Zuweilen scheint es, als stünde zwischen uns und dem Glück oder einem erstrebenswerten Ziel eine lange Liste von Personen oder Umständen, die auf die eine oder andere Weise zum Hindernis werden. Da gibt es den Kollegen im Betrieb, der unserem Fortkommen im Wege steht, oder jemanden in der Verwandtschaft, der verhindert, daß in der Familie Frieden herrscht. Andere glauben vielleicht, es sei die wirtschaftliche Lage, ihre Erziehung oder ihre Herkunft, die sie begrenzt. Die Liste der sogenannten „Hemmschuhe” läßt sich beliebig verlängern. Selbst auf globaler Ebene kann das Gefühl entstehen, daß eine Nation oder eine Gruppe von Menschen den Weltfrieden verhindere und dadurch die Sicherheit jedes einzelnen gefährde.
Wenn wir von dem ausgehen, was um uns herum geschieht, könnten wir zu dem Schluß kommen, daß diese Hindernisse unüberwindlich seien — zumindest für lange Zeit. Und so mögen wir feststellen, daß wir zögern vorwärtszugehen, ähnlich wie die Kinder Israel zauderten voranzugehen, als sie von dem Widerstand hörten, dem sie sich beim Betreten des Gelobten Landes gegenübersehen würden. Mose hatte zwölf Kundschafter ausgesandt, die das Land Kanaan erkunden sollten, und diese zwölf Männer kamen mit unterschiedlichen Berichten zurück. Einer von ihnen, Kaleb, sagte: „Laßt uns hinaufziehen und das Land einnehmen, denn wir können es überwältigen.” Ein Mann namens Josua stimmte ihm zu, aber die anderen zehn „brachten über das Land, das sie erkundet hatten, ein böses Gerücht auf”. Sie behaupteten: „Stark ist das Volk, das darin wohnt”, und gaben eine eindrucksvolle Aufzählung ihrer Stärken. Siehe 4. Mose 13:17–33.
Kaleb und Josua müssen intuitiv etwas erblickt haben, was über das hinausging, was die anderen sahen, weil sie weder von dem Ausmaß noch von der Stärke des Widerstands beeindruckt waren. Die Bibel sagt von Kaleb, daß „ein anderer Geist in ihm” 4. Mose 14:24. war. Dieser Vers deutet an, warum sich sein Bericht von dem der anderen unterschied. Man könnte sagen, daß er einen stark ausgeprägten geistigen Sinn besaß. Geistiger Sinn ist das Gegenteil vom persönlichen, materiellen Sinn — der Neigung, den Menschen materialistisch zu sehen und die Schöpfung als Millionen sterblicher Personen, die miteinander in Konflikt geraten. Der geistige Sinn ist von Gott gegeben und bezieht seine Informationen vom göttlichen Geist, von Gott. Im Gegensatz zu der Behauptung, daß es viele Gemüter gebe, die im Widerspruch zueinander stehen, erkennt er nur die Herrschaft eines Gemüts, eines Gottes, an. Es ist der geistige Sinn, durch den Gott uns die Vollkommenheit und Güte Seiner Schöpfung offenbart.
Jedes Zeichen von Anstand und Ehrlichkeit, das wir in uns und anderen erkennen, zeigt, daß der geistige Sinn den Nebel des persönlichen Sinnes durchdringt, der ein von Egotismus bestimmtes Persönlichkeitsbild propagiert. Der geistige Sinn unterstreicht die Tatsache, daß der Mensch Gott zum Ausdruck bringt. Diese Erkenntnis, daß jeder von uns Gottes Kind ist, setzt uns in die Lage, kooperativer und liebevoller zu sein und Bestrebungen rechter Art besser zu unterstützen. Es ist nur der menschliche Wille, das sündige Element im menschlichen Bewußtsein, der einen rechthaberischen Menschen oder Ignoranten zu sehen meint oder einer zu sein glaubt, denn das Kind Gottes bringt zu jeder Zeit Vollkommenheit und Liebe zum Ausdruck.
Das, was uns glauben machen möchte, Personen oder Umstände könnten unseren Fortschritt blockieren, ist eine Lüge, eine falsche Auffassung über uns und andere. Diese falsche Auffassung behauptet, daß wir Sterbliche seien, die das Gute nur in begrenztem Umfang besitzen, und daß deshalb jeder darum kämpfen müsse, damit er ein Monopol auf das Gute bekomme — unter Ausschluß der anderen. Sie möchte uns einreden, daß Habgier, Neid, Eifersucht und Rivalität Kennzeichen der Sterblichen seien. Sie möchte uns glauben machen, daß wir mit seltenen Ausnahmen alle von Selbstsucht getrieben würden. Was also allem Anschein nach unseren Fortschritt blockiert, ist demnach nichts anderes als die Stumpfheit und Lichtlosigkeit unseres eigenen Denkens, die in dieser falschen Auffassung ihren Ursprung haben. Die materielle Gesinnung oder die Behauptung, es gebe Personen, die miteinander in Konflikt geraten, muß in unserem eigenen Denken in Frage gestellt werden. Ein materialistischer Begriff vom Menschen muß durch eine erleuchtete, geistige Auffassung von Gott und dem Menschen ersetzt werden.
