir auch — zumindest bis zu einem gewissen Grade —, die große Schüchternheit zu überwinden, die ich angeblich ererbt hatte. Ich lernte, mich mühelos auszudrücken und mich für öffentliche Belange einzusetzen. Ich fand viele wunderbare Freunde und gütige Menschen, die mir weiterhalfen. Mein Mann fand seinen Arbeitsplatz etwa zur gleichen Zeit wie ich.
Wenn ich zurückschaue, bin ich mir sicher, daß diese Entfaltung nicht bloßer Zufall war. Gottes Weisheit und Liebe hatten uns geführt und uns über jede Hürde hinweggeholfen, die sich uns in den Weg stellte. Alle Mühen sind längst vergessen. Es stimmt: „Denen, die Gott lieben, [dienen] alle Dinge zum Besten.” Röm 8:28. Der Mensch, Gottes Widerspiegelung, hat mühelos alles, was Gott gibt. Wenn Er uns auch keine „Dinge” gibt, erscheinen uns doch Seine Gaben in einer greifbaren Form, so daß unser gegenwärtiges menschliches Bedürfnis gestillt wird. Alles, was Gott hat, ist unser. Es strömt Tag für Tag aufs Neue hervor. Das macht jeden Glauben an Mangel überflüssig. Es bringt uns die unendliche Allheit Gottes und die Tatsache, daß wir darin mit einbezogen sind, ins Bewußtsein. Wir befinden uns immer „unter dem Schirm des Höchsten”.
Unser Weg mag manchmal steinig sein. Wenn wir aber die turbulenten Gedanken des sterblichen Gemüts in gebeterfüllter Gemeinschaft mit Gott zum Schweigen bringen, zeigt sich uns der nächste Schritt. Freude und Dankbarkeit sind mächtige Begleiter auf unserem aufsteigenden Pfad.
In dem Heiligtum unserer geheimsten Gedanken werden wir uns des Christus bewußt, der Gegenwart der Macht Gottes. Wir können voller Vertrauen die Hand unseres himmlischen Vaters ergreifen und Seiner Führung folgen. Wir können uns auf die unendliche Weisheit verlassen. Wir können uns in der grenzenlosen Liebe geborgen fühlen. Die großartigen Heilungen, die in der Bibel beschrieben werden, und die zahllosen Heilungen, die in der Christlichen Wissenschaft seit ihren Anfängen bewirkt wurden, liefern uns eine Fülle von Beweisen für Gottes unendliche Quellen.