Widerstand gegen diese neue Betrachtungsweise kann seine Ursache in Stolz, in Vorurteilen und Unduldsamkeit haben, die als Gesetz der Obstruktion in unserem Leben wirken möchten. Und solch einengendes Denken „fährt nur aus durch Beten und Fasten“ Mt 17:21 [Anmerkung].. Wir beten, wenn wir an der Allgegenwart Gottes und der Güte Seiner Schöpfung festhalten und sie in unserem Leben sichtbar werden lassen. Unser Denken zu vergeistigen heißt, das biblische Gebot zu befolgen: „Ein jeder sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war.” Phil 2:5 [Anmerkung]. In dem Maße, wie wir das tun, werden wir uns der Macht und Gegenwart Gottes bewußt. Wir wachsen im Verständnis vom geistigen Wesen des Menschen und der Fülle der Güte Gottes. Dieses Wachstum zeigt sich in größerer Geistigkeit, größerer Christlichkeit in unserem täglichen Leben. Deshalb verlieren aggressive Suggestionen von Furcht, Haß und Minderwertigkeit, die darauf warten, von uns angenommen zu werden und unsere Zustimmung zu erhalten, ihren Einfluß auf uns und verschwinden mehr und mehr aus unserer Erfahrung.
Wir sehen also, daß jedes Hindernis, auf das wir stoßen, damit zu tun hat, wo wir mental stehen. Eine auf die Materie gegründete Betrachtungsweise — die Auffassung vom Leben als einer Auseinandersetzung um das begrenzte Gute — erstickt den Fortschritt, wohingegen ein auf Geist gegründeter Standpunkt ihn fördert. Auf Geist gegründete Auffassungen, die von der Vollkommenheit und Unermeßlichkeit des Guten ausgehen, sind niemals begrenzend oder einschränkend, sondern sie erweitern unseren Horizont. Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen WissenschaftChristian Science (kr’istjən s’aiəns), fordert uns mit folgenden Worten auf, wachsam zu sein: „Was den Fortschritt der Schüler hemmt, ist ihre Materialität, und, diese Art fährt nur aus durch Beten und Fasten.’ ” Vermischte Schriften, S. 156.
Wenn der persönliche Sinn, jedwedes gottunähnliche Denken, argumentieren möchte, daß wir Opfer der Bürokratie, geschäftlicher Intrigen oder herrschsüchtiger Familienangehöriger geworden seien, können wir uns von dem geistigen Sinn zeigen lassen, daß unser Fortschritt niemals blockiert werden kann. Durch den geistigen Sinn hören wir Gott zu uns sagen: „Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, und niemand kann sie zuschließen.” Offb 3:8.
Ein junger Christlicher Wissenschafter machte eine Erfahrung, die das bewies. Er war von der Universität in seiner Heimatstadt an eine Hochschule im Ausland gegangen. Nachdem er dort ein Jahr verbracht hatte, entschloß er sich, zu bleiben und an seiner neuen Alma Mater sein Examen abzulegen. Aber als sein Tutor bei der Verwaltung der Hochschule einen diesbezüglichen Antrag stellte, wurde ihm gesagt, daß der Student zwei weitere Jahre bleiben müsse, weil die Arbeit, die er an seiner vorherigen Universität geleistet hatte, nicht voll anerkannt werden könne. Die Entscheidung schien ungerecht zu sein, und der Student glaubte, daß er keine zwei Jahre bleiben könne, da er nicht die Mittel besaß, um die zusätzlichen Ausgaben zu bestreiten. Doch was ihn wirklich in Harnisch brachte, war, daß er sich gerade entschlossen hatte, sich zum erstenmal in seinem Leben in einer Zweigkirche Christi, Wissenschafter, um Mitgliedschaft zu bewerben. Und wenn er gezwungen wäre, sofort abzureisen, könnte er der Zweigkirche nicht beitreten. Als er von der Entscheidung erfuhr, ging er in den örtlichen Leseraum der Christlichen Wissenschaft. Dort betete er, um zu erkennen, daß keine sterbliche Persönlichkeit, keine Institution, keine Macht jemals wahren Fortschritt hemmen konnte. Und nichts konnte ihn daran hindern, geistig gesinnt zu sein, an Gottes Güte und Gerechtigkeit festzuhalten und sich zu weigern, Gedanken der Frustration und Enttäuschung zu beherbergen. Er hatte nachdrücklich erklärt, daß Gott nicht nur ewig und unendlich, sondern auch gut ist, und daß sich das Gute daher ununterbrochen und auf unzähligen Wegen für alle Kinder Gottes entfalten muß. Der Gottes-Mensch ist sich seines Fortschritts und seiner Nützlichkeit ständig bewußt.
Nachdem er auf diese Weise gebetet hatte, war er bereit, sich bezüglich des Ergebnisses auf Gott zu verlassen. Er verfolgte die Angelegenheit weiter, indem er die Schritte unternahm, die angemessen schienen, um auf dem dafür vorgesehenen Wege gegen die Entscheidung der Universität Einspruch zu erheben. Am Ende wurde eine besondere Regelung für ihn getroffen. Ihm wurde gesagt, er könne bleiben und seine Studienzeit würde angerechnet, wenn er das bevorstehende jährliche Examen mit einer bestimmten Note bestände. Er bestand es und konnte sein Studium dort abschließen.
Alles Gute gehört demjenigen, der Lügen über Gott, das Gute, und Seine Schöpfung überwindet. Was wir überwinden, sind niemals Personen oder Orte, sondern aggressive Lügen, die in unser Denken kommen, um dort Aufnahme zu suchen. Wir brauchen nicht die begrenzten Ansichten gottunähnlichen oder sündigen Denkens als Teil unserer Erfahrung zu akzeptieren. Nicht das, was der persönliche Sinn irrtümlich glaubt und propagiert, sondern was der geistige Sinn als wahr erkennt, ist das Wesentliche. Als Ergebnis unserer zunehmenden Christlichkeit können wir hier und jetzt in immer größerem Maße Herrschaft über die Lüge, daß materielle Personen oder Umstände uns je im Weg stehen könnten, demonstrieren. So beweisen wir, daß wir als Kinder Gottes unserem Wesen nach unbegrenzt sind